Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (amtlich)
Nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen sind als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn mit dem Kredit Aufwendungen finanziert worden sind, die während der Vermietungstätigkeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen waren.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 24 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Dok.-Nr. 0145051; EFG 1998, 368) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren im Streitjahr (1985) je zur Hälfte Miteigentümer eines Zweifamilienhauses in A. Die daraus erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ermittelten sie ab dem 1. September des Streitjahres nach § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 21 Abs. 1 EStG durch Einnahme-Überschußrechnung. Die Kläger waren ferner Eigentümer eines im Jahre 1980 angeschafften und seitdem vermieteten Einfamilienhauses in B, das sie im Jahre 1984 veräußerten. Die Kläger zahlten im Streitjahr noch Schuldzinsen in Höhe von 3 865 DM für Kredite, mit denen sie während der Vermietung dieses Hauses sofort abziehbare Werbungskosten darstellende Aufwendungen finanziert hatten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ermittelte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Zweifamilienhauses in A nach § 21a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG und lehnte bei dem Haus in B den Abzug der Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten ab.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das FA habe bei dem Zweifamilienhaus in A zutreffend die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung pauschal nach § 21a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG ermittelt. Die pauschale Nutzungswertermittlung sei auch nicht --wie von den Klägern geltend gemacht-- verfassungswidrig. Die nach der Veräußerung des Hauses in B im Streitjahr gezahlten Schuldzinsen seien nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Hauses in A weitere Werbungskosten von 13 134 DM, sowie ferner bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Hauses in B weitere Werbungskosten von 3 865 DM anzuerkennen. Hilfsweise beantragen die Kläger, die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vorzulegen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und in der Sache zu entscheiden. Das angefochtene Urteil verletzt § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG.
1. Das FG hat zwar zutreffend die im Streitjahr nacherhobene Grunderwerbsteuer als nachträgliche Anschaffungskosten des im Jahre 1980 erworbenen bebauten Grundstücks beurteilt, die sich nur im Rahmen von Absetzung für Abnutzung (AfA), nicht aber als sofort abziehbare Werbungskosten steuerrechtlich auswirken. Ihr Begehren, die nacherhobene Grunderwerbsteuer zum Abzug als Werbungskosten zuzulassen, haben die Kläger dementsprechend in der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt.
2. Das FG hat jedoch zu Unrecht den Abzug von nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlten Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgelehnt. Die strittigen Zinsen sind als Werbungskosten abziehbar, weil die Kläger mit dem Kredit während der Vermietungsphase als Werbungskosten sofort abziehbare Aufwendungen finanziert haben.
a) Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlaßt ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften --im vorliegenden Fall von solchen aus Vermietung und Verpachtung-- verwendet worden ist (z.B. Senatsurteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, m.w.N.). Besteht der wirtschaftliche Zusammenhang auch nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit, sind die Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG; vgl. zu nachträglichen Werbungskosten z.B. Senatsurteil vom 27. Juni 1995 IX R 48/93, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151, m.w.N.).
b) Allerdings sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Schuldzinsen eines Kredits zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäude nach dessen Veräußerung keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sie stehen nicht mehr mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Der wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung besteht nur solange das mit Kredit finanzierte Gebäude Vermietungszwecken gewidmet ist (Senatsurteil vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289; ebenso z.B. von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. C 60 f.; B. Meyer, Die steuerliche Betriebsprüfung 1995, 30, 32 f.). Reicht der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung des zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgenommenen Kredits aus, sind die vom Steuerpflichtigen zu zahlenden Zinsen Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das aufgrund eines nicht steuerbaren Verlustes im privaten Vermögensbereich nicht mehr der Erzielung von Einkünften dient (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1995 IX R 114/92, BFH/NV 1995, 966, m.w.N.).
