Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung einer Konjunkturzulage für ein Betriebsgebäude setzt voraus, daß das einheitlich geplante und genehmigte Gebäude bis zum 30.Juni 1978 insgesamt fertiggestellt ist. Es genügt nicht, daß bis zum Stichtag nur ein Geschoß fertiggestellt ist und genutzt wird.
Orientierungssatz
1. Ein einheitlich geplantes Betriebsgebäude gilt als fertiggestellt, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und der Bau so weit gefördert ist, daß das Gebäude in all seinen Bereichen für den Betrieb nutzbar ist (Übertragung der Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur Bezugsfertigkeit von Wohngebäuden).
2. Ein eigenbetrieblich genutztes Gebäude kann nicht nach verschiedenen betrieblichen Funktionen in Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1987 X R 21/81; Literatur).
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt als Fleischermeister eine Fleisch- und Wurstwarenfabrik. Im Frühjahr 1975, dem ersten der Streitjahre, begann der Kläger damit, eines seiner Betriebsgebäude zu erneuern. Im Zuge der Baumaßnahme wurde der gesamte hintere Teil des Betriebsgebäudes abgerissen und ein Neubau errichtet. Dieser besteht aus einem Untergeschoß mit Garagen und Abstellräumen sowie dem Erd-, Ober- und Dachgeschoß. Während das Erdgeschoß im wesentlichen die Produktionsräume enthält, sahen die Baupläne für das Obergeschoß einen Aufenthaltsraum, die Betriebsküche, einen Abstellraum, WC-Räume und Duschen sowie einige Zimmer vor. Das Dachgeschoß sollte vorerst nicht ausgebaut werden.
Auf die bis zum 30.Juni des Jahres 1977 angefallenen Teilherstellungskosten der Baumaßnahme gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) antragsgemäß Investitionszulagen nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1975) in der für die Streitjahre jeweils maßgeblichen Fassung.
Aufgrund einer Ortsbesichtigung im Juli 1978 kam das FA zu der Auffassung, das vom Kläger errichtete Gebäude sei nicht rechtzeitig vor dem 1.Juli 1978 fertiggestellt worden. Zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung wurden die Produktionsräume im Erdgeschoß zwar bereits genutzt. Im Obergeschoß waren die Wände aber noch nicht verputzt und die Räume noch nicht an die Sanitär- und Elektroinstallation angeschlossen. Außerdem waren die Räume im Obergeschoß noch ohne Türen, und der Fußboden war nicht fertiggestellt. Das FA zog aus diesem Bauzustand den Schluß, daß sich das Obergeschoß noch im Rohbauzustand befinde.
Das FA forderte daher die gewährten Investitionszulagen nebst Zinsen zurück. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung aus, daß mit der Baumaßnahme im wesentlichen zweierlei Nutzungen erstrebt worden seien, nämlich die Unterbringung der für den Betrieb des Unternehmens erforderlichen Produktionsmittel und die Ermöglichung des Aufenthalts des Personals in hierfür geeigneten Räumen gemäß den Auflagen im Baugenehmigungsbescheid des Bauordnungsamts. Diese beiden in den Bauplänen erklärten und bauordnungsrechtlich genehmigten Zielsetzungen seien durch eine einheitliche Baumaßnahme aufgrund einer einheitlichen Investitionsentscheidung angestrebt worden. Es reiche daher für die rechtzeitige Fertigstellung nicht aus, wenn bis zu dem maßgeblichen Stichtag nur eine dieser beiden Zielsetzungen durch die Baumaßnahme verwirklicht worden sei. Eine Nutzbarkeit eines Gebäudes in einzelnen Teilbereichen genüge für die Fertigstellung nicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Der Kläger macht sinngemäß geltend, daß das Gebäude bis zum 30.Juni 1978 im wesentlichen fertiggestellt gewesen sei. Die Kosten für die im Jahre 1981 durchgeführten Restarbeiten an dem Gebäude hätten nur rund 5 v.H. der Gesamtbausumme betragen. Bei diesem Kostenverhältnis seien die nach dem 30.Juni 1978 noch erforderlich gewesenen Restarbeiten als geringfügig zu vernachlässigen.
Außerdem sei bis zu diesem Stichtag der Fertigungsbetrieb (Garagen, Lagerräume, Metzgerei) vollständig ausgebaut gewesen. Bei der Bewertung des Gebäudes nach dem Bewertungsgesetz (BewG) habe daher das FA die Bezugsfertigkeit bejaht. Das FA habe investitionszulagerechtlich von einer Herstellung in Bauabschnitten ausgehen müssen, so daß der erste Bauabschnitt am 30.Juni 1978 fertiggestellt gewesen sei.
