Leitsatz (amtlich)
1. Ein für vorläufig erklärter Steuerbescheid ist in vollem Umfange vorläufig, wenn er nicht eine eindeutige und unmißverständliche Erklärung über den Umfang der Vorläufigkeit enthält.
2. Die auf einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung im Sinne des § 2 Nr. 2 KVStG beruhende Leistung wird bewirkt, wenn die Verpflichtung erfüllt, d. h. die Vermögensverschiebung (ohne Rückgewährpflicht) vollzogen wird.
2. Im Falle der auf einem Ergebnisabführungsvertrag beruhenden Verlustübernahme ist die Leistung nicht schon in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem der Gesellschafter die Bilanz der Tochtergesellschaft genehmigt, in der die Forderung auf Verlustübernahme ausgewiesen ist (Abweichung von den Urteilen II 118/59 vom 30. Januar 1962, HFR 1962, 305 und II 105/61 vom 24. Juni 1964, HFR 1964, 377).
2. Die Verpflichtung zu einer Leistung im Sinne des § 2 Nr. 2 KVStG kann auch darauf gerichtet sein, der Kapitalgesellschaft eine selbständige - vom Schuldgrund gelöste - Forderung gegen den Gesellschafter zu verschaffen.
Normenkette
AO § 100 Abs. 1; KVStG 1955 § 2 Nr. 2
Tatbestand
Die X & Co. KG (im folgenden: KG) hat Verluste übernommen, die die Klägerin - eine GmbH - in den Jahren 1954 bis 1957 erlitten hat. Der Beklagte hat die Klägerin deswegen durch Bescheid vom 7. März 1959 zur Gesellschaftsteuer herangezogen; der Vorgang begründe - so hat der Beklagte im Bescheid dargelegt - eine Steuerforderung von vorläufig 1,5 % von 1 222 952,65 DM = 18 344,30 DM. Im Bescheid ist weiter ausgeführt: "Diese Besteuerung mit 1,5 % ist eine vorläufige; die endgültige Versteuerung erfolgt nach Abschluß der z. Z. laufenden Betriebsprüfung und nach erneuter Prüfung der Bilanzansätze. Steuernachforderungen werden jetzt schon vorbehalten." Dieser Bescheid ist unanfechtbar geworden.
Durch den berichtigten und endgültigen Gesellschaftsteuerbescheid vom 22. November 1960 setzte der Beklagte die Gesellschaftsteuer unter Anwendung des Regelsteuersatzes von 3 % nach dem ursprünglichen Steuermaßstab (§ 8 Nr. 2 KVStG) fest. Der vorläufig zugrunde gelegte Steuersatz von 1,5 % komme - so führte das FA aus - nicht in Betracht, weil in Höhe des oben erwähnten Verlusts stille Reserven vorhanden gewesen seien.
Das FG hat die Berufung gegen die den Steuerbescheid bestätigende Einspruchsentscheidung zurückgewiesen.
In tatsächlicher Hinsicht hat das FG festgestellt, daß zwischen der KG und der Klägerin - die ein Wohnungsbauunternehmen betreibt - am 26. August 1955 ein Organ- und Gewinnausschlußvertrag abgeschlossen worden ist. In diesem Vertrag ist dargelegt, daß die KG die Klägerin zu 62,3 % beherrsche. Es ist vereinbart, daß die KG den Reingewinn und den Reinverlust der Klägerin übernehme. Zur Verlustübernahme heißt es in § 3 des Vertrages:
"Kapitalausfälle der Y GmbH werden von der X & Co. KG direkt erstattet.
Buchverluste der Y GmbH werden von der X & Co. KG übernommen.
Gewinn- und Verlusthöhe beurteilen sich dabei nach den Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes."