c) Die Annahme eines --kreditfinanzierten-- nichtsteuerbaren Verlustes in der privaten Vermögenssphäre scheidet jedoch aus, wenn der Steuerpflichtige während der Vermietungstätigkeit Aufwendungen mit Kredit finanziert, die als Werbungskosten sofort abziehbar sind (z.B. Erhaltungsaufwendungen, sonstige Hauskosten). Die während der Vermietungstätigkeit (der Widmung des Gebäudes zur Einkünfteerzielung) getätigten sofort abziehbaren Werbungskosten betreffen nur die Einkunftssphäre. Der durch die tatsächliche Verwendung des Kredits geschaffene wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bleibt auch nach der Veräußerung des Wirtschaftsgutes bestehen und die nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit anfallenden Kreditzinsen sind als nachträgliche Werbungskosten abziehbar (ebenso B. Meyer, a.a.O., S. 33 f.).
d) Daß der Kredit tatsächlich zur Finanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten verwendet worden ist, hat der Steuerpflichtige --nachprüfbar-- darzulegen und nachzuweisen. Dies gilt um so mehr, wenn er die Fremdfinanzierung von Kosten (kleinere Erhaltungsaufwendungen, sonstige Werbungskosten) behauptet, die üblicherweise aus Eigenmitteln bestritten werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510, unter 2. b). Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs trägt der Steuerpflichtige (Senatsurteil in BFHE 187, 276, m.w.N.).
3. Das Revisionsgericht hat im Rahmen der Revisions- und Klageanträge das angefochtene Urteil in vollem Umfang zu prüfen und etwaige materiell-rechtliche Fehler des FG zu korrigieren (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. November 1997 III R 27/91, BFHE 184, 493, BStBl II 1998, 187). Danach hat der Senat auch die außerhalb der Revisionsbegründungsfrist erhobene Rüge der Kläger zu berücksichtigen, das FG habe die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Zweifamilienhauses in A unzutreffend ermittelt.
a) Zu Unrecht machen die Kläger in diesem Zusammenhang geltend, § 21a Abs. 1 EStG i.d.F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) sei nicht verfassungsgemäß (vgl. dazu Senatsurteile vom 12. November 1991 IX R 117/88, BFHE 166, 214, BStBl II 1992, 286, und vom 7. Dezember 1993 IX R 169/88, BFHE 173, 131, BStBl II 1994, 325). Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Kläger, aus dem zur Vermögensteuer ergangenen BVerfG-Beschluß vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BStBl II 1995, 655) ergebe sich, die auf Grundstückseinheitswerte gestützte pauschale Besteuerung des Wohnens im eigenen Haus sei nicht verfassungskonform und deshalb § 21a EStG im Streitjahr nicht mehr anzuwenden.
b) Die pauschale Ermittlung der Einkünfte aus dem Zweifamilienhaus in A nach § 21a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG ist im Streitfall nur ausgeschlossen, wenn die Kläger im eigenen Haus eine anderen als Wohnzwecken dienende Einheit von Räumen zur dauernden Nutzung vermietet haben (§ 21a Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 1 EStG). Es muß sich um einen --gleich einer Wohnung-- abgegrenzten Teil des Hauses handeln, der zur Ausübung des Berufs bestimmt und geeignet ist und aus mehr als einem Raum besteht (vgl. Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 21a EStG Rz. 31; Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 21a EStG Anm. 106). Hieran fehlt es im Streitfall. Nach den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger im Streitjahr im Dachgeschoß nur einen Raum als Arbeitszimmer genutzt.
c) Die im Streitjahr auf das Arbeitszimmer entfallenden abziehbaren Werbungskosten hat das FA in der Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 1988 neu ermittelt und dabei die AfA und die erhöhten Absetzungen in der von den Klägern geltend gemachten Höhe anteilig berücksichtigt. Hiergegen haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen mehr erhoben.
4. Da das FG hinsichtlich des Abzugs der Finanzierungskosten als Werbungskosten von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Hauses in B sind weitere Werbungskosten in Höhe von 3 865 DM zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des FG sind diese Schuldzinsen für Kredite gezahlt worden, mit denen als Werbungskosten sofort abziehbare Aufwendungen finanziert worden sind.
Fundstellen
Haufe-Index 422625 |
BFH/NV 2000, 271 |
BStBl II 2001, 528 |
BFHE 2000, 165 |
BB 1999, 2658 |
BB 2000, 1175 |
DB 2000, 188 |
DStRE 2000, 60 |
HFR 2000, 96 |
StE 1999, 785 |