Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses als Gegenleistung
Leitsatz (NV)
Zahlt der Mieter eines Grundstücks dem Veräußerer für den Erwerb des Grundstücks neben dem Barkaufpreis zusätzlich eine Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses, so stellt die Entschädigung Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks dar. Es handelt sich insoweit um eine zusätzliche Vergütung für eine sich aus dem grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang notwendigerweise ergebende Rechtsfolge, nämlich die Beendigung des Mietverhältnisses und die Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit durch den Verkäufer.
Normenkette
GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verkaufte durch Vertrag vom 27. Dezember 1982 an A ein in B gelegenes Grundstück. Auf dem Grundstück befindet sich ein von der Klägerin selbstgenutztes Verwaltungsgebäude. Nutzungen und Lasten sollten "mit dem 31. Dezember 1982" auf A übergehen. Die Klägerin behielt sich das Recht zum Wiederkauf des Grundstücks zum 31. Dezember 1998 oder zum 31. Dezember 2002 vor. Hinsichtlich des Verwaltungsgebäudes wurde zwischen der Klägerin und A ein langfristiger Mietvertrag abgeschlossen. Die Höhe des Mietzinses sollte u. a. auch für die Höhe des Wiederkaufspreises maßgebend sein.
Ende 1987 bemühte sich die Klägerin um einen vorzeitigen Wiederkauf des Grundstücks. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 16. Dezember 1987 wurde ihr seitens der A das Recht zum Wiederkauf auf den 31. Dezember 1987 eingeräumt. Von diesem Wiederkaufsrecht machte die Klägerin in derselben notariellen Verhandlung Gebrauch. Der Wiederkaufspreis sollte X DM betragen und spätestens am 30. Dezember 1987 zahlbar sein. Die Klägerin sollte u. a. auch die Kosten für die Löschung eines in Abteilung II Nr. 5 des Grundbuches eingetragenen Treuhändervermerks übernehmen.
Wegen der infolge des Wiederkaufs vorzeitigen Beendigung des langfristigen Mietvertrages verpflichtete sich die Klägerin A gegenüber, zusätzlich "eine einmalige Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages per 31. Dezember 1987 in Höhe von X DM zu zahlen".
Der Beklagte und Revisionbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte durch Bescheid vom 18. Januar 1988 Grunderwerbsteuer in Höhe von X DM gegen die Klägerin fest. Dabei ging es von einer Gegenleistung in Höhe von X DM aus. In diesem Betrag enthalten waren der Wiederkaufspreis, die Löschungskosten sowie die Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin sich gegen die Einbeziehung der Entschädigungszahlung für die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses in die Gegenleistung wandte, blieben ohne Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 91, 97 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 geltend. Die Entschädigungszahlung für die vorzeitige Mietvertragsauflösung sei nicht in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Entschädigung sei aufgrund schriftlicher Vereinbarung vom 15. Dezember 1987 zwischen der Klägerin und A vereinbart worden. Durch diese Vereinbarung sei das Mietverhältnis zum 31. Dezember 1987 beendet worden. Der in progressiv steigenden Raten vereinbarte Mietzins habe A über die gesamte ursprünglich vorgesehene Mietzeit eine durchschnittliche Verzinsung des Kaufpreises in Höhe von rd. 8,5 v. H. p. a. sichern sollen. Durch die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses habe diese Verzinsung nicht erreicht werden können. Allein für die ersten fünf Jahre der Mietzeit habe sich ein Leistungsrückstand der Klägerin aus den progressiven Mietraten in Höhe von X DM (aufgezinst) ergeben. Der restliche Teil der Entschädigung stelle einen Ausgleich für der A entgangenen Zinsgewinn dar, den A bei vertragsgemäßer Durchführung des Mietverhältnisses gehabt hätte.
