Leitsatz (amtlich)
Die Tatsache, daß bei der Auszahlung einer Dividendenforderung Kapitalertragsteuer einzubehalten ist, ist kein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG a. F., der eine Bewertung unter dem Nennwert rechtfertigt.
Normenkette
BewG a.F. § 14 Abs. 1, § 67 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 44 Abs. 3; KapStDV §§ 5-6; StAnpG § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung eines Nießbrauchsrechts an Wertpapieren.
Der Onkel des Steuerpflichtigen (Revisionskläger) setzte durch eigenhändiges Testament seine Großneffen und Großnichten zu Erben ein. Dem Steuerpflichtigen vermachte er den lebenslänglichen Nießbrauch an seinem Nachlaß, der aus einem Hausgrundstück und einem erheblichen Wertpapierbesitz bestand. Der Steuerpflichtige wurde auch als Testamentsvollstrecker eingesetzt.
Bei der Vermögensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau auf den 1. Januar 1963 wurde der Wert des Nießbrauchsrechts als sonstiges Vermögen erfaßt. Das FA ermittelte den Kapitalwert des Nießbrauchs nach § 16 Abs. 2 BewG a. F. durch Anwendung des maßgebenden Vervielfachers auf den Wert der einjährigen Nutzung. Als Jahreswert der Nutzung legte es gemäß § 17 Abs. 3 BewG a. F. den Betrag zugrunde, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Hierbei ließ es, im Gegensatz zu den Vorjahren, den Abzug der Kapitalertragsteuer vom Nennbetrag der Dividendenforderungen aus dem Wertpapierbesitz nicht mehr zu. Der Einspruch wurde in diesem Punkt als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Das FG führte aus, die Forderung aus dem Nießbrauchsrecht sei als Kapitalforderung mit ihrem Nennwert nach § 14 Abs. 1 BewG a. F. anzusetzen und entsprechend § 16 BewG a. F. mit dem nach § 17 Abs. 3 BewG a. F. zu ermittelnden Jahreswert zu kapitalisieren. Die auf den Dividendenbeträgen lastende Kapitalertragsteuer sei nicht abzugsfähig, da sie keinen Umstand darstelle, der einen geringeren Wert der Dividendenansprüche rechtfertige. Die Kapitalertragsteuer sei zwar nach § 44 Abs. 3 EStG von dem Schuldner der Dividende für den Gläubiger einzubehalten. Steuerschuldner sei aber der Gläubiger der Dividendenforderung. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer werde bei der Veranlagung seiner Einkünfte gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuerschuld angerechnet. Das bedeute, daß der Steuerpflichtige nicht mehr Schuldner der Kapitalertragsteuer, sondern der veranlagten Einkommensteuer sei. Die Kapitalertragsteuer sei der Dividendenforderung nicht so immanent, daß sie bewertungsmäßig nur im Zusammenhang mit der Forderung betrachtet werden könne. Sie beeinflusse den inneren Wert und damit den Nennwert der Dividendenforderung ebensowenig wie die Einkommensteuer.
Mit der Revision wird von den Revisionsklägern vorgetragen, es sei ständige Rechtsprechung des RFH und des BFH, daß Forderungen, die mit Steuern belastet seien, die im Steuerabzugsverfahren erhoben werden, mit dem Nettobetrag zu bewerten seien. Die Entscheidung des FG verkenne den Unterschied zwischen der Einkommensteuer, die eine persönliche Steuer darstelle, und der Kapitalertragsteuer, die Objektcharakter habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Der Wert eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts, dessen jährlicher Ertrag, wie beim Wertpapierbesitz und Grundbesitz, ungewiß oder schwankend ist, bestimmt sich grundsätzlich nach dem gemäß § 16 Abs. 2 BewG a. F. vervielfachten Betrag der voraussichtlich erzielbaren tatsächlichen Jahresnutzung - § 17 Abs. 3 BewG a. F. - (vgl. auch RFH-Urteil III e A 58/36 vom 10. September 1936, RStBl 1936, 1009). Bei der Ermittlung des Jahreswertes sind grundsätzlich alle Aufwendungen abzusetzen, die dem Nießbraucher im Zusammenhang mit dem belasteten Wirtschaftsgut entstehen und die er aus dem Ertrag selbst zu decken hat. Zu den absetzbaren Aufwendungen können auch Steuerbelastungen gehören, die vom Nießbraucher aus dem Ertrag für das belastete Wirtschaftsgut zu entrichten sind. Zu diesen absetzbaren Steuerbelastungen gehört unbestritten nicht die persönliche Einkommensteuer des Nießbrauchsberechtigten. Im Streitfall geht es jedoch darum, ob bei der Ermittlung des Jahreswertes hinsichtlich der Dividendenansprüche aus Wertpapierbesitz - dieser stellt nichts anderes als die in einem durchschnittlichen Jahresbetrag umgerechnete Forderung auf Dividenden dar - die bei Auszahlung der Dividende einzubehaltende Kapitalertragsteuer als wertmindernd zu berücksichtigen ist. Diese Streitfrage ist somit letztlich ebenso zu entscheiden wie die Bewertung von Kapitalforderungen - Bewertung der bereits bestehenden Dividendenansprüche - nach § 14 Abs. 1 BewG a. F.
