Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für den krankheitsbedingten Einbau eines Fahrstuhls in ein gemietetes Einfamilienhaus keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
1. Die Lehre vom Gegenwert gilt auch bei Mietereinbauten. Hiernach sind Mehraufwendungen eines Steuerpflichtigen für die behindertengerechte Ausgestaltung seines Mietshauses nicht nach § 33 Abs. 2 EStG abziehbar, weil der Steuerpflichtige hierfür einen Gegenwert erhält. Bei einem Mietereinbau zeigt sich dieser darin, dass ein Nachmieter in aller Regel im Anschluss an eine Selbstnutzung der Einbauten durch den Mieter für deren Restnutzungsdauer bei der Übernahme eine Ablösesumme zahlen würde.
2. Ob ein Gegenwert oder ggf. ein verlorener Aufwand vorliegt, ist anhand objektiver, von ungewissen zukünftigen Ereignissen unabhängigen Kriterien zu ermitteln. Ein verlorener Aufwand ist nur gegeben, wenn absehbar ist, dass der Mieter alsbald aus dem Gebäude ausziehen muss und verpflichtet ist, den ursprünglichen baulichen Zustand wieder herzustellen.
Normenkette
EStG § 33
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde im Streitjahr 1999 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehefrau des Klägers war im Streitjahr unheilbar an amyotropher Lateralsklerose erkrankt und auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Sie starb im Mai 2000 an dieser Krankheit.
Der Kläger und seine Ehefrau lebten in einem gemieteten Einfamilienhaus in Hanglage, das im Souterrain zum Garten und im Erdgeschoss zur Straße hin ebenerdig war. Das gemeinsame Schlafzimmer befand sich im Obergeschoss. Um der Ehefrau ein weiteres Leben in dem Einfamilienhaus zu ermöglichen, ließ der Kläger das im Souterrain gelegene Bad rollstuhlgerecht umbauen und an der Giebelseite des Hauses einen Aufzug vom Souterrain bis zum Obergeschoss anbringen. Im Erdgeschoss bestand ein unmittelbarer Zugang vom Aufzug zum Wohnzimmer und im Obergeschoss zum Schlafzimmer. Durch den Einbau des Aufzugs entfiel ein Stellplatz der Doppelgarage. Um vom Aufzug aus erreichbar zu sein, musste in dem Bad im Souterrain die Türe verlegt werden.
Nach § 8 des Mietvertrages durften Um- und Einbauten in den gemieteten Räumen nur mit schriftlicher Erlaubnis der Vermieterin vorgenommen werden. Nach Ablauf der Mietzeit konnte die Vermieterin verlangen, dass vom Mieter (Kläger) vorgenommene Einbauten belassen werden, wenn sie ihm die Herstellungskosten abzüglich angemessener Abschläge für Abnutzung ersetzt.
Die Vermieterin genehmigte im Juni des Streitjahres 1999 die geplanten Umbaumaßnahmen unter Hinweis darauf, dass hiermit keine Kostenübernahme verbunden sei.
In der Einkommensteuererklärung 1999 machte der Kläger die Aufwendungen für den Ein- und Umbau in Höhe von 241 413 DM abzüglich einer Kostenerstattung der Krankenkasse von 5 000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1051 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG weiche von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, nach der eine Belastung i.S. von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht vorliege, wenn Teile des Einkommens für die Anschaffung von Gegenständen verwendet worden seien, die von bleibendem oder zumindest länger andauerndem Wert und Nutzen seien.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Er legte in seiner schriftlichen Stellungnahme vor der mündlichen Verhandlung und mündlich in der Verhandlung vor dem Senat nochmals dar, warum es sich seiner Meinung nach bei den Baukosten um zwangsläufig entstandene, verlorene Aufwendungen gehandelt habe.
Im Mai 1999 habe endgültig festgestanden, dass seine Ehefrau einen Rollstuhl benötigen werde und nur noch eine geringe Lebenserwartung habe. Er habe daher schnell handeln müssen und alle denkbaren Möglichkeiten erwogen. Ein kurzfristiger Umzug in eine behindertengerechte Wohnung hätte die Gesundheit seiner Ehefrau schwer beeinträchtigt und sei auch nicht möglich gewesen, weil eine solche Wohnung nicht habe gefunden werden können. Ein Neubau sei wegen der geringen Lebenserwartung nicht in Betracht gekommen. Es sei daher nur der kurzfristige Umbau geblieben, bei dem zudem auf die Interessen der Vermieterin habe Rücksicht genommen werden müssen.