Der in den Jahren 1954 bis 1957 von der Klägerin erlittene Verlust in Höhe von 1 222 952,65 DM ist - so hat das FG weiter festgestellt - lediglich dadurch entstanden, daß die Klägerin in erheblichem Umfange erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG in Anspruch genommen hat. In der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1957 wurde der Buchverlust dadurch ausgeglichen, daß in den Aktiven der oben bezeichnete Verlustbetrag als "Forderungen aus Organschaftsabrechnung, Verlustübernahme durch Obergesellschaft" eingestellt wurde. In die Bilanz der KG wurde ein entsprechender Passivposten eingestellt. Die Klägerin hat im Verfahren vor dem FG erklärt, der Aktivposten solle in ihrer Bilanz so lange fortgeführt werden, bis die Sonderabschreibungen auslaufen und der zu erwartende und an die KG abzuführende Gewinn die Ausgleichsforderung an die KG ermäßigt.
Das FG verneinte im Gegensatz zum FA die Steuerpflicht aufgrund § 2 Nr. 2 KVStG und sah die Rechtsgrundlage für die Steuerpflicht in § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1955; die KG habe eine freiwillige Leistung dadurch erbracht, daß sie der Klägerin Ende 1957 eine Forderung in Höhe der Buchverluste einräumte.
Mit der seit 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde rügt die Klägerin, das FG habe § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1955 zu Unrecht angewandt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
I.
1. Der angefochtenen Entscheidung liegt die Rechtsauffassung zugrunde, daß die Anfechtung des Steuerbescheides vom 22. November 1960 nicht durch § 234 AO a. F. beschränkt war. Diese Auffassung ist richtig. Der Bescheid vom 7. März 1959 war in vollem Umfange für vorläufig erklärt; in einem solchen Falle ist der auf § 225 AO gestützte Berichtigungsbescheid nicht nur insoweit anfechtbar, als die Änderung reicht (§ 234 AO a. F.; Urteile des BFH II z 23/50 U vom 5. Dezember 1950, BFH 55, 44, BStBl III 1951, 18; III 12/61 U vom 15. Januar 1965, BFH 81, 656, BStBl III 1965, 235).
2. Die Ansicht des FG, der Bescheid vom 7. März 1959 sei im vollen Umfange für vorläufig erklärt worden, beruht auf der Deutung des Verfügungssatzes dieses Bescheides und des an die Rechtsbehelfsbelehrung anschließenden Vermerks. Wenn das FA die Vorläufigkeit des Bescheides auf die Anwendung des Steuersatzes beschränken wollte, war eine eindeutige und unmißverständliche Erklärung über den Umfang der Vorläufigkeit erforderlich (vgl. Urteile VI 129/63 U vom 13. November 1964, BFH 81, 563, BStBl III 1965, 203; VI R 199/66 vom 11. August 1967, BFH 90, 385, BStBl II 1968, 127).
Nach dem Verfügungssatz des Bescheides ist durch die Verlustübernahme eine "Steuerforderung von vorläufig 1,5 % aus 1 222 562,65 DM = 18 344,30 DM" begründet worden; im Anschluß an die Rechtsbehelfsbelehrung wurde ausgeführt, die Besteuerung mit 1,5 % sei eine vorläufige. Dieser Zusatz mag geeignet sein, die nicht eindeutige Ausdrucksweise im Verfügungssatz in dem Sinne zu verdeutlichen, daß sich die Vorläufigkeit nur auf die Anwendung des Steuersatzes des § 9 Abs. 2 KVStG beziehe. Diese Eignung verliert der Zusatz aber durch den anschließenden Satz: "Die endgültige Versteuerung erfolgt nach Abschluß der z. Z. noch laufenden Betriebsprüfung und nach erneuter Prüfung der Bilanzansätze." Dieser Satz bringt zum Ausdruck, daß sich die Behörde eine abschließende Regelung des Steuerfalles vorbehalten wolle. Der Hinweis auf die Betriebsprüfung (§ 100 Abs. 2 AO) und die erneute Prüfung der Bilanzansätze erweckt nicht den Eindruck, daß sich die vorbehaltene Überprüfung nur auf für den Steuersatz nach § 9 Abs. 2 KVStG relevante Tatsachen beziehen solle.
II.