Der Kläger beantragt, der Revision stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß dem Kläger für die in den Streitjahren entstandenen Teilherstellungskosten für die Errichtung eines Betriebsgebäudes keine Investitionszulagen zustehen. Voraussetzung für die Begünstigung von bis zum 30.Juni 1977 entstandenen Teilherstellungskosten für die Errichtung eines Gebäudes ist u.a. nach § 4b Abs.2 und 3 i.V.m. Abs.4 Satz 2 InvZulG 1975, daß das Gebäude vor dem 1.Juli 1978 fertiggestellt worden ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
1. Das InvZulG 1975 regelt nicht näher, wann ein Gebäude fertiggestellt ist. Der Begriff der Fertigstellung ist wie viele andere vom Gesetzgeber in § 4b InvZulG 1975 verwendeten Begriffe (z.B. "abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter", "Anlagevermögen", "Herstellungskosten") dem Einkommensteuerrecht entnommen. Diese Begriffe sind im Investitionszulagenrecht grundsätzlich nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes entnehmen läßt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15.November 1985 III R 110/80, BFHE 145, 482, BStBl II 1986, 367 und vom 22.April 1988 III R 54/83, BFHE 154, 54, BStBl II 1988, 901).
2. Der Begriff der Fertigstellung spielt im Einkommensteuerrecht vor allem bei Wohngebäuden eine Rolle. Wohngebäude sind fertiggestellt, wenn sie bezugsfertig sind. Die Bezugsfertigkeit ist gegeben, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und der Bau so weit gefördert ist, daß der Bezug der Wohnungen zumutbar ist (Urteile des BFH vom 8.April 1954 IV 393/53 U, BFHE 58, 692, BStBl III 1954, 175; vom 11.März 1975 VIII R 23/70, BFHE 115, 449, BStBl II 1975, 659). Dabei kommt es nicht auf die Bewohnbarkeit einzelner Wohnungen des Gebäudes an, sondern es müssen alle Wohnungen bezugsfertig sein (vgl. Urteil in BFHE 115, 449, BStBl II 1975, 659). Im allgemeinen können die Wohnungen dann als bezugsfertig angesehen werden, wenn die Türen und Fenster eingebaut, Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung, Heizung sowie die sanitären Einrichtungen vorhanden sind und die Möglichkeit zur Einrichtung einer Küche besteht. Unerheblich ist, ob noch geringfügige Restarbeiten ausstehen (Urteile des BFH vom 26.Juni 1970 III R 56/69, BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769; vom 25.Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152).
Überträgt man diese Grundsätze auf solche Betriebsgebäude wie im Streitfall, so muß das Betriebsgebäude als fertiggestellt gelten, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und der Bau so weit gefördert ist, daß das Gebäude für den Betrieb nutzbar ist (Urteile des BFH vom 20.Februar 1975 IV R 79/74, BFHE 115, 535, BStBl II 1975, 510; vom 23.Januar 1980 I R 27/77, BFHE 130, 24, BStBl II 1980, 365). Entscheidend muß wiederum sein, daß das Gebäude in all seinen wesentlichen Bereichen für den Betrieb nutzbar ist. Ein Stand der Bauarbeiten, bei dem lediglich erst ein Teil des Gebäudes für den Betrieb nutzbar ist, reicht für die Fertigstellung nicht aus. Entgegen der Auffassung der Revision kann es auch nicht darauf ankommen, welchen Kostenanteil die noch ausstehenden Bauarbeiten an den Gesamtkosten des Gebäudes haben. Ausschlaggebend ist vielmehr allein, ob die Bauarbeiten soweit abgeschlossen sind, daß das Gebäude in all seinen wesentlichen Teilen für den Betrieb nutzbar ist.
Danach war das vom Kläger errichtete Betriebsgebäude am 30.Juni 1978 nicht fertiggestellt. Da im Obergeschoß die Sanitärgegenstände fehlten, die Räume ohne Türen, Innenputz und fertiggestellten Fußboden waren, waren diese Räume für den Betrieb nicht nutzbar. Das kann nicht anders sein als bei Wohnungen, die nach obigen Ausführungen in einem solch unfertigen Zustand ebenfalls nicht bezugsfertig sind. Unerheblich ist es, daß die Räume im Streitfall möglicherweise bereits als Lagerräume benutzt werden konnten. Hierbei handelte es sich nicht um die bestimmungsgemäße Nutzung.