Nach ihrer, der Klägerin, Auffassung sei die Entschädigung an A dafür gezahlt worden, daß A auf ihre Rechte aus dem Mietvertrag verzichtet habe. Ohne diese Zahlung sei A nicht bereit gewesen, das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden. Es handelt sich um eine Verpflichtung aus dem Mietverhältnis, wie z. B. die Zahlung rückständiger Mietraten. Die Entschädigungszahlung habe ihren Rechtsgrund im Mietverhältnis. Daß sie anläßlich des Grundstückserwerbs gezahlt worden sei, mache sie nicht zur Gegenleistung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Dies gelte besonders bezüglich des sich aus den progressiven Mietraten ergebenden Lei stungsrückstands in Höhe von X DM.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht die Klägerin mangelnde Sachaufklärung durch das FG geltend. Dieses habe den von ihr in der Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalt lediglich als Parteivortrag wiedergegeben. Es habe diesen Sachverhalt weder aufgeklärt noch zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Es habe dementsprechend auch nicht die Beweggründe, die zur doppelten Grundstücksübertragung geführt hätten, gewürdigt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß neben dem (Wieder-)Kaufpreis sowie den Kosten für die Löschung des in Abteilung II Nr. 5 des Grundbuchs eingetragenen Rechts auch die von der Klägerin an A gezahlte Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages zur Gegenleistung i. S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 zu rechnen ist.
Die Ausübung des der Klägerin zum 31. Dezember 1987 eingeräumten Wiederkaufsrechts in dem notariell beurkundeten Vertrag vom 16. Dezember 1987 unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer. Der durch die Begründung des Wiederkaufsrechts aufschiebend bedingte und deshalb (noch) nicht grunderwerbsteuerpflichtige (vgl. § 14 Nr. 1 GrEStG 1983) Eigentumsverschaffungsanspruch ist durch die Ausübung des Wiederkaufsrechts zu einem unbedingten Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück geworden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. Dezember 1979 II R 15/76, BFHE 129, 280, BStBl II 1980, 162, 163 unter Hinweis auf die Urteile des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 17. Dezember 1958 V ZR 51/57, BGHZ 29, 107, 110, und vom 19. Dezember 1962 V ZR 190/60, BGHZ 38, 369, 371).
Die Steuer bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (ständige Rechtsprechung: z. B. Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen daher kausal verknüpft sein. Zur Gegenleistung gehören deshalb nur Leistungen, die gewährt werden für das Grundstück im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne (vgl. § 2 GrEStG 1983).
Für die Frage nach der Gegenleistung ist es auch nicht maßgebend, was die Vertragsschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich verpflichtet haben (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1975 II R 84/70, BFHE 117, 287, BStBl II 1976, 128, 129). Sind neben dem als Entgelt (Barlei stung) festgesetzten Preis andere Leistungen bedungen, zählen auch diese zum vereinbarten Preis, soweit sie für den Erwerb des Grundstücks erbracht werden. Die Gegenleistung setzt sich in diesen Fällen aus dem Barkaufpreis und den "vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen" zusammen. Dabei ist es nicht erforderlich, daß diese zusätzlichen Leistungen in dem Kaufvertrag selbst vereinbart werden. Vielmehr können auch solche Leistungen zur Gegenleistung gehören, die vor oder nach Verwirklichung des Erwerbsvorgangs vereinbart waren, sofern sie nur im übrigen den allgemeinen Kriterien der Gegenleistung entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1975 II R 122/70, BFHE 118, 89, BStBl II 1976, 299).