Das zum Garten ebenerdige Souterrain habe nicht als Wohnraum genutzt werden können, weil wegen der geringen Deckenhöhe der dauernde Aufenthalt baurechtlich nicht zulässig gewesen sei. Im zur Straße hin ebenerdigen Erdgeschoss hätte ein Schlafraum eingerichtet und ein Bad eingebaut werden müssen. Diese Umsetzung hätte architektonisch Schwierigkeiten bereitet, insbesondere weil die vorhandene Gästetoilette nicht behindertengerecht hätte umgebaut werden können, ebenso wenig das Bad im Obergeschoss. Es sei daher als Schlafraum nur der Raum im Obergeschoss und als behindertengerechtes Bad nur das Bad im Souterrain in Betracht gekommen. Ohne Aufzug hätte die Ehefrau weder das behindertengerechte Bad noch den Ausgang zur Straße im Erdgeschoss oder zum Garten in Souterrain erreichen können.
Er, der Kläger, habe für die Baumaßnahmen auch keinen Gegenwert erhalten. Der Aufzug, der für ein dreigeschossiges Einfamilienhaus nicht erforderlich sei, besitze keine Marktgängigkeit, zumal die Vermieterin die Kosten nicht erstattet habe und auch nicht erstatten werde. Wegen der Kündigungsmöglichkeit der Vermieterin habe er auch keinen dauerhaften Nutzungsvorteil. Den Gegenwert erhalte dauerhaft nur die Vermieterin. Aus seiner, des Klägers, Sicht als Mieter seien die Ein- und Umbauten verlorener Aufwand.
Da er am 30. September 2005 in den Ruhestand getreten sei, müsse er wegen des Wohnungsbelegungsrechts seiner Arbeitgeberin zudem ab 1. Oktober 2006 mit der Auflösung des Mietverhältnisses rechnen. Deshalb seien die Aufwendungen für den Aufzug --ausgehend von einer Nutzungsdauer von 15 Jahren-- zumindest in Höhe von 8/15 anzuerkennen. Wegen des Verlustes eines Garagenplatzes durch den Einbau des Aufzugs sei weiterhin eine Belastung in Höhe des kapitalisierten Jahreswerts zu berücksichtigen.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags nimmt der Senat auf die Schriftsätze des Klägers vom 11. Oktober und 22. November 2005 Bezug.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht hat das FG die geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau des Aufzugs und den Umbau des Bades als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG).
a) § 33 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine (außergewöhnliche) "Belastung" zu tragen hat. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände anschafft, die für ihn einen Gegenwert zu den aufgewandten Kosten darstellen. Denn dann handelt es sich um eine bloße Umschichtung von Vermögenswerten, die den Steuerpflichtigen nicht (außergewöhnlich) "belastet". Nur soweit Werte aus seinem Vermögen oder seinem laufenden Einkommen endgültig abfließen, liegt bei ihm --anders als bei einer reinen Vermögensumschichtung-- eine Belastung vor (Senatsurteil vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491, und Senatsbeschluss vom 15. April 2004 III B 84/03, BFH/NV 2004, 1252, jeweils m.w.N.).
b) Mehraufwendungen eines Steuerpflichtigen für die behindertengerechte Ausgestaltung seines neu errichteten Wohnhauses (z.B. durch Einbau eines Aufzugs, einer Bodendusche und Vergrößerung des Bades) sind nach dem Senatsurteil in BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491 nicht nach § 33 Abs. 2 EStG abziehbar, weil der Steuerpflichtige hierfür einen Gegenwert erhalte. Denn die Einrichtungen seien nicht ausschließlich für den Behinderten nutzbar, sondern ebenso von jedem anderen Bewohner des Hauses. Die --nur durch eine fiktive Aufteilung zu ermittelnden-- Mehraufwendungen seien auch nicht zwangsläufig, weil nicht eindeutig und anhand objektiver Merkmale zwischen den steuerrechtlich irrelevanten privaten Motiven für die Gestaltung eines Hauses und den nach § 33 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden, ausschließlich durch die Behinderung verursachten Aufwendungen unterschieden werden könne.
Für den nachträglichen Einbau eines Aufzugs in ein seit längerem bewohntes, eigenes Einfamilienhaus gelten nach der Rechtsprechung des Senats die gleichen Erwägungen. Auch für den nachträglich eingebauten Aufzug erhalte der Steuerpflichtige einen Gegenwert. Die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen sei ebenfalls nicht anders zu beurteilen, weil der Steuerpflichtige nicht gezwungen sei, sein Haus umzubauen. Er könne stattdessen ein anderes, für seine Bedürfnisse besser geeignetes Haus erwerben oder mieten. Auch sei anhand objektiver und praktikabler Maßstäbe nicht feststellbar, ob für den nachträglichen Einbau des Aufzugs eindeutig und ausschließlich die Behinderung oder sonstige private Gründe maßgeblich gewesen seien und ob der Steuerpflichtige bzw. das behinderte Haushaltsmitglied auch im Erdgeschoss ausreichenden und angemessenen Wohnraum hätte finden können (Senatsurteil vom 6. Februar 1997 III R 72/96, BFHE 182, 551, BStBl II 1997, 607).
