Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretung des HZA durch einen Bevollmächtigten der vorgesetzten OFD; mineralölsteuerrechtlicher Erstattungsanspruch bei Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Wird das HZA ausweislich der schriftlich erteilten und dem FG vorliegenden Vollmacht durch einen Bediensteten der dem HZA vorgesetzten OFD vertreten, so wird der Lauf der Revisionsfrist erst durch die Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils an diesen Bevollmächtigten in Lauf gesetzt. Besitzt er die Befähigung zum Richteramt, kann er die Behörde, soweit es die erteilte Vollmacht zuläßt, auch in Verfahren vor dem BFH (z.B. bereits bei der Einlegung der Revision) wirksam vertreten.
2. Eine der Voraussetzungen der mineralölsteuerrechtlichen Regelung, wonach dem Verkäufer von zum normalen Steuersatz versteuertem Mineralöl die im Preis enthaltene Mineralölsteuer auf Antrag erstattet oder vergütet wird, wenn sie wegen Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers nicht auf diesen abgewälzt werden kann und soweit der Steuerbetrag 10 000 DM übersteigt, ist das nachdrückliche Bemühen des Verkäufers um die Realisierung seiner Forderung nach Maßgabe des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV. Dazu gehört auch die Einschaltung der Gerichte. Wer solche Bemühungen unterläßt (etwa die Anmeldung der Forderung zur Konkurstabelle), selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten durchgeführt werden müssen, aussichtslos erscheinen mögen, verdient die Abwälzung des Steuerrisikos auf die Allgemeinheit nicht.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1 S. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 122 Abs. 1; VwZG § 8 Abs. 4; MinöStG 1993 § 31 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. c; MinöStV § 53 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3; FGO § 62 Abs. 3 S. 5, § 115 Abs. 5 S. 4; VwZG § 7 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), einem Mineralölhändler, stehen gegen die Firma Autohaus … Restkaufpreisforderungen aus Lieferungen von Treibstoffen am 1., 12., 25. und 28. Juni 1993 zu. Nach den Feststellungen der Außenprüfungsbeamten des ehemaligen Hauptzollamts B, des Rechtsvorgängers des Beklagten und Revisionsklägers (Hauptzollamt ―HZA―), im Prüfungsbericht vom 11. April 1995, die sich das Finanzgericht (FG) zu eigen gemacht hat, lieferte der Kläger das Mineralöl unter Eigentumsvorbehalt und überwachte die Außenstände im Rahmen seiner auch sonst üblichen innerbetrieblichen Vorgaben. In der Regel lautete die Zahlungsfrist "zahlbar sofort nach Erhalt der Rechnung ohne jeden Abzug", wobei als Fälligkeitsdatum dv-mäßig eine Frist von 20 Tagen ab Rechnungsdatum für die laufende Überwachung der Außenstände vorgehalten war. Bei Zahlungsverzug der Abnehmer mahnte der Kläger grundsätzlich rechtzeitig. Allerdings wurde bei den vom Forderungsausfall betroffenen Lieferungen im Juni 1993 lediglich bei den Lieferungen vom 1. Juni (Mahnungen am 23. Juni und 13. Juli 1993) und vom 12. Juni (Mahnung am 13. Juli 1993) gemahnt. In keinem der vier Fälle wurde der Kaufpreisanspruch gerichtlich verfolgt. Die Forderungen sind auch nicht im Rahmen des Konkursverfahrens über das Vermögen des Autohauses beim Amtsgericht angemeldet worden.
Mit Schreiben vom 22. November 1994 beantragte der Kläger beim Rechtsvorgänger des HZA die Vergütung der in den Juni-Lieferungen enthaltenen ausgefallenen Mineralölsteuer in Höhe von angeblich 27 987,90 DM. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 27. Juni 1995 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger hätte den Zahlungsausfall bei ordentlicher Überwachung der Außenstände und konsequenter Liefereinstellung nach unterlassener Forderungsbegleichung seines Abnehmers aus vorangegangenen Lieferungen oder bei Lieferungen nur gegen Barzahlung oder Sicherheit vermeiden können. Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Die dagegen vom Kläger erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hob die Verwaltungsentscheidungen auf und verpflichtete den Rechtsvorgänger des HZA, dem Kläger jetzt antragsgemäß 26 529,90 DM Mineralölsteuer zu vergüten. Das FG hielt die Voraussetzungen für eine Erstattung gemäß § 53 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung ―MinöStV―) vom 15. September 1993 (BGBl I, 1602) für erfüllt.
