Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Unter "Eigentümer" im Sinne des § 111 Abs. 3 LAG ist auch der wirtschaftliche Eigentümer zu verstehen. Dies gilt nicht nur dann, wenn die HGA auf Grund des § 91 Abs. 2 LAG entstanden ist, sondern auch in Fällen der Entstehung der HGA nach § 91 Abs. 1 LAG und des Erwerbs des wirtschaftlichen Eigentums in einem späteren Zeitpunkt.
Normenkette
LAG § 91 Abs. 1-2, § 111 Abs. 2-3; StAnpG § 11 Ziff. 4
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit der Heranziehung des Käufers eines Grundstücks zur Haftung für die HGA vor Auflassung und Eintragung des Erwerbers im Grundbuch.
Am 16. Mai 1955 verkauften die Eheleute X das dem Ehemann gehörige Grundstück mit Gastwirtschaft und allem dem Betrieb der Gastwirtschaft dienenden Zubehör an den Revisionskläger. In § 9 des Kaufvertrags wurde vereinbart, daß Auflassung und Eigentumsänderung im Grundbuch erst auf den Tod des Letztlebenden der Veräußerer erfolgen sollten. Sie erteilten aber dem Revisionskläger und seinem Rechtsnachfolger die unwiderrufliche Vollmacht, sie bei der Auflassung des Grundstücks auf den Revisionskläger und seine Rechtsnachfolger zu vertreten. Eintragungsbewilligungen zum Grundbuch abzugeben, Eintragungsanträge zu stellen und überhaupt beliebige Erklärungen abzugeben, die mit dieser Grundstücksveräußerung im Zusammenhang stehen, und Zustellungen jeder Art entgegenzunehmen. Von den Beschränkungen in § 181 BGB wurde der Bevollmächtigte befreit. Dem Revisionskläger wurde auch das Recht der Vollmachtsübertragung erteilt. Es wurde weiter vereinbart, daß die Vollmacht nicht durch den Tod der Vollmachtgeber erlöschen soll (Abschn. II des Kaufvertrags). In Abschn. III des Kaufvertrags wird von dem Verkäufer des Grundstücks eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Auflassungsanspruchs des Revisionsklägers bewilligt. Die Vormerkung ist am 27. Mai 1955 im Grundbuch eingetragen worden. Als Verkaufspreis wurde eine lebenslängliche Geldrente vereinbart (§ 4 des Kaufvertrags). Sie beträgt, solange beide Veräußerer leben, monatlich 170 DM und nach dem Tod des Ehemanns oder der Ehefrau für den überlebenden bis zu dessen Tod monatlich 90 DM. Die Rente war erstmals am 1. Mai 1955 zu zahlen. über Besitzübergabe, übergang der Nutzungen und Lasten wurde folgendes vereinbart (§§ 6 und 7 des Kaufvertrages): Die Besitzübergabe der Gastwirtschaft und der Pächterwohnung im 2. Stock erfolgt sofort. Die Verkäufer räumen zu diesem Zweck dem Revisionskläger unwiderruflich das Recht ein, die Gaststätte zu betreiben oder durch einen Pächter bewirtschaften zu lassen. Im übrigen soll die Besitzübergabe erst auf den Tod des Letztlebenden der Veräußerer erfolgen. Es handelt sich dabei in der Hauptsache um die Wohnung im 1. Stock des veräußerten Hauses, in der die Veräußerer wohnten. In entsprechender Weise wurde bei den Nutzungen und Lasten verfahren. Die Nutzungen aus der Gastwirtschaft und der Pächterwohnung standen ab 1. Mai 1955 dem Revisionskläger zu. Alle übrigen Nutzungen sollten erst beim Tod des Letztversterbenden auf den Revisionskläger übergehen. Von den Lasten übernahm der Revisionskläger die auf die Gastwirtschaft und die Pächterwohnung entfallende Grundsteuer mit Brandkassengeld. Alle noch verbleibenden Lasten, Steuern und sonstigen öffentlichen Abgaben, Brandkassengeld, die Vermögensabgabe und die HGA und die Reparaturkosten hatten die Veräußerer bis zum Tod des Letztversterbenden zu tragen. Ebenso sollte die Gefahr des zufälligen Untergangs oder einer Verschlechterung des Grundstücks erst mit dem Tod des letztversterbenden Veräußerers auf den Revisionskläger übergehen.
Nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, am 26. November 1955, zog der Revisionsbeklagte (FA) den bisherigen Eigentümer des Grundstücks, den Ehemann X mit einer Abgabeschuld von 20.021,94 DM und einer von 1.348,26 DM zur HGA heran. Der Bescheid ist unanfechtbar geworden. Die Abgabeschuld von 20.021,94 DM ist ausnahmslos aus Darlehen des Vaters des Revisionsklägers entstanden, die dem Abgabeschuldner in den Jahren 1911 bis 1931 gegeben wurden.
Auf Grund der Veräußerungsanzeige des Grundbuchamts nahm das zuständige FA am 20. Januar 1956 eine Art- und Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1956 auf den Revisionskläger vor. Der darüber am 20. April 1956 erteilte Bescheid ist durch keinen Rechtsbehelf angegriffen und somit unanfechtbar geworden.
In den von dem Revisionskläger am 15. Oktober 1957 und 11. März 1958 eingereichten Vermögensaufstellungen zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1956 und 1. Januar 1957 ist das am 16. Mai 1955 erworbene Grundstück mit dem vollen Einheitswert angegeben worden. Der über die Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1957 erteilte Bescheid vom 13. August 1958, der dieses Grundstück enthielt, wurde nicht angefochten. In die Einkommensteuerbilanz zum 30. Juni 1955 wurde das Gastwirtschaftsgebäude mit einem Wert von 20.362,95 DM als Zugang aufgeführt und in den Bilanzen zum 30. Juni 1956, 30. Juni 1957 und 30. Juni 1958 unter Berücksichtigung der Absetzungen für Abnutzung beibehalten.
Am 20. November 1958 verkaufte der Revisionskläger alle Rechte und Ansprüche, die ihm aus dem Kaufvertrag vom 16. Mai 1955 zustanden, an die Y-AG. Dabei sollte es bei den in diesem Kaufvertrag vereinbarten Bestimmungen wegen des überganges von Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahrübergangs verbleiben. Der Revisionskläger übertrug außerdem die ihm in dem Vertrag vom 16. Mai 1955 erteilte Auflassungsvollmacht mit allen vereinbarten Einzelheiten auf den neuen Käufer.
Der Revisionsbeklagte erließ am 21. Juli 1961 unter Bezugnahme auf den unanfechtbaren HGA-Bescheid vom 28. November 1955 gegen den Revisionskläger einen Haftungsbescheid nach § 111 Abs. 3 LAG. Zur Begründung führte er an, nach § 91 Abs. 2 Satz 1 LAG sei als Eigentümer derjenige anzusehen, dem ein Grundstück steuerrechtlich, insbesondere vermögensrechtlich nach § 11 StAnpG zuzurechnen sei. Insoweit sei das bürgerlich-rechtliche Eigentum nicht entscheidend. Da dem Revisionskläger das durch Kaufvertrag vom 16. Mai 1955 erworbene Grundstück mit unanfechtbarem Bescheid steuerrechtlich als wirtschaftlichem Eigentümer im Sinne des § 11 Nr. 4 StAnpG zugerechnet worden sei, würden somit die Haftungsbestimmungen des § 111 Abs. 3 LAG zur Anwendung kommen. Unter Berücksichtigung der Weiterveräußerung des Grundstücks durch Vertrag vom 20. November 1958 werde er für die während der Dauer seines Eigentums (16. Mai 1955 bis 20. November 1958) fällig gewordenen HGA-Leistungen in Höhe von 5.200,30 DM als persönlich haftender Abgabeschuldner in Anspruch genommen.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde wird beantragt, die Haftung für die HGA aufzuheben. Der Revisionskläger begründete seine Revision unter anderem damit, es sei rechtlich zweifelhaft, ob aus § 91 Abs. 2 LAG geschlossen werden könne, daß nach § 111 Abs. 3 LAG unter "Eigentümer" auch der wirtschaftliche Eigentümer zu verstehen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Revisionskläger bestreitet, daß die Vorschrift des § 111 Abs. 3 LAG auf den wirtschaftlichen Eigentümer anzuwenden sei. Das FG ist der Auffassung, daß nach § 91 Abs. 2 LAG derjenige als Eigentümer anzusehen sei, dem das