Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstück als notwendiges Betriebsvermögen eines verpachteten Betriebs
Leitsatz (NV)
1. Ein Grundstück, das der Steuerpflichtige bei der Verpachtung seines Betriebs nicht zurückbehält, sondern als eine wesentliche Betriebsgrundlage mit in die Verpachtung einbezieht, gehört zum notwendigen Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebs. Als Fortführung des Betriebs in anderer Form hat die Betriebsverpachtung keinen Einfluß auf den Bestand und die Zuordnung des Betriebsvermögens.
2. Als tatsächlicher Vorgang kann die Entnahme weder rückbezogen noch rückgängig gemacht werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 16
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Zum 1. Juli 1987 verpachtete der Kläger seinen bis dahin selbst bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seinem Sohn, ohne die Betriebsaufgabe zu erklären. Mitverpachtet wurde auch das landwirtschaftlich genutzte Grundstück Flur X Flurstück YZ zur Größe von 59 266 qm.
Mit der Einkommensteuererklärung 1986 teilte der Kläger dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) am 9. Februar 1988 mit, daß er das bezeichnete Grundstück im Zuge der Betriebsverpachtung entnehmen wolle, weil die Fläche zur Abfindung des weichenden Erben benötigt werde. Er ermittelte für das Grundstück einen Entnahmeverlust von 25 292 DM, der nach §55 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht berücksichtigt werden konnte. Das Grundstück wurde in der Bilanz zum 30. Juni 1987 ausgebucht. Daraufhin veranlangte das FA die Kläger für die Kalenderjahre 1986 und 1987 antragsgemäß.
Zum 1. Dezember 1991 übertrug der Kläger den Hof auf seinen Sohn, den Pächter. Das bis dahin mitverpachtete Grundstück behielt der Kläger zurück, verwandte es aber, entgegen seiner zuvor geäußerten Absicht, nicht zur Abfindung des weichenden Erben. Statt dessen veräußerte er im Wirtschaftsjahr 1990/91 mehrere Teilflächen dieses Grundstücks als Bauland. Das FA erfaßte die Veräußerungserlöse beim laufenden Gewinn des Wirtschaftsjahres 1990/91 und veranlagte die Kläger für die Streitjahre 1990 und 1991 dementsprechend mit der Begründung, die Entnahme zum 30. Juni 1987 sei unbeachtlich gewesen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Zustimmung der Kläger wurden die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre im Klageverfahren unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestellt und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Nachdem die Kläger die Klage gegen die ebenfalls angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1986 und 1987 im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen hatten, wurde das Verfahren insoweit eingestellt. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im übrigen mit der Begründung ab, das Grundstück habe als wesentliche Betriebsgrundlage zum notwendigen Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebs gehört und habe daher auch nicht entnommen werden können.
Mit ihrer dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts und tragen u. a. unter Berufung auf das Urteil des Senats vom 26. Januar 1995 IV R 39/93 (BFH/NV 1995, 873) vor, im Streitfall liege eine eindeutige Entnahmehandlung durch Abgabe einer detaillierten Erläuterung des Entnahmesachverhalts und Ausbuchung des fraglichen Grundstücks vor. Das FA sei dem mit der Erteilung endgültiger Bescheide für die dem Wirtschaftsjahr 1986/87 entsprechenden Veranlagungszeiträume 1986 und 1987 gefolgt. Bei dieser Sachlage hätte das FG im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht in der münd lichen Verhandlung darüber entscheiden müssen, ob die spätere Änderung der Einkommensteuerbescheide 1986 und 1987 nach §173 der Abgabenordnung (AO 1977) rechtmäßig gewesen sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, die Einkommensteuer 1990 und 1991 unter Änderung der angefochtenen Bescheide auf ... DM und ... DM herabzusetzen und dabei den Abzug nach §6 c EStG rückgängig zu machen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzu weisen.
Während des Revisionsverfahrens erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Damit folgte es dem Hilfsantrag der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG und berücksichtigte einen Gewinnabzug nach §6 c EStG, der für das Streitjahr 1990 zu einer Steuerfestsetzung von ... DM und für das Streitjahr 1991 zu einer Einkommensteuer von ... DM führte. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Die Kläger haben diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). FA und FG sind zu Recht davon ausgegangen, daß der von der Hofübergabe ausgenommene Grund und Boden zu diesem Zeitpunkt noch zum Betriebsvermögen des Klägers gehörte; die Gewinne aus der Veräußerung von Teilflächen dieses Grundstücks sind daher zutreffend besteuert worden.