Nach diesen Grundsätzen gehört die von der Klägerin zu leistende Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages zur Gegenleistung für den Erwerb (Wiederkauf) des Grundstücks. Nach den -- mit Revisionsrügen nicht angegriffenen -- Feststellungen des FG war A nur unter der Bedingung bereit, der Klägerin ein Wiederkaufsrecht zum 31. Dezember 1987 einzuräumen, daß diese eine Entschädigung in dieser Höhe für die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses zahlte. Die Beendigung des Mietverhältnisses war jedoch notwendige rechtliche Folge des Wiederkaufs des Grundstücks durch die Klägerin. Denn ein Mietvertrag erlischt, wenn der Mieter Eigentümer der Sache wird (vgl. RG-Urteil vom 19. September 1901 VI. 169/01, RGZ 49, 287). Die Nutzungen des Grundstücks gehen in einem solchen Fall infolge des Kaufvertrages mit der Übergabe des Grundstücks (vgl. § 446 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) auf den Erwerber (Mieter) des Grundstücks über. Die Entschädigungszahlung des Erwerbers für den Übergang der Nutzungen stellt deshalb keine Gegenleistung für eine selbständige Nebenleistung des Verkäufers, sondern eine zusätzliche Vergütung für eine sich aus dem grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang notwendigerweise ergebende Rechtsfolge dar. Führt der Übergang des Eigentums an einem Grundstück bzw. dessen Übergabe auf den Erwerber dazu, daß der Veräußerer gehindert ist, weitere Nutzungen (durch Vermietung) des Grundstücks zu ziehen, so stellt eine Entschädigung, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer für die Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit neben dem Kaufpreis bezahlt, Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks selbst dar (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 26. Januar 1940 II 422/39, Mrozek, Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Grunderwerbsteuergesetz II, § 12 Abs. 2 Satz 1, Rechtsspruch 14, und vom 18. Dezember 1942 II 75/41, RFHE 52, 291, RStBl 1943, 85). A war mit dem im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis nicht zufrieden und der Klägerin war das Grundstück den Gesamtbetrag einschließlich der Entschädigungszahlung wert (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1954 II 173/54 U, BFHE 60, 26, BStBl II 1955, 10).
Soweit die Klägerin mit der Revision auf die wirtschaftlichen Hintergründe für die Gewährung der Entschädigung verweist, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn es kommt nicht auf die wirtschaftlichen Beweggründe der Vertragschließenden an, sondern allein darauf, was nach dem Inhalt der Vereinbarungen rechtlich Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks ist. Wie oben dargelegt, bestand für die Klägerin kein rechtlicher Anlaß zur Zahlung dieser Entschädigung. Dies gilt sowohl für den vorangegangenen Zeitraum, d. h. für die Jahre 1983 bis 1987, als auch für den Zeitraum ab 1988. Für den Zeitraum 1983 bis 1987 hatte A gegenüber der Klägerin über die vertraglich ausbedungenen Mietzinsen hinaus keine Ansprüche auf zusätzliche Nutzungsentgelte. Von einem Leistungsrückstand im Rechtssinne, d. h. von einem durchsetzbaren Anspruch der A gegen die Klägerin auf Zahlung zusätzlicher Nutzungsentgelte, kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ausgegangen werden. Ein Nutzungsentgelt ab 1988 stand A deshalb nicht zu, weil der Klägerin die Nutzungen mit der Übergabe des Grundstücks allein zustanden. Deshalb hat die Klägerin die Entschädigung auch nicht aufgrund des Mietverhältnisses gezahlt, sondern um von dem Mietvertrag frei zu kommen. Daß die Entschädigung u. a. nach den wirtschaftlichen Vorteilen für A bei Fortführung des Mietverhältnisses und nicht auf andere Weise berechnet wurde, begründet keinen wesentlichen Unterschied (vgl. BFH-Urteil in BFHE 60, 26, BStBl II 1955, 10).
Im Ergebnis stellt sich die Entschädigungsleistung der Klägerin an A deshalb als Gegenleistung für die sich aus dem Eigentumsübergang ergebenden Rechtsfolgen, d. h. im Ergebnis für den Grunderwerb, dar. Denn die Entschädigung wurde neben dem Kaufpreis für die Überlassung der vollen Eigentümerstellung an die Klägerin gezahlt. A hat im Ergebnis durch die Vereinbarung der Entschädigungsleistung die sich bei ihr infolge des Rückerwerbs des Grundstücks durch die Klägerin mittelbar ergebenden Vermögenseinbußen auf die Klägerin abgewälzt.
Fundstellen
Haufe-Index 419752 |
BFH/NV 1995, 65 |