2. Nach diesen Grundsätzen der Rechtsprechung kann der Kläger die Aufwendungen für den Einbau des Aufzugs nicht als außergewöhnliche Belastung abziehen.
a) Die Lehre vom Gegenwert ist auch bei Mietereinbauten anwendbar.
Erlaubt der Vermieter --wie im Streitfall-- dem Mieter Einbauten, schließt aber die Erstattung der Aufwendungen auch bei Auszug des Mieters aus, bekommt der Vermieter in Form einer Wertsteigerung des Gebäudes einen Gegenwert. Aber auch der Mieter erhält durch die Einbauten einen Gegenwert, sofern die Einbauten nicht nur für ihn, sondern auch für andere Personen von Wert sein können und eine "gewisse Marktfähigkeit" besitzen, "die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck kommt". Dieser zeigt sich darin, dass in aller Regel ein Nachmieter im Anschluss an eine Selbstnutzung der Einbauten durch den Mieter für deren Restnutzungsdauer bei der Übernahme eine Ablösesumme zahlen würde (BFH-Urteil vom 4. März 1983 VI R 189/79, BFHE 138, 73, BStBl II 1983, 378, m.w.N.). Ob ein Gegenwert oder ggf. ein verlorener Aufwand vorliegt, ist anhand objektiver, von ungewissen zukünftigen Ereignissen unabhängigen Kriterien zu ermitteln (BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2000 III B 53/00, BFH/NV 2001, 756; vom 15. April 2004 III B 113/03, nicht veröffentlicht, juris).
b) Anlass für den Einbau des Aufzugs war im Streitfall unbestritten die Krankheit der Ehefrau. Sie war für ein soweit wie möglich selbständiges Leben in dem Einfamilienhaus auf den Aufzug angewiesen. In einem dreigeschossigen Gebäude war der Aufzug aber ebenso für andere Bewohner des Hauses, insbesondere den Kläger und ggf. spätere Nachmieter von Nutzen. Auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung durch den Kläger oder durch andere Personen kommt es hierbei nicht an.
Ein verlorener Aufwand könnte nur angenommen werden, wenn absehbar gewesen wäre, dass der Kläger alsbald aus dem Haus ausgezogen und verpflichtet gewesen wäre, den ursprünglichen baulichen Zustand wiederherzustellen (vgl. Blümich/Heger, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 33 EStG Rz. 193). Hierfür liegen aber keine Anhaltspunkte vor. Im Zeitpunkt des Einbaus des Aufzugs war nicht erkennbar, dass der Kläger bei einem etwaigen Auszug den Aufzug entschädigungslos wieder ausbauen müsste. Dies ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil der Vermieter dem Einbau seinerzeit schriftlich zugestimmt hat. Ferner wohnt der Kläger tatsächlich nach wie vor in dem gemieteten Einfamilienhaus.
Der vom Kläger hilfsweise begehrte "Nachteilsausgleich", weil durch den Einbau des Aufzugs ein Stellplatz der Doppelgarage weggefallen ist, kommt nicht in Betracht. Dem Kläger verblieb nach dem Einbau des Aufzugs noch ein Stellplatz zur Nutzung, was ihm offenbar auch genügte.
3. Da bereits das Merkmal der Belastung i.S. des § 33 EStG nicht gegeben ist, kann unentschieden bleiben, ob den Aufwendungen für den Einbau des Aufzugs auch die Zwangsläufigkeit i.S. von § 33 Abs. 2 EStG fehlt, weil andere zumutbare Handlungsmöglichkeiten in Betracht gekommen wären (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).
4. Ob die Aufwendungen für den rollstuhlgerechten Umbau des Badezimmers als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden, da die Kosten offensichtlich die nach § 33 Abs. 3 EStG zu berücksichtigende zumutbare Belastung in Höhe von 6 % des Gesamtbetrags der Einkünfte (513 316 DM x 6 % = 30 799 DM) nicht übersteigen. Soweit die Kosten für den Umbau des Badezimmers durch den Ein-bau des Aufzugs verursacht sind, sind sie zudem den nicht abziehbaren Kosten für den Einbau des Aufzugs zuzuordnen.
Fundstellen
Haufe-Index 1494296 |
BFH/NV 2006, 931 |
DStRE 2006, 714 |
HFR 2006, 373 |