1. Unstreitig gehörte das fragliche Grundstück als land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche vor der Verpachtung des Betriebs zum notwendigen Betriebsvermögen. Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG handelte es sich dabei um eine wesentliche Betriebsgrundlage, die als solche in die Verpachtung des Hofes einzubeziehen war. Andernfalls hätte es an einer sachlichen Voraussetzung für die Anwendung des Verpächterwahlrechts gefehlt, das der Kläger für sich beansprucht hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Ob die Reservehaltung einer zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörenden Fläche unschädlich ist (so wohl Mathiak, Finanz-Rundschau -- FR -- 1984, 129, 132 allerdings hinsichtlich beweglicher Anlagegüter), etwa weil das Grundstück, wie der Kläger vorgetragen hatte, zur Abfindung eines weichenden Erben vorgesehen war, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Da der Kläger das Grundstück nicht zurückbehalten, sondern als wesentliche Betriebsgrundlage mit in die Verpachtung einbezogen hatte, gehörte es per se auch zum notwendigen Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebs (Mathiak, a.a.O.; v. Schönberg, FR 1990, 532; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 7. Aufl. 1997, Rz. 209). Die Verpachtung ist eine Fortführung des Betriebs in anderer Form (BFH in BFHE 78, 315, 323, BStBl III 1964, 124, 127, li. Sp.).
Eine Entnahme zum 30. Juni 1987 ist allerdings auch nicht durch die Mitteilung vom 9. Februar 1988 bewirkt worden, die der Kläger gegenüber dem FA abgegeben hatte. Mit der Erklärung, er wolle das Grundstück im Zuge der Betriebsverpachtung entnehmen und der Ausbuchung in der Bilanz zum 30. Juni 1987 unter Ermittlung eines Veräußerungsverlustes, konnte der Kläger das Grundstück nicht rückwirkend zum 30. Juni 1987 entnehmen. Da die Entnahme ein tatsächlicher Vorgang ist, kann sie nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nicht rückbezogen und auch nicht rückgängig gemacht werden (BFH-Urteile vom 30. Juli 1964 IV 20/63 U, BFHE 80, 274, BStBl III 1964, 574; vom 14. Juni 1967 VI 180/65, BFHE 89, 515, BStBl III 1967, 724; vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315; vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87, und vom 14. März 1996 IV R 14/95, BFHE 180, 313, BStBl II 1997, 343). Aber auch eine Entnahme zum Zeitpunkt der Erklärung und Buchung, dem 9. Februar 1988, scheidet aus, weil es zu diesem Zeitpunkt an einer Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Verpachtungsbetrieb gefehlt hat (Senatsurteil vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395, zu 2. a). Das Grundstück wurde weiterhin vom Pächter landwirtschaftlich genutzt und war unverändert Gegenstand des Vertrags über die Betriebsverpachtung. Eine Entnahme zu diesem Zeitpunkt könnte im übrigen auch zu einer Betriebsaufgabe geführt haben. Der Kläger wollte mit seiner Erklärung jedoch ersichtlich nicht das Verpächterwahlrecht ausüben.
2. Auch aus dem Umstand, daß das FA mit den Veranlagungen für die Jahre 1986 und 1987 der Erklärung des Klägers gefolgt ist, ergibt sich nichts anderes. Ob das FA an einer späteren Änderung dieser Bescheide wegen Treu und Glauben gehindert war, ist nicht Gegenstand dieses Revisionsverfahrens. Im Streitfall läßt sich aber bereits schon deshalb nichts aus Treu und Glauben herleiten, weil das FA keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Ein solcher Vertrauenstatbestand wäre etwa anzunehmen, wenn das FA die Übertragung stiller Reserven nach §6 b EStG mit der Begründung verwehrt hätte, der Kläger halte nur Privatvermögen.
Selbst wenn man jedoch der Auffassung wäre, das FA sei bei der erklärungsgemäßen Veranlagung für die Jahre 1986 und 1987 tatsächlich von einer Entnahme ausgegangen, folgt daraus nichts für die Streitjahre. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein FA bei der Durchführung einer Veranlagung grundsätzlich nicht an Auffassungen gebunden, die es bei vorhergehenden Veranlagungen vertreten hat (s. etwa Urteile vom 22. März 1990 IV R 145/88, BFHE 160, 253, BStBl II 1990, 643; vom 14. März 1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769; vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834 a. E., und vom 7. Dezember 1995 IV R 109/94, BFH/NV 1996, 663, jeweils m. w. N.). Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung bewirkt die Beurteilung in einem Veranlagungszeitraum keine Bindung des FA für künftige Steuerabschnitte. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gilt nur dann, wenn das FA eine Zusage erteilt oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Im Streitfall ist eine Zusage nicht erteilt worden. Das FA hat auch nicht auf andere Weise einen Vertrauenstat bestand geschaffen. Da allein von voran gegangenen Veranlagungen keine Bindungswirkung ausgeht, hat es kein Verhalten gezeigt, durch das sich der Kläger zu Vermögensdispositionen veranlaßt sehen durfte. Derartige Vermögensdispositionen hat der Kläger auch nicht geltend gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 66380 |
BFH/NV 1998, 311 |
HFR 1998, 176 |