1. Das FG hat festgestellt, die Verluste der Klägerin hätten in den Jahren 1954 bis 1957 1 222 562,65 DM betragen. Diese Verluste sind die Folge der Inanspruchnahme der Vergünstigung des § 7b EStG. Andererseits ist festgestellt, daß die KG aufgrund eines Organ- und Gewinnausschlußvertrages vom 26. August 1955 die von der Klägerin nach den Vorschriften des KStG ermittelten Verluste in der Weise zu tragen hatte, daß "Kapitalausfälle" direkt erstattet und "Buchverluste" von der KG übernommen werden. Im Streitfall handelt es sich nur um die sogenannten Buchverluste, die durch Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG entstanden sind.
2. Die auf einem Ergebnisabführungsvertrag (EAV) mit dem eine Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter beruhende Deckung des Verlustes dieser Gesellschaft unterliegt als Leistung, die aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt wird, gemäß § 2 Nr. 2 KVStG 1955 der Gesellschaftsteuer (BFH-Urteil II 176/61 vom 8. November 1967, BFH 91, 172, BStBl II 1968, 213). Die Steuerschuld entsteht (§ 3 Abs. 1 StAnpG) - unterstellt, die sonstigen Tatbestandsmerkmale seien erfüllt -, sobald die Leistung bewirkt wird. Die auf einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung beruhende Leistung wird bewirkt, wenn die Verpflichtung erfüllt, d. h. die Vermögensverschiebung (ohne Rückgewährpflicht) vollzogen wird (Urteile II 12/52 U vom 2. April 1952, BFH 56, 384, BStBl III 1952, 150; II 135/53 U vom 17. Februar 1954, BFH 58, 531, BStBl III 1954, 114; insoweit auch II 114/56 U vom 25. Juli 1956, BFH 63, 149, BStBl III 1956, 254; II 52/60 vom 21. Dezember 1962, HFR 1963, 211 Nr. 209). Die Urteile des Senats II 118/59 vom 30. Januar 1962 (HFR 1962, 305 Nr. 290) und II 105/61 vom 24. Juni 1964 (HFR 1964, 377 Nr. 342) sind hinsichtlich des Bewirkens der Leistung mit dieser Rechtsauffassung nicht vereinbar; in diesem Umfange kann die in diesen Urteilen zum Ausdruck kommende Ansicht nicht aufrechterhalten werden.
Nach dem Urteil II 105/61 ist die Leistung im Falle der Verlustübernahme auf Grund eines EAV bereits in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem der Gesellschafter die Bilanz der Tochtergesellschaft genehmigt, in der "die konkrete Ausgleichsforderung auf Verlustübernahme" ausgewiesen ist. Im Urteil II 118/59 ist diese Genehmigung offenbar unterstellt; dieses Urteil beruht darauf, daß die Tochtergesellschaft ihren Anspruch auf Verlustübernahme als Forderung ausgewiesen hat. In beiden Fällen handelte es sich aber um den bilanzmäßigen Ausweis des aus der Verpflichtung des Gesellschafters, die Verluste der Tochtergesellschaft zu übernehmen, resultierenden Anspruchs, den Verlust des abgelaufenen Geschäftsjahres zu dekken. Die Genehmigung der Bilanz der Tochtergesellschaft durch den Organträger bezieht sich auf die Höhe des Verlustes; die Feststellung der Verlusthöhe führt zwangsläufig auf Grund der Verlustübernahmepflicht des Organträgers zum bilanzmäßigen Ausweis der Forderung auf Ersatz des Verlusts. Dieser kraft Vertrages entstandenen Forderung - die durch Bilanzfeststellung und Genehmigung der Bilanz durch den Organträger dem Betrage nach fixiert ist - entspricht die auf dem EAV beruhende Verpflichtung des Organträgers, die auf eine Leistung, nämlich die Deckung des Verlusts der Tochtergesellschaft, gerichtet ist. Diese Leistung, nicht die auf das Bewirken dieser Leistung gerichtete Forderung, ist für die Steuerpflicht relevant.
