Leitsatz (amtlich)
Bei Tieren sind die Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage nach den tatsächlichen Anschaffungs- und Aufzuchtkosten und nicht nach den Viehdurchschnittswerten (Abschn. 125 EStR) zu bemessen.
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Landwirt; er ermittelt seinen Gewinn für das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG).
Am 7. Dezember 1974 erwarb der Kläger fünf ein- bis zweijährige Rinder, um sie für seinen landwirtschaftlichen Betrieb als Milchkühe aufzuziehen. Der Erwerbspreis betrug ohne Mehrwertsteuer insgesamt ... DM. Der Kläger legte eine Bescheinigung vor, wonach die einzelnen Tiere am 15. Dezember 1975, 11. Januar 1976, 14. April 1976, 3. Mai 1976 und 28. September 1976 ausgewachsen waren (= Zeitpunkt der steuerlichen Beendigung der Herstellung bzw. Fertigstellung).
Von Teilherstellungskosten von ... DM beantragte der Kläger am 19./22. März 1976 eine Investitionszulage nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 (BGBl I 1975, 529, BStBl I 1975, 206) in Höhe von 7,5 v. H. Die Teilherstellungskosten setzen sich aus den Anschaffungskosten sowie aus den bis zum 30. Juni 1975 angefallenen eigenen Aufzuchtkosten zusammen, die der Kläger zunächst mit 400 DM, später mit 300 DM pro Tier schätzte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) wies den Antrag zurück. Er ging nicht von den tatsächlichen (zum Teil geschätzten) Teilherstellungskosten, sondern von den niedrigeren Viehdurchschnittswerten (vgl. Abschn. 125 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -) aus. Diese betragen für ein- bis zweijährige Rinder 500 DM. Das FA sah die Rinder als geringwertige Wirtschaftsgüter an, so daß eine Investitionszulage nicht in Betracht kam. Die Finanzverwaltung vertritt mittlerweile allgemein die Auffassung (vgl. Tz. 64 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BdF - vom 5. Mai 1977, BStBl I 1977, 246), daß der Land- und Forstwirt das ihm nach Abschn. 125 EStR zwischen der Einzelbewertung und der Durchschnittsbewertung zustehende Bewertungswahlrecht nur einheitlich für die Einkommensteuer und Investitionszulage ausüben könne.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens modifizierte das FA seinen Standpunkt. Es hielt zwar an der Durchschnittsbewertung als der zutreffenden Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage fest, ließ aber den Gesichtspunkt des geringwertigen Wirtschaftsguts fallen. Es ging nunmehr - aufgrund zutreffender Überlegung - von dem Durchschnittswert einer "fertiggestellten" Kuh von 1 000 DM aus und schätzte hierauf die bis zum 30. Juni 1975 angefallenen Teilherstellungskosten auf ... DM. Es sieht den Antrag des Klägers für begründet an, soweit diesem Teilherstellungskosten von 3 500 DM entstanden sind (Investitionszulage von 262,50 DM) und hält den Antrag für unbegründet, soweit der Kläger darüber hinausgehende Teilherstellungskosten von ... DM geltend macht (Investitionszulage von ... DM).
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Es sieht in den Viehdurchschnittswerten nur geschätzte Werte der Verwaltung, die nicht anzuwenden seien, wenn der Investor höhere Werte nachweisen könne. Das sei hier geschehen. Auch der mit § 4 b InvZulG 1975 verfolgte Sinn und Zweck des Gesetzes erfordere, von den tatsächlichen Teilherstellungskosten und nicht von den viel zu niedrigen Viehdurchschnittswerten auszugehen. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 238 (EFG 1978, 238) abgedruckt.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es sieht eine vernünftige und befriedigende Auslegung des Begriffs der Herstellungskosten nur für gegeben an, wenn an die ertragsteuerlichen Werte angeknüpft wird. Der buchführende Landwirt habe ein Bewertungswahlrecht zwischen der Einzelbewertung und der Durchschnittsbewertung, wobei im letzteren Falle die Viehdurchschnittswerte an die Stelle der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten träten. Aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung müsse dies auch für Landwirte mit Gewinnermittlung nach § 13 a EStG gelten, da diese Landwirte durch den Ansatz sehr niedriger Gewinne ohnehin begünstigt seien und keine Notwendigkeit bestehe, sie darüber hinaus noch zusätzlich zu begünstigen. Entgegen der Ansicht des FG spielten die Viehdurchschnittswerte auch bei der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG insofern eine Rolle, als beim Übergang zur Buchführung und bei einer Betriebsveräußerung diese Werte angesetzt werden müßten.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit darin dem Kläger eine höhere Investitionszulage als 262,50 DM (Bemessungsgrundlage 3 500 DM) zuerkannt worden ist und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Bei der Anschaffung und Aufzucht der fünf Rinder handelt es sich um begünstigte Investitionen i. S. des § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975. Auch die im Gesetz vorgesehenen Fristen für die "Fertigstellung" der Tiere (30. Juni 1976 nach § 4 b Abs. 2 Satz 2 und 30. Juni 1977 nach § 4 b Abs. 4 Satz 1) sind gewahrt. Einziger Streitpunkt ist die Frage, ob die Investitionszulage von den tatsächlichen (Teil-)Herstellungskosten oder von den Viehdurchschnittswerten zu bemessen ist. Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß die Viehdurchschnittswerte als Bemessungsgrundlage nicht geeignet sind.