3. Offen kann bleiben, ob dem Kläger die Investitionszulagen zu gewähren wären, wenn er von vornherein zunächst nur die Fertigstellung der Produktionsräume im Erdgeschoß geplant und den Ausbau der Räume im Obergeschoß erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt vorgesehen gehabt hätte. Dieser Sachverhalt ist im Streitfall nicht gegeben. Nach den Feststellungen des FG, die insoweit auch unstreitig sind, war die Errichtung des Betriebsgebäudes mit Erd- und Obergeschoß vielmehr als einheitliche Baumaßnahme geplant. Der Entschluß, das Obergeschoß wesentlich später fertigzustellen, ist daher erst während der Bauphase gefallen (sog. steckengebliebenes Bauvorhaben).
4. Das einheitliche Bauvorhaben kann entgegen der Ansicht des Klägers investitionszulagerechtlich nicht in Bauabschnitte unterteilt und Investitionszulage für den ersten Bauabschnitt gewährt werden. Dabei kann dahinstehen, ob aufgrund einer solchen Aufteilung einkommensteuerrechtlich bereits nach Fertigstellung der Produktionsräume im Erdgeschoß eine Abschreibung auf das Gebäude zulässig war (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.Mai 1987 II (III) K 592/83, Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 614) oder ob bewertungsrechtlich ein bezugsfertiges Gebäude (vgl. § 74 Satz 2 BewG) vorlag. § 4b Abs.2 Sätze 1 bis 3 i.V.m. Abs.4 Satz 2 InvZulG 1975 macht die Gewährung von Investitionszulagen für ein unbewegliches Wirtschaftsgut davon abhängig, daß mit der Herstellung dieses Wirtschaftsgutes nach dem 30.November 1974 und vor dem 1.Juli 1975 begonnen und daß dieses Wirtschaftsgut spätestens am 30.Juni 1978 fertiggestellt worden ist.
Das Gesetz verlangt also die rechtzeitige Fertigstellung desjenigen Wirtschaftsgutes, mit dessen Herstellung innerhalb des Begünstigungszeitraums begonnen worden ist. Als Beginn der Herstellung wird dabei bei Gebäuden und Gebäudeteilen der Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Baugenehmigung fingiert. Fertiggestellt werden muß demnach die mit dem Antrag auf Baugenehmigung geplante einheitliche Baumaßnahme. Investitionszulage kann daher weder gewährt werden, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem in dem ursprünglichen Bauantrag dargestellten Objekt Änderungen ausweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen (Urteil des erkennenden Senats vom 18.Dezember 1986 III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454), noch dann, wenn wesentliche Teile des in dem Bauantrag ausgewiesenen Objekts noch unfertig sind. Die Fertigstellung nur einzelner Bauabschnitte der ursprünglich geplanten einheitlichen Baumaßnahme vermag keinen Anspruch auf Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 zu begründen.
Ob dies ausnahmsweise anders sein kann, wenn durch die Bauabschnitte vor und nach dem Stichtag jeweils selbständige Wirtschaftsgüter hergestellt worden sind, braucht nicht entschieden zu werden, denn bei der Baumaßnahme des Klägers ging es um die Herstellung eines einzigen einheitlichen Wirtschaftsguts. Das vom Kläger geplante und errichtete Gebäude war nämlich ausschließlich für eigenbetriebliche Zwecke bestimmt. Ein eigenbetrieblich genutztes Gebäude kann nicht nach verschiedenen betrieblichen Funktionen in Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden (Urteil des BFH vom 18.Februar 1987 X R 21/81, BFHE 149, 88, BStBl II 1987, 463; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 7.Aufl., § 5 Anm.18b). Erdgeschoß und Obergeschoß des Gebäudes waren daher nicht jeweils selbständige Wirtschaftsgüter. Die Fertigstellung des Erdgeschosses bis zum 30.Juni 1978 kann somit für die Gewährung von Investitionszulagen nicht ausreichen.
Fundstellen
Haufe-Index 62344 |
BFH/NV 1989, 12 |
BStBl II 1989, 203 |
BFHE 155, 450 |
BFHE 1989, 450 |
BB 1989, 147o-1472 (LT) |
DB 1989, 708 (KT) |
HFR 1989, 263 (LT) |