3. Nach § 3 des Vertrages vom 26. August 1955 war die KG verpflichtet, "Kapitalausfälle zu erstatten". Die im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtung der KG war darauf gerichtet, der von ihr beherrschten Klägerin durch Zuführung von Geld die Verluste zu ersetzen, die sie effektiv erleidet. Die auf die Buchverluste bezogene Leistungsverpflichtung hatte einen anderen Inhalt. Eine solche Verpflichtung kann auch auf andere Verhaltensweisen gerichtet sein, durch die der herrschende Gesellschafter der von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft Vermögensvorteile zuwendet. Dies zeigt schon das in dem oben angeführten Urteil II 114/56 U unter Hinweis auf das Urteil des RFH II A 85/29 vom 16. Februar 1929 (RStBl 1929, 205) bezeichnete Beispiel. Die Verpflichtung kann auch darauf gerichtet sein, der Kapitalgesellschaft selbständige Forderungen gegen den Gesellschafter zu verschaffen (§§ 780 ff., § 812 Abs. 2 BGB, § 350 HGB). Eine Verpflichtung zu Leistungen dieser Art ist durch den weiteren in § 3 des Vertrages vom 26. August 1955 enthaltenen Satz begründet worden: "Buchverluste der Y-GmbH werden von der X-KG übernommen." Aus diesem Vertrag und aus den Umständen, die insoweit zum Abschluß des Vertrages geführt haben, ergibt sich der Wille der Vertragschließenden, der Klägerin in Höhe der jährlichen "Buchverluste" wenigstens selbständige Forderungen gegen die KG einzuräumen.
a) Verluste, die auf reinen Buchmaßnahmen beruhen - erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG - sollten nicht wie die Kapitalausfälle "erstattet", sondern "übernommen" werden. Angesichts der Verwendung des Wortes "erstattet", für die sogenannten Kapitalausfälle muß das Wort "übernommen" eine andere als die übliche Bedeutung haben. Beiden im Vertrag vom 26. August 1955 verwandten Redewendungen ist gemein, daß die KG die von der Klägerin ausgewiesenen Verluste auszugleichen hatte. Der Gebrauch des Wortes "übernehmen" hinsichtlich der Buchverluste läßt erkennen, daß insoweit im Gegensatz zu den zu "erstattenden" Kapitalausfällen ein Ausgleich durch Geld oder durch Verschaffung anderer liquider Vermögenswerte nicht gewollt war; dies ist darin begründet, daß die Klägerin in Fällen dieser Art einen echten Verlust gar nicht erleidet, vielmehr nur eine buchmäßige Vermögensminderung aus steuerrechtlichen Gründen (§ 7b EStG) eintritt.
Die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG minderten den Gewinn und damit die Belastung der Klägerin durch die Ertragsteuern. Soweit angesichts des erheblichen Absetzungsvolumens die Vergünstigung gemäß § 7b EStG nicht mehr steuerentlastend wirksam wurde - und auch nicht über den Verlustvortrag wirksam werden konnte -, ging die Vergünstigung der Klägerin verloren. Die Vergünstigung konnte aber dadurch steuerlich nutzbar gemacht werden, daß die KG, als der die Klägerin beherrschende Gesellschafter, sich durch den EAV verpflichtete, den Verlust, der durch das nicht nutzbare Absetzungsvolumen entstanden war, zu "übernehmen". Die Erstattung auch dieses Teils des Verlusts - eines reinen Buchverlusts - hätte keinen vernünftigen Sinn gehabt. Die "Übernahme" durch die KG hatte einerseits zur Folge, daß der Buchverlust bilanzmäßig getilgt, das steuerrechtliche Ergebnis "0" war. Andererseits löste die Übernahme die Folge aus, daß die KG in Höhe des übernommenen Buchverlustes Schuldner war und demgemäß eine Verbindlichkeit in entsprechender Höhe in ihre Bilanz einstellen konnte. Damit wirkte sich der nicht ausgenutzte Teil des Absetzungsvolumens nach § 7b EStG gewinn- und steuermindernd bei der die Klägerin beherrschenden KG aus.
