Leitsatz (amtlich)
1. Die Abgabeschuld auf Grund des Soforthilfegesetzes ist mit Beginn des Währungsstichtages entstanden.
2. Ein Angehöriger der Vereinten Nationen ist nicht von der Soforthilfeabgabeschuld befreit, die von einer abgabepflichtigen Person auf ihn als Erben übergegangen ist.
Normenkette
SHG §§ 2, 6; StAnpG §§ 3, 8
Tatbestand
Das Finanzamt hat die am 21. Juli 1948 verstorbene A noch als persönlich abgabepflichtig nach § 2 des Soforthilfegesetzes (SHG) angesehen und die beschwerdeführende Erbengemeinschaft nach § 8 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zur Soforthilfeabgabe herangezogen. Ein Miterbe (B) gehörte schon am 8. Mai 1945 und seitdem ununterbrochen den Vereinigten Staaten von Amerika an.
Ebenso wie in der erfolglosen Berufung nimmt die Beschwerdeführerin in der Rechtsbeschwerde für den erwähnten Miterben die Befreiungsvorschrift des § 6 SHG in Anspruch. Sie macht geltend, die Erblasserin könne nicht auf Grund des erst nach ihrem Tode in Kraft getretenen Soforthilfegesetzes persönlich abgabepflichtig geworden sein. Der Gesetzgeber könne nicht nachträglich zuvor unbekannte und nicht einmal vermutbare Nachlaßverbindlichkeiten schaffen, zu deren Bezahlung die für den Nachlaß verantwortlichen Personen nach § 106 der Reichsabgabenordnung (AO) Mittel zurückzuhalten hätten. Die Steuerschuld sei nach § 3 StAnpG erst am Tage des Inkrafttretens des Soforthilfegesetzes in den Personen der Erben entstanden, so daß § 6 auf den Miterben B anzuwenden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es zunächst darauf an, ob für die Witwe A durch das Soforthilfegesetz noch eine persönliche Abgabepflicht begründet werden konnte. Das Soforthilfegesetz legt in den §§ 2 ff. der persönlichen und der sachlichen Abgabepflicht die Verhältnisse vom Beginn des Währungsstichtages zugrunde. Was diese Rückwirkung angeht, so ist in der Rechtslehre und in der Rechtsprechung unbestritten, daß der Steuergesetzgeber die Rechtswirkung seiner Gesetze -- abgesehen von den Strafgesetzen -- auch für die Vergangenheit aussprechen kann. So wurde das Gesetz über die außerordentliche Kriegsabgabe für das Rechnungsjahr 1918 (Reichsgesetzbl. S. 964) zwar unter dem 26. Juli 1918 erlassen, die persönliche Steuerpflicht war aber nach dem Stande vom 31. Dezember 1917 zu beurteilen. Für die Zuschläge zur Einkommensteuer 1929 nach der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juli 1930, Reichsgesetzbl. I S. 311, 1. Abschnitt, 4. Titel §§ 13 ff., war Bemessungsgrundlage die Einkommensteuer, die für Steuerabschnitte endgültig veranlagt worden war, die im Kalenderjahr 1929 geendigt hatten; nach § 10 der Durchführungsbestimmungen vom 31. Juli 1930 waren für die Verpflichtung zur Entrichtung der Zuschläge die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen am Schluß des für ihn maßgebenden Steuerabschnitts entscheidend (Entsch. des RFHofs VI A 2230/30 vom 17. Dezember 1930, Slg. Bd. 27 S. 308, und VI A 627/31 vom 25. März 1931, Slg. Bd. 28 S. 197). Ebenso wurde das Kontrollratsgesetz (KontrRG) Nr 13 unter dem 11. Februar 1946 verkündet und änderte die Vermögensteuersätze mit Wirkung vom 1. Januar 1946. Der Oberste Finanzgerichtshof hat die Rückwirkung des KontrRG Nr 12 Art. VIII auf die Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagungen 1944 bejaht (Entsch. des OFHofs I 1/48 vom 29. Oktober 1948, Amtsblatt des Württemberg-Badischen Finanzministeriums -- WüBadFAmtsbl. -- 1949 S. 77) und auch dem Gesetz des Wirtschaftsrats über die Vermögensteuer für das 2. Kalenderhalbjahr 1948 vom 3. Juni 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 83) rückwirkende Kraft zugesprochen (Urteil des OFHofs III 39/49 vom 19. Dezember 1949, WüBadFAmtsbl. 