Grundstück nach § 11 StAnpG zugerechnet werde. Das FG übersieht dabei, daß § 91 Abs. 2 LAG nicht allgemein für das ganze HGA-Recht die Frage der Gleichstellung des wirtschaftlichen Eigentümers mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer regelt, sondern nur die Frage, daß für die Entstehung der HGA auch das wirtschaftliche Eigentum maßgebend ist. Auch an keiner anderen Stelle der die HGA betreffenden Regelung des LAG hat der Gesetzgeber eine allgemeine Vorschrift über den wirtschaftlichen Eigentümer getroffen. Der Gesetzgeber hat diese Frage auch im Zusammenhang mit § 111 Abs. 3 LAG ausdrücklich nicht geregelt. Das Hypothekensicherungsgesetz kannte keine persönliche Haftung des Eigentümers für die Umstellungsgrundschuld. Der Senat hat sich allgemein auf den Standpunkt gestellt, daß von dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gegenüber den Vorschriften des LAG über die HGA trotz § 91 Abs. 2 LAG nur mit größter Vorsicht Gebrauch zu machen ist. Eine allgemeine Geltung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise könne für das Recht der HGA nicht anerkannt werden. Dies ergebe sich schon aus dem engen Zusammenhang mit dem formal gehaltenen Recht der Grundpfandrechte und des Zwangsversteigerungsrechts (vgl. Urteil des Senats III 236/56 S vom 28. September 1956, BFH 63, 286, BStBl III 1956, 307). Aus diesem Urteil ist soviel zu entnehmen, daß überall da, wo eine die HGA betreffende Regelung auf den Eigentümer abstellt, von Fall zu Fall zu prüfen ist, ob die in Betracht kommende Vorschrift aus dem Sachzusammenhang heraus auch den wirtschaftlichen Eigentümer umfaßt. Dies muß auch für die Auslegung des § 111 Abs. 3 LAG gelten. Hierfür ist von entscheidender Bedeutung einmal die Regelung in § 111 Abs. 2 LAG und zweitens der Zusammenhang mit § 91 Abs. 2 LAG. In § 111 Abs. 2 LAG wird vorgeschrieben, daß auf die Tilgungsleistungen für die einzelnen Abgabeschulden die für die Hypothek geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts und auf die Zinsen der einzelnen Abgabeschulden die für die Hypothekenzinsen geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden sind. Lediglich für die Verjährung wird eine Ausnahme gemacht und hierfür § 203 Abs. 3 LAG für maßgebend erklärt. Für Tilgungsleistungen und Zinsen gelten danach die Haftungsvorschriften der §§ 1120 bis 1130 BGB. Ferner haftet für die Abgabeleistungen auch die Forderung auf Entschädigung wegen Enteignung (Art. 53 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -) und das Entgelt für ein Dauerwohnrecht (§ 40 des Wohnungseigentumsgesetzes - WEG -). Es könnte naheliegen, aus dieser Regelung den Schluß zu ziehen, daß sich dementsprechend auch die Regelung in § 111 Abs. 3 LAG nur auf den Eigentümer im Sinne des bürgerlichen Rechts bezieht (so FG Hamburg III 162/53 vom 29. Januar 1954, Rundschau für den Lastenausgleich 1954 S. 229). Eine nähere Prüfung ergibt jedoch, daß in denjenigen genannten Vorschriften des BGB, in denen auf den Eigentümer des Grundstücks Bezug genommen wird, auch gleichzeitig der Eigenbesitzer diesem gleichgesetzt wird (vgl. §§ 1120 und 1127 BGB). Danach kennt auch das BGB keine ausschließliche Beschränkung der Haftung auf Gegenstände des Eigentümers des Grundstücks. Das gleiche gilt auch für die Vorschrift des § 1123 Abs. 1 BGB, die die Haftung mit den Miet- und Pachtzinsen betrifft (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 68 S. 13 - RGZ 68, 13 -). Aus der Regelung in § 111 Abs. 2 LAG läßt sich demnach kein Schluß in dem Sinne ziehen, daß sich die persönliche Haftung des Eigentümers in § 111 Abs. 3 LAG nur auf den Eigentümer im Sinne des bürgerlichen Rechts bezieht.