2. Soweit die im Investitionszulagengesetz 1975 und in § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) verwendeten Begriffe aus dem Einkommensteuerrecht entnommen sind, werden sie von der Rechtsprechung auch nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen ausgelegt. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der besondere Sinn und Zweck einer Investitionszulagevorschrift der Übernahme dieser Grundsätze entgegensteht.
3. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Übernahme der zum Herstellungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht entwickelten Rechtsgrundsätze, sondern um die Übernahme eines einkommensteuerlichen Wertansatzes als Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage. Dieses Problem kann namentlich bei Bewertungswahlrechten auftreten. Die Rechtsprechung hat sich mit diesem Problem in der Vergangenheit wiederholt beschäftigt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juli 1966 VI 320/65, BFHE 87, 310, BStBl III 1967, 151 - zum Festwert -; vom 19. Juni 1975 VIII R 225/72, BFHE 117, 195, BStBl II 1976, 97 - Perserteppichurteil -; vom 28. Oktober 1977 III R 72/75, BFHE 123, 538, BStBl II 1978, 115 - Abschreibung auf einen Erinnerungswert von 1 DM -; vom 13. März 1979 III R 20/78, BStBl II 1979, 578 - Bewertungsfreiheit für kurzlebige Wirtschaftsgüter nach Abschn. 43 Abs. 9 EStR 1975 -; vgl. auch Urteil des FG Berlin vom 5. September 1972 IV 51/72, EFG 1973, 5 - zum Ansatz allgemeiner Verwaltungskosten bei den Herstellungskosten -). In diesen Urteilen wurde nicht ohne weiteres an einkommensteuerlichen Wertansätzen angeknüpft. Der Senat braucht dieses Problem im vorliegenden Fall jedoch nicht weiter zu vertiefen, weil er der Meinung ist, daß die Viehdurchschnittswerte eben wegen ihrer Eigenschaft als "Durchschnittswerte" als Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage untauglich sind.
4. Der buchführende Landwirt hat nach Abschn. 125 EStR ein Wahlrecht zwischen der Einzelbewertung und der Durchschnittsbewertung. Bei den Viehdurchschnittswerten handelt es sich um geschätzte Werte, die von den Ländern festgesetzt werden (vgl. die Zusammenstellung bei Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 2. Aufl. 1967, Abschn. B 230). Auch der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a EStG liegt die Durchschnittsbewertung gedanklich zugrunde, was sich beim Übergang zur Buchführung und bei einer Betriebsveräußerung auswirkt (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1965 IV 180/61 U, BFHE 83, 213, BStBl III 1965, 579). Der Durchschnittswert bezieht sich einmal auf das einzelne zu bewertende Tier. Das bedeutet, daß das Tier konstant mit einem festen Wert während der gesamten Dauer seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen anzusetzen ist (von einer Änderung der Durchschnittssätze abgesehen, die nur in sehr großen Zeitabständen erfolgt, vgl. weiter unten). Der Wertansatz erfolgt also ohne Rücksicht darauf, daß ein Tier in jüngeren Jahren mehr und in älteren Jahren weniger wert ist (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs vom 25. Juli 1934 VI A 369/32, Steuer und Wirtschaft 1934 Sp. 1304, und vom 29. Januar 1936 VI A 889/34, RFHE 39, 82, RStBl 1936, 752). Der Durchschnittswert gilt aber auch einheitlich für den ganzen Viehzweig. Es werden also auch die Verschiedenheiten der Tiere untereinander, wie beispielsweise Gewicht und Leistungsfähigkeit, außer acht gelassen. Solche Durchschnittswerte mögen bei der Einkommensteuer vertretbar sein, wo sich anfängliche Vorteile durch spätere Nachteile wieder ausgleichen. Sie können aber nicht Bemessungsgrundlage bei der Investitionszulage sein, weil es hier auf die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung eines bestimmten Tieres zu einem bestimmten Zeitpunkt ankommt. Auf diese Besonderheiten nehmen aber die Viehdurchschnittswerte keine Rücksicht. Auf den individuellen Wert eines Tieres kommt es bei der Durchschnittsbewertung nicht an. Hinzu kommt noch, daß die Viehdurchschnittswerte von der Verwaltung nur in sehr großen Zeitabständen festgesetzt werden. Nach Felsmann (a. a. O., unter B 225 i. d. F. der 7. Ergänzung) wurden in der Zeit von der Währungsreform bis September 1976 nur noch einmal, nämlich im Wirtschaftsjahr 1966/1967, Viehdurchschnittswerte neu festgesetzt. Es liegt auf der Hand, daß damit die Viehdurchschnittswerte auch noch beträchtlich unter den tatsächlichen Durchschnittspreisen für die Anschaffung und Aufzucht der Tiere liegen. Der Senat hält deshalb die Viehdurchschnittswerte nicht für eine geeignete Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage. Die entgegenstehende Auffassung der Finanzverwaltung in Tz. 64 des BdF-Schreibens vom 5. Mai 1977 ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar.
5. Die vom Kläger mit 300 DM je Tier geschätzten Aufzuchtkosten sind vom FG anerkannt worden. Das FA hat gegen diese Schätzung nichts vorgebracht. Die Kosten erscheinen mit 1,46 DM je Tag und Tier auch nicht überhöht.
Fundstellen
BStBl II 1979, 638 |
BFHE 1979, 303 |