1950 S. 83). In dem oben erwähnten Urteil vom 17. Dezember 1930 über die Zuschläge zur Einkommensteuer 1929 hat der Reichsfinanzhof auch schon entschieden, daß es nichts ausmachte, daß der Pflichtige zwischen dem (vorhergehenden) Stichtag und dem Inkrafttreten der Verordnung verstorben war. Er sagt wörtlich, die Steuerschuld sei rückwirkend in der Person des Verstorbenen entstanden, und betrachtet die Steuerschuld als eine Nachlaßverbindlichkeit, für deren Entrichtung die Erben nach § 95 Abs. 3 AO (jetzt § 8 Abs. 1 und 2 StAnpG) wie für Nachlaßverbindlichkeiten des bürgerlichen Rechts haften. Gleiches muß auch für die Abgaben nach dem Soforthilfegesetz gelten, das auf die Verhältnisse des Währungsstichtags, der bei der Verkündung des Gesetzes bereits in der Vergangenheit lag, abstellt. Die Frage berührt nicht nur die als Erben beteiligten Angehörigen eines Staates der Vereinten Nationen, sondern auch alle übrigen Erben und Rechtsnachfolger. Wäre nämlich die Auffassung der Beschwerdeführerin richtig, so würde bei Sterbefällen zwischen dem 21. Juni 1948 und dem Inkrafttreten des Soforthilfegesetzes die Abgabepflicht überhaupt entfallen; denn für den Erblasser konnte sie nach dieser Meinung nach seinem Tode nicht mehr begründet werden und für die Erben fehlte die Voraussetzung des Eigentums an dem der Abgabe unterliegenden Vermögen zu Beginn des Währungsstichtags. Die Beschwerdeführerin ist sich dieser Folgerung nicht bewußt, sonst hätte sie für alle Erben die Abgabefreiheit geltend machen müssen.
Gegenüber der Berufung der Beschwerdeführerin auf § 106 AO ist auf § 109 AO hinzuweisen, wonach die persönliche Haftung der Verwalter usw. nur bei Verschulden begründet ist.
Ist hiernach die Abgabeschuld in der Person der Erblasserin entstanden und auf die Erben übergegangen, so fragt es sich weiter, ob hinsichtlich des Erben B die Befreiungsvorschrift des § 6 SHG anwendbar ist. Nach § 6 unterliegen die Angehörigen der Vereinten Nationen nicht der Abgabepflicht. Im Gegensatz zu § 4, der die sachliche Abgabepflicht beschränkt, enthält § 6 eine Befreiung bestimmter Personen und Personenvereinigungen von der Abgabepflicht, d. h. eine Befreiung von der in § 2 geregelten persönlichen Abgabepflicht. Nach § 2 ist persönlich abgabepflichtig, wer am Beginn des Währungsstichtags Eigentümer von Vermögen der im § 3 bezeichneten Art gewesen ist. Die Befreiung bezieht sich demnach auf die im § 2 festgelegte Abgabepflicht. Daraus folgt, daß sie nicht auf eine nachträglich eingetretene Haftung für die nach den Verhältnissen des Stichtags begründete Abgabepflicht anwendbar ist.
Das Gesetz stellt die Abgabepflicht allgemein auf die Verhältnisse vom Währungsstichtag ab. Die Befreiung aus § 6 ist nach Vorstehendem davon abhängig, daß jemand am Währungsstichtag Vermögen besessen und den Vereinten Nationen angehört hat. Deshalb entfällt eine einmal begründete Abgabepflicht nicht dadurch, daß der Abgabepflichtige nachträglich Angehöriger der Vereinten Nationen wird, und auch nicht dadurch, daß das abgabepflichtige Vermögen später auf einen Angehörigen der Vereinten Nationen übergeht. Die Befreiungsvorschrift ist demnach im Streitfall auch dann nicht anzuwenden, wenn man die Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Wortlaut des § 8 StAnpG ("die Steuerschuld geht auf die Erben über") nicht als Haftende, sondern als weitere eigentliche Abgabepflichtige ansieht. Das ergibt sich auch daraus, daß der Gesetzgeber in § 6 Abs. 2 die Zugehörigkeit zu einem Staat der Vereinten Nationen außer auf den 8. Mai 1945 auf den Währungsstichtag und nicht auch auf den Zeitpunkt eines etwaigen späteren Erwerbs abgestellt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 407151 |
BStBl III 1951, 5 |
BFHE 1952, 11 |