Die Forderungen an die KG sollten - nach der Darstellung der Klägerin - durch Verrechnung mit künftig (nach "Auslaufen der Sonderabschreibungen") erwarteten, nach dem EAV von der Klägerin an die KG abzuführenden Gewinnen getilgt werden. Die vorgesehene Verrechnung bewirkt einerseits, daß die Klägerin nichts abzuführen hat, sich nur ihre Forderungen vermindern, und andererseits, daß sie im Umfange der nicht zu verwirklichenden Gewinnabführungspflicht keinen Gewinn auszuweisen hat. Die KG erhält zwar effektiv nichts, doch vermindert sich ihre Schuld an die Klägerin; durch die schuldtilgende Wirkung der Verrechnung erhöht sich ihr Gewinn im Umfange des an sich an sie abzuführenden Gewinnes der Klägerin.
Der Senat hat nicht darüber zu befinden, wie diese Maßnahmen nach dem Recht der Ertragsteuern zu beurteilen sind. Es kann daher dahingestellt bleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn die Transaktion bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der KG nicht anerkannt worden wäre.
b) Der vorstehend dargelegte, mit der Verpflichtung zur "Übernahme" der Buchverluste verfolgte Zweck macht deutlich, welche Art der - im EAV nicht eindeutig bezeichneten - Erfüllung von den Vertragschließenden gewollt war. Das Fehlen einer für sich allein eindeutigen Aussage im EAV zwingt nicht zu dem Schluß, es sei von vornherein beabsichtigt gewesen, den Vertrag nicht oder zu irgendeinem im Belieben der KG stehenden ungewissen Zeitpunkt oder aus einem nicht vom Willen der KG abhängenden künftigen Anlaß zu erfüllen. Offensichtlich sollte die KG der Klägerin in Höhe des jeweiligen Buchverlustes eine - vom Schuldgrund losgelöste - Forderung einräumen. Dadurch sollte einerseits die Klägerin von dem entsprechenden Buchverlust entlastet und andererseits in Höhe der korrespondierenden Schuld der KG der nicht von der Klägerin ausgenutzte Betrag der Absetzungen nach § 7b EStG als Gewinnminderung bei der KG wirksam sein. Da effektive Verluste (Kapitalausfälle) der Klägerin durch Zuführung liquider Vermögenswerte erstattet werden sollten, konnte die Verpflichtung, die Buchverluste zu "übernehmen", angesichts des mit dieser Verlustübernahme erstrebten Erfolges vernünftigerweise den Sinn haben, der Klägerin abstrakte Forderungen in Höhe dieser Verluste zu verschaffen. Andernfalls wäre die Annahme möglich, die Erfüllung der die Buchverluste betreffenden Verpflichtung sei nicht ernstlich gewollt gewesen. Dagegen spricht jedoch der mit dem EAV verfolgte Zweck.
c) Mit dieser Auslegung des Vertrages ist die Behauptung der Klägerin unvereinbar, der in der Bilanz ausgewiesene Aktivposten "Forderungen aus Organschaftsabrechnung, Verlustübernahme durch Obergesellschaft" solle so lange fortgeführt werden, bis die Sonderabschreibungen auslaufen und der zu erwartende und an die KG abzuführende Gewinn die Ausgleichsforderung an die KG ermäßigt. Diese Behauptung bezieht sich offensichtlich auf die Verpflichtung der KG, die Buchverluste zu übernehmen. Eine dieser Behauptung entsprechende Vereinbarung kann aus dem EAV nicht entnommen werden.