Der erkennende Senat hat zur Frage der Bewertung von Tantiemeforderungen in dem Urteil III 225/64 vom 15. Dezember 1967 (BStBl II 1968, 338) entschieden, die Tatsache der Einbehaltung der Steuerabzugsbeträge bei Auszahlung von Tantiemeforderungen sei kein besonderer Umstand im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F., der eine Bewertung der Forderung unter dem Nennwert rechtfertige. Dies gilt für den Streitfall entsprechend. In jener Entscheidung wurde u. a. ausgeführt, wirtschaftlich werde der Tantiemegläubiger im Ergebnis nicht durch die Steuerabzugsbeträge, sondern durch die Einkommensteuer betroffen, die nicht als besonderer Umstand im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F. anzuerkennen sei. Die Lohnsteuer sei damit nicht immanent an die Tantiemeforderung gebunden. Nicht anders ist die Rechtslage bei der Kapitalertragsteuer zu beurteilen. Die für Dividenden zu zahlende Einkommensteuer ist, wie schon ausgeführt wurde, kein besonderer Umstand im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F. (vgl. auch RFH-Urteil III 57/41 vom 11. Juni 1941, RStBl 1941, 701, und BFH-Urteil III 273/60 U vom 10. Mai 1963, BFH 77, 88, BStBl III 1963, 349). Die Kapitalertragsteuer kann dann ebenfalls kein solcher Umstand sein; denn sie ist im Ergebnis ebenfalls eine Einkommensteuervorauszahlung. Wirtschaftlich wird der Dividendengläubiger nicht durch die Kapitalertragsteuer, sondern durch die Einkommensteuer, mit der bei der Veranlagung die Dividendenerträge belastet werden, betroffen. Das ergibt sich daraus, daß die Höhe der Steuer für die Einnahme aus Dividenden endgültig erst im Verfahren zur Veranlagung des Einkommens festgesetzt wird. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer wird nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuerschuld angerechnet. Dadurch kann es dazu kommen, daß der Dividendenberechtigte die gesamte bei Zufluß der Dividende einbehaltene Kapitalertragsteuer zurückerhält, weil er hohe Steuerfreibeträge, einen Verlustabzug usw. geltend machen kann. Andererseits kann es aber auch zu einer höheren Steuerbelastung der Dividende kommen, weil der Dividendengläubiger ein hohes Einkommen hat und deshalb hoch in der Progressionsstufe liegt, jedenfalls höher als es dem Pauschalabzug nach § 3 KapStDV entspricht. All das zeigt, daß die Kapitalertragsteuer nur einen vorläufigen Charakter hat und der Dividendenforderung nicht derart immanent ist, daß sie den Wert der Dividendenforderung beeinflußt. Die Abhängigkeit der Kapitalertragsteuer von der Person des Gläubigers zeigt sich auch darin, daß unter gewissen Voraussetzungen nach § 2 KapStDV vom Steuerabzug vom Kapitalertrag überhaupt abgesehen werden kann. Die Kapitalertragsteuer kann sonach im Rahmen der Bewertung einer Forderung aus Dividenden nicht als eine Steuer angesehen werden, die endgültig wie eine Objektsteuer auf dem Dividendenanspruch lastet. Es handelt sich vielmehr um eine pauschale Vorleistung auf die spätere Einkommensteuerschuld des Dividendengläubigers.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Bestehens einer Schuld ist kein Abzug der Kapitalertragsteuer möglich. Der Jahreswert des Nießbrauchs am Wertpapierbesitz, der im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird (§ 17 Abs. 3 BewG a. F.), ist nicht durch eine Objektsteuer in dem Sinne belastet, daß sie als bereits bestehende Schuld auf dem Dividendenstammrecht ruht. Eine andere Frage ist, ob am jeweiligen Veranlagungsstichtag außerhalb der Bewertung des Nießbrauchsrechts eine bereits entstandene und noch nicht getilgte Steuerschuld als vermögensmindernd gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 1 BewG a. F. zu berücksichtigen war. Das Bestehen einer am Bewertungsstichtag bereits entstandenen Kapitalertragsteuerschuld wurde vom Revisionskläger nicht behauptet. Eine solche abziehbare Steuerschuld kann auch regelmäßig nicht bestehen, weil die Kapitalertragsteuer erst beim Zufluß der Dividenden entsteht (§ 3 Abs. 5 Nr. 1a StAnpG).
