Leitsatz (amtlich)
Nimmt die Baugenehmigungsbehörde während des laufenden Baugenehmigungsverfahrens Änderungspläne (Tekturpläne) entgegen und behandelt diese Änderungsvorhaben im Rahmen des gestellten Bauantrags, so ist dieser Bauantrag als der für die Selbstverbrauchsteuer maßgebliche Bauantrag anzusehen.
Normenkette
UStG 1973 § 27 Abs. 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Transport- und Erdbewegungsunternehmen. Mit Bauunterlagen, die von einem Architekten im April 1973 angefertigt und dem Bauamt vorgelegt wurden, hat die Klägerin die Errichtung einer Halle mit angrenzendem Büro- und Wohngebäude angestrebt. Nach dem Bauplan war für die Halle eine Breite von 30,46 m und eine Länge von 20,40 m vorgesehen. Die Maße für das an der nördlichen Breitseite der Halle vorgesehene Büro- und Wohngebäude betrugen 17,99 m x 8,99 m. Da das für die Bebauung vorgesehene Grundstück ebenfalls 30,46 m breit war, sollten die beiden Längsseiten der Halle jeweils unmittelbar entlang der Grundstücksgrenze verlaufen. Bei seiner Vorsprache im Bauamt wurde der Architekt der Klägerin darauf hingewiesen, daß das Bauvorhaben die zulässig bebaubare Fläche überschreite und die Halle unter Beachtung der Grenzabstände umgeplant werden müsse; der Sachbearbeiter des Bauamts empfahl, für das gesamte Bauvorhaben einen neuen Bauantrag vorzulegen.
Am 4. Oktober 1973 reichte der Architekt einen neuen Bauantrag mit Bauunterlagen ein, die -- unter Beibehaltung der Maße des Büro- und Wohngebäudes -- für die Halle nunmehr eine Breite von 15,55 m und eine Länge von 20,55 m vorsahen. In welcher bautechnischen Weise die Verkleinerung der Halle herbeigeführt wurde, ist nicht bekannt. Am 14. Dezember 1973 erhielt die Klägerin darauf die Baugenehmigung. Die Bauarbeiten begannen im Frühjahr 1974; im Dezember 1974 bezog die Klägerin den Baukomplex.
Das Finanzamt (Beklagter) hat die Klägerin wegen der Errichtung des Gebäudekomplexes unter Zugrundelegung der Herstellungskosten zur Selbstverbrauchsteuer (11 v. H.) herangezogen (§ 30 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG -- 1973).
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat die Klägerin sich gegen ihre Heranziehung zur Selbstverbrauchsteuer gewendet: Den maßgeblichen Bauantrag im Sinne des § 27 Abs. 15 Satz 5 UStG 1973 habe sie im April 1973 gestellt.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der für die Selbstverbrauchsteuer maßgebliche Bauantrag sei nach dem 8. Mai 1973, nämlich am 4. Oktober 1973 gestellt worden. Die gegenüber dem ursprünglichen Bauvorhaben wesentlich kleiner ausgefallene Planung komme einer neuen Investitionsentscheidung gleich und sei keine unselbständige Wiederholung eines im April 1973 mit einem Bauantrag verfolgten Bauvorhabens. Deshalb könne dahinstehen, ob der Architekt im April 1973 einen formellen Bauantrag gestellt oder die Baupläne mit dem Sachbearbeiter des Bauamts lediglich unverbindlich erörtert habe.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Klägerin rügt Verletzung des § 30 in Verbindung mit § 27 Abs. 15 UStG 1973: Sie habe im April 1973 einen formellen Bauantrag gestellt. Der am 4. Oktober 1973 gestellte Bauantrag sei eine unselbständige Wiederholung des Bauantrags vom April 1973; schon damals habe sie ihre Investitionsentscheidung getroffen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Die durch das Steueränderungsgesetz 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) eingeführte Selbstverbrauchsteuer (§ 30 UStG 1973) knüpft aufgrund ihrer Zielsetzung als konjunkturdämpfende Maßnahme vorrangig an den Investitionsentschluß des Unternehmers an, der sich in der Bestellung bzw. in dem Beginn der Herstellung eines Wirtschaftsguts verwirklicht (Urteile vom 14. Dezember 1978 V R 32/75, BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289, und vom 27. September 1979 V R 60/76, BFHE 129, 95, BStBl II 1980, 83). Solche Investitionsentschlüsse werden gemäß § 30 in Verbindung mit § 27 Abs. 15 UStG 1973 von der Selbstverbrauchsteuer dann nicht erfaßt, wenn der Unternehmer sie vor dem 9. Mai 1973 getroffen hat, mag auch die Zuführung des neugeschaffenen oder erworbenen Wirtschaftsgutes nach diesem Zeitpunkt liegen. Bei Gebäuden gilt nach § 27 Abs. 15 Satz 5 UStG 1973 als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird.