Wenn nachträglich eine solche Vereinbarung getroffen worden sein sollte und diese Behauptung richtig wäre, so stünde fest, daß die Verpflichtung der KG, die Buchverluste zu übernehmen, gar nicht ernstlich gewollt war. Von einer ernstlichen Verpflichtung, Verluste kraft eines EAV zu übernehmen, kann nicht die Rede sein, wenn diese Verpflichtung dadurch "erfüllt" werden soll, daß sie gegen irgendwann einmal entstehende Ansprüche auf Gewinnabführung verrechnet wird; hierbei ist zu berücksichtigen, daß ein Anspruch auf Gewinnabführung erst dann entstehen kann, wenn die Klägerin Gewinne dadurch erzielt, daß sie es unterläßt, die Vergünstigung des § 7b EStG in Anspruch zu nehmen oder daß sie die Vergünstigung nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Da nicht anzunehmen ist, daß der organschaftlich gebundenen Klägerin die möglichen ertragsteuerrechtlichen Konsequenzen, insbesondere bei der KG, unbekannt sind, kann die oben dargestellte Behauptung der Klägerin nur in dem Sinne verstanden werden, daß der erwähnte Bilanzposten zum 31. Dezember 1957 nur die Forderung auf Verlustübernahme durch die KG zum Ausdruck bringe, nicht aber die Erfüllung dieses Anspruches durch die KG durch Verschaffung einer vom Schuldgrund losgelösten Forderung (vgl. hierzu oben 3).
4. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen indessen nicht aus, dessen Schlußfolgerung zu decken, die Klägerin habe ihre Leistungsverpflichtung erfüllt. Die Sache muß daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das FG zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen werden.
a) Das FG hat die Leistung darin gesehen, daß die KG Ende 1957 der Klägerin eine Forderung in Höhe der Buchverluste eingeräumt habe. Tatsachen, die dies belegen, hat das FG nicht festgestellt; die Feststellung allein, in die Bilanzen der KG und der Klägerin seien entsprechende Passiv- und Aktivposten eingestellt, läßt nicht erkennen, daß Ende 1957 eine Leistung erbracht worden ist. Durch Bilanzausweise wird eine Forderung nicht begründet; die Aufnahme in die Bilanz ist allenfalls ein Indiz dafür, daß eine Forderung besteht.
b) Das FG wird daher die bisher unterlassenen tatsächlichen Feststellungen darüber nachholen müssen, wann und in welcher Weise die KG ihre Leistungsverpflichtung aus dem EAV hinsichtlich der Buchverluste erfüllt hat. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die vororganschaftlichen Verluste (1953 und 1954 - vgl. die Bilanz zum 31. Dezember 1954) in dem in der Bilanz zum 31. Dezember 1957 ausgewiesenen Betrag nicht enthalten sind. Der in der Bilanz zum 31. Dezember 1955 unter "Verlustübernahme" ausgewiesene Betrag (275 831,37 DM) ist in der Bilanz zum 31. Dezember 1956 um die vororganschaftlichen Verluste gekürzt (275 831,37 - 8 777,57 = 267 053,80 - Verlustübernahme in früheren Jahren).
Mangels anderer Anhaltspunkte dafür, daß die Verpflichtung, die Buchverluste zu übernehmen, erfüllt oder nicht erfüllt ist, kann die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, die KG habe die Verpflichtung bisher nicht erfüllt, mittelbar dadurch erwiesen werden, daß durch Beweiserhebung (§ 81 Abs. 1 FGO) geklärt wird, ob die weitere Behauptung der Klägerin zutrifft, zwischen ihr und der KG sei - offensichtlich nach Abschluß des Vertrages vom 26. August 1955 - vereinbart worden, die Verpflichtung der KG solle gegen künftig entstehende Ansprüche auf Gewinnabführung gegen die Klägerin verrechnet werden. In diesem Falle könnte die Gesellschaftsteuerpflicht frühestens im Zeitpunkt der jeweiligen Verrechnung entstehen; durch eine solche Verrechnung würde einerseits die KG von der Verpflichtung befreit, die Buchverluste der Klägerin zu übernehmen und würde andererseits die Klägerin ihre Gewinnabführungsverpflichtung erfüllen. Ob eine solche Handhabung des EAV mit dem Zweck eines solchen Vertrages vereinbar wäre, ist für das Recht der Gesellschaftsteuer unerheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 69096 |
BStBl II 1970, 702 |
BFHE 1970, 393 |