Soweit die Revisionskläger auf die Rechtsprechung des RFH und des BFH (RFH-Urteil III 57/41 vom 11. Juni 1941 und BFH-Urteil III 273/60 U vom 10. Mai 1963, a. a. O.) über die Berücksichtigung der Steuerabzugsbeträge hinweisen, ist festzustellen, daß sich diese Urteile nur mit der Lohnsteuer und Kirchensteuer befaßt haben, jedoch nicht mit der Frage, ob die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer ein besonderer Umstand im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG a. F. ist. Deshalb steht die vorliegende Entscheidung auch nicht in Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Im übrigen hat der erkennende Senat auch hinsichtlich der Lohnsteuer den Abzug nicht mehr zugelassen (vgl. BFH-Urteil III 225/64 vom 15. Dezember 1967).
Die Revisionskläger wenden sich gegen die Ausführungen des FG, bei der entgeltlichen Abtretung einer Dividendenforderung könne der Zessionar in gleicher Weise wie zuvor der Zedent die einbehaltene Kapitalertragsteuer bei seiner Veranlagung mit der Einkommensteuer zur Verrechnung bringen. Dies trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Nach § 44 Abs. 3 EStG hat der Schuldner der kapitalertragsteuerpflichtigen Erträge die Kapitalertragsteuer für den Gläubiger einzubehalten, und zwar in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (vgl. auch § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a StAnpG). Die gleiche Regelung findet sich in den §§ 5 und 6 KapStDV. Diese Vorschriften lassen erkennen, daß sie im Zusammenhang mit dem Einkommen im Sinne des Einkommensteuerrechts, also auch mit den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen zu beurteilen sind (§ 2 Abs. 3 Nr. 5, § 20 EStG). Gläubiger im Sinne der vorstehend angeführten Vorschriften ist sonach derjenige, der nach dem Einkommensteuerrecht Bezieher der Dividende ist. Dies ist unabhängig von der Abtretung eines Dividendenanspruchs grundsätzlich der Inhaber der Wertpapiere. Ein bürgerlich-rechtlicher Gläubiger einer Dividende, der nicht zugleich der Anspruchsberechtigte für die Kapitaleinkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts ist, ist nicht Gläubiger im Sinne der angeführten Vorschriften. Die Zession eines Dividendenanspruchs ist sonach in der Regel eine Einkommensverwendung des Zendenten und kein Einkommensbezug für den Zessionar. Diese steuerliche Beurteilung der Abtretung eines Dividendenanspruchs ist aber nicht entscheidend für die Frage, ob die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer bei Auszahlung der Kapitalerträge als ein besonderer Umstand anzusehen ist, der eine Bewertung der Forderung unter dem Nennwert nach § 14 Abs. 1 BewG a. F. rechtfertigt. Die Kapitalertragsteuer stellt unabhängig davon, zu wessen Lasten die Steuer einzubehalten ist, wie bereits ausgeführt, eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer dar, die ebenso wie die Einkommensteuer selbst, nicht als wertmindernd bei der Forderungsbewertung berücksichtigt werden darf.
Die Revision war somit als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412903 |
BStBl II 1968, 340 |
BFHE 1968, 427 |