2. a) Das Finanzgericht vertritt den Standpunkt, die Klägerin habe den maßgeblichen Bauantrag nach dem 8. Mai 1973, nämlich am 4. Oktober 1973 gestellt, weil sie statt der Errichtung einer Halle mit ca. 600 qm Grundfläche nur noch die Errichtung einer Halle mit ca. 300 qm Grundfläche verfolgt habe. Deshalb bedurfte es aus der Sicht des Finanzgerichts mangels planerischer Identität der Bauvorhaben aufgrund unterschiedlicher Grundflächen keiner Klärung, wie das ursprünglich vorgesehene Bauvorhaben und das später verwirklichte Bauvorhaben im einzelnen bautechnisch gestaltet waren.
b) Nach der hier maßgeblichen Vorschrift des § 90 Abs. 1 und 2 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1972 S. 352) ist der Bauantrag mit den erforderlichen Bauvorlagen bei der Gemeinde einzureichen, die ihn der Baurechtsbehörde zur Genehmigung vorlegt. Weisen die Bauvorlagen Mängel auf, oder will der Bauherr aus anderen Gründen während des laufenden Baugenehmigungsverfahrens Änderungen an seinem Bauvorhaben vornehmen, so kann er nach allgemeinen baurechtlichen Grundsätzen unter Aufrechterhaltung des formellen Bauantrags an den Bauvorlagen nachträgliche Korrekturen anbringen. Er hat sodann die aufgrund der beabsichtigten Änderungen erstellten Tekturpläne einzureichen, ohne daß der ursprünglich gestellte formelle Bauantrag hiervon in seiner Existenz berührt würde. Die Einreichung solcher Tekturpläne ist auch nach bereits erteilter Baugenehmigung möglich. Den Änderungsmöglichkeiten sind aber baurechtlich Grenzen gesetzt: Eine Korrektur der mit dem Bauantrag vorgelegten Bauvorlagen durch Einreichung von Tekturplänen kann nur bei Änderungen erreicht werden, die das Gesamtvorhaben unwesentlich berühren und es in seinem Wesen nicht verändern. Bei wesentlichen Änderungen liegt dagegen ein neues Bauvorhaben vor; für dieses ist ein neuer Bauantrag erforderlich (vgl. Mang/Simon, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Art. 86 Tz. 6, Art. 87 Tz. 22, Art. 91 Tz. 8, 9).
c) Wird somit das Baugenehmigungsverfahren durch Nachreichung von Änderungsplänen (Tekturplänen) in der Weise fortgeführt, daß die Baubehörde den eingereichten Bauantrag weiter bearbeitet (also kein neuer Bauantrag erforderlich ist), dann ist der eingereichte Bauantrag als der für die Selbstverbrauchsteuer maßgebliche Bauantrag anzusehen. Denn das im eingereichten Bauantrag zum Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens gemachte Bauobjekt wird trotz nachträglicher Änderungen nicht in seiner Identität berührt. Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, daß verschiedentlich bei Einreichung der Tekturpläne die Antragstellung wiederholt wird. Sind jedoch die Änderungen so wesentlich, daß baurechtlich ein neues Baugenehmigungsverfahren (mit neuem Bauantrag) durchgeführt werden muß, so ist dies auch bei der Selbstverbrauchsteuer zu beachten.
Da das Finanzgericht im vorliegenden Fall keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, wie das Baugenehmigungsverfahren abgelaufen ist, gleichwohl aus der unterschiedlichen Hallengröße den rechtlichen Schluß auf zwei baurechtlich verschiedene Bauvorhaben mit entsprechender Relevanz für die Selbstverbrauchsteuer gezogen hat, war sein Urteil aufzuheben.
3. a) Die Sache ist nicht spruchreif. Es ist zum einen nicht geklärt, ob die Klägerin bereits im April 1973 einen formellen Bauantrag bei der Gemeinde eingereicht hatte. Des weiteren ist offen, ob ein solcher formeller Bauantrag, sollte er im April 1973 gestellt worden sein, danach zurückgenommen oder dem Grunde nach aufrechterhalten worden ist.
aa) Ist im April 1973 ein formeller Bauantrag nicht gestellt worden oder hat die Klägerin den gestellten Bauantrag wieder zurückgenommen, so ist allein der Bauantrag vom 4. Oktober 1973 maßgebend, ohne daß es auf das weitere Vorbringen der Klägerin ankäme.
bb) Sollte im April 1973 ein formeller Bauantrag gestellt und danach aufrechterhalten worden sein, wird das Finanzgericht zu würdigen haben, ob die im Oktober 1973 eingereichten Bauvorlagen als Tekturpläne zu dem ursprünglichen Bauvorhaben angesehen worden können, oder ob diese Bauvorlagen so wesentlich von der ursprünglichen Planung abweichen, daß ein neues Baugenehmigungsverfahren mit einem neuen Bauantrag erforderlich war. Diese Untersuchung könnte deshalb von Bedeutung sein, weil möglicherweise keine völlige Umplanung der Halle vorgenommen, sondern nur ein Teil der ursprünglichen Halle weggelassen und der andere Teil errichtet wurde wie im ursprünglichen Plan vorgesehen.
Fundstellen
BStBl II 1983, 158 |
BFHE 1982, 104 |