Wird diese Regelung andererseits im Zusammenhang mit § 91 Abs. 2 LAG gesehen, so ergibt sich, daß die darin getroffene Regelung eine Ungleichmäßigkeit zur Folge hätte, wenn sie nicht durch § 111 Abs. 3 LAG ergänzt würde. In den Fällen des § 91 Abs. 1 LAG besteht kein Zweifel, daß der bürgerlich-rechtliche Eigentümer nach § 111 Abs. 3 LAG für die während der Dauer seines Eigentums fälligen Leistungen auch persönlich haften muß. Neben der Regelung des § 91 Abs. 1 LAG hat das LAG als selbständigen Tatbestand die Regelung des § 91 Abs. 2 LAG geschaffen. Es wäre nicht zu verstehen, daß, obwohl beide Tatbestände gleichwertig sind, nur in den Fällen des § 91 Abs. 1 LAG eine persönliche Haftung nach § 111 Abs. 3 LAG eintreten soll, in den Fällen des § 91 Abs. 2 LAG dagegen nicht. Das hätte in dem letzteren Fall zur Folge, daß zwar auf dem Grundstück eine öffentliche Last entstanden, diese aber nur im Zwangsvollstreckungswege, d. h. durch Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung zu realisieren wäre (§ 120 a, 326 Abs. 2 AO neuer Fassung). Da auch im Falle des § 91 Abs. 2 LAG die Entstehung der HGA von dem Wegfall der persönlichen Schuld zu 90 % infolge der Umstellung abhängig ist, andererseits der bürgerlich-rechtliche Eigentümer des Grundstücks nicht wirtschaftlicher Schuldner der RM-Verbindlichkeit war, wäre § 111 Abs. 3 LAG weder auf den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer noch auf den wirtschaftlichen Eigentümer anwendbar. Es kann dem Gesetzgeber des LAG nicht unterstellt werden, daß er die Regelung hinsichtlich des § 111 Abs. 3 LAG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 und 2 LAG in so ungleichmäßiger und unvollständiger Form vornehmen wollte. Verneint man diese Frage, dann kann § 111 Abs. 3 LAG nur in der Weise ausgelegt werden, daß zunächst dann, wenn die HGA auf Grund des § 91 Abs. 2 LAG entstanden ist, die Vorschrift des § 111 Abs. 3 LAG sich auch auf den wirtschaftlichen Eigentümer bezieht. Dies muß aber auch dann gelten, wenn zwar die HGA auf Grund des § 91 Abs. 1 LAG entstanden ist, das Grundstück aber nach der Entstehung der HGA von einem wirtschaftlichen Eigentümer erworben wird. Es wäre nicht sinnvoll, wenn grundsätzlich § 111 Abs. 3 LAG auch auf den wirtschaftlichen Eigentümer zu beziehen wäre, davon aber dann eine Ausnahme gemacht würde, wenn es sich nicht um den wirtschaftlichen Eigentümer vom 21. Juni 1948, sondern um eine erst in einem späteren Zeitpunkt als wirtschaftlicher Eigentümer auftretende Person handeln würde. Die Vorschrift des § 11 Nr. 4 StAnpG ist deshalb auf § 111 Abs. 3 LAG anwendbar. Im Ergebnis ist somit dem FG darin zuzustimmen, daß die Regelung in § 111 Abs. 3 LAG auch den wirtschaftlichen Eigentümer umfaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 412533 |
BStBl III 1967, 478 |
BFHE 1967, 504 |
BFHE 88, 504 |