Auch die allein streitigen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Ziff. 3 MinöStV, wonach verlangt wird, daß "der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war", sah das FG als erfüllt an. Vergünstigende Vorschriften wie § 53 MinöStV seien nicht allein darum eng auszulegen, weil sie Ausnahmen von der Besteuerung machten. Es sei sogar nicht ausgeschlossen, sie ausdehnend auszulegen, sofern die Absicht der Vergünstigung im Gesetz selbst Ausdruck gefunden habe. Würde die wörtliche Auslegung zu einem jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis führen, sei ein Abweichen vom Wortlaut des Gesetzes geboten.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei die Frage nicht eindeutig beantwortet, ob der Antragsteller den Kaufpreisanspruch stets gerichtlich verfolgt haben müsse oder ob die Feststellung genüge, daß der Zahlungsausfall durch eine gerichtliche Verfolgung nicht zu vermeiden gewesen sei. Für letztere Lösung spreche, daß dem Vergütungsanspruch Nachweise über die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers und nicht auch Belege über die gerichtliche Verfolgung beizufügen seien. Es wäre auch sinnlos, das Betreiben eines gerichtlichen Verfahrens nur für Zwecke der Mineralölsteuervergütung zu verlangen, da die dazu aufzuwendenden Kosten die Mineralölsteuervergütung schmälern würden und damit der mit der Vergütungsregelung verfolgte Zweck, dem mittelständischen Handel mit Mineralölen einen Teil des Risikos zu nehmen, beeinträchtigt wäre. Das gelte auch für Mahnungen, die zu keiner Minderung des Zahlungsausfalls führen könnten. Auch die unterlassene Anmeldung der Forderung beim Konkursgericht habe sich nach den Feststellungen des Prüfers nicht ausgewirkt. Es fehlten auch Anhaltspunkte dafür, daß eine gerichtliche Geltendmachung der Forderung den Zahlungsausfall verringert hätte.
Auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten des HZA B, eines zum Richteramt befähigten Bediensteten der dem HZA vorgesetzten Oberfinanzdirektion (OFD), hat das FG die Revision gegen sein Urteil mit Beschluß vom 20. August 1997 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Zulassungsbeschluß ist dem HZA am 29. August 1997, seinem Prozeßbevollmächtigten jedoch erst am 4. November 1997 zugestellt worden. Mit der am 28. November 1997 beim FG eingegangenen Revision rügt das HZA B, vertreten durch den bezeichneten Prozeßbevollmächtigten, die Verletzung des § 53 MinöStV. Das HZA ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen der Vergütung nach § 53 MinöStV nicht erfüllt seien, denn das FG habe selbst festgestellt, daß die ausgefallenen Forderungen entgegen § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV nicht gerichtlich verfolgt worden seien. Mit seiner Entscheidung habe sich das FG ohne Not über den Wortlaut der Rechtsnorm hinweggesetzt. Nach Sinn und Zweck der Entlastungsregelung solle der Mineralölhandel bei Zahlungsausfall der Abnehmer nur in gewissen Grenzen und unter bestimmten, eng auszulegenden Voraussetzungen vom Steuerrisiko entlastet werden. Insbesondere setze die Regelung voraus, daß sich der betroffene Mineralölhändler nachdrücklich um die Realisierung seiner Forderung auch durch Einschaltung der Gerichte bemühe, ehe der Fiskus in Anspruch genommen werden dürfe. Das habe der Kläger im Streitfall unterlassen; er habe seine Forderung nicht einmal zur Konkurstabelle angemeldet. Auch im übrigen entspreche es dem Ausnahmecharakter des § 53 MinöStV, die Entlastungsmöglichkeit nur dem einzuräumen, der die üblichen kaufmännischen Sorgfaltsmaßnahmen getroffen habe.
Im Laufe des Revisionsverfahrens ist das HZA kraft des in Ablichtung vorgelegten Organisationserlasses des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) als Rechtsnachfolger an die Stelle des HZA B getreten.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des HZA ist fristgerecht eingelegt worden und auch im übrigen zulässig.
a) Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision, sofern sie nachträglich aufgrund einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet worden ist, beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 5 FGO) schriftlich einzulegen. Mit der Zustellung des Beschwerdebescheids beginnt die Revisionsfrist (§ 115 Abs. 5 Satz 4 FGO). Hat, wie im Streitfall, bereits das FG der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen, beginnt die Frist mit der Zustellung des Abhilfebeschlusses (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Juni 1969 VI R 125/68, BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7).
Die Zustellung hat gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO für den Fall, daß der Beteiligte einen Bevollmächtigten bestellt hat, an den Bevollmächtigten zu erfolgen. Bestellt ist ein Bevollmächtigter jedenfalls dann, wenn die ihm schriftlich erteilte Vollmacht dem Gericht vorliegt (BFH-Urteil vom 27. April 1994 XI R 29/93, BFHE 174, 304, BStBl II 1994, 661; vgl. auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 62 Rz. 69). Wird gleichwohl in einem solchen Fall eine gerichtliche Entscheidung an den Beteiligten zugestellt, beginnt die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen (BFH-Beschluß vom 3. Oktober 1972 VII B 152/70, BFHE 107, 163, BStBl II 1973, 84).
Im Streitfall lag die vom HZA auf seinen Prozeßbevollmächtigten ausgestellte Vollmacht dem FG zusammen mit der Nichtzulassungsbeschwerde am 30. Juni 1997 vor. Mit der Zustellung des Abhilfebeschlusses vom 20. August 1997 an das HZA am 29. August 1997 wurde folglich die Revisionsfrist nicht in Gang gesetzt.
b) Unerheblich ist, daß es sich bei dem Prozeßbevollmächtigten des HZA um einen zum Richteramt befähigten Bediensteten der dem HZA vorgesetzten OFD handelte.
Behörden ―wie das HZA― haben im finanzgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit, entweder einen Bevollmächtigten zu bestellen (BFH-Beschluß vom 10. März 1969 GrS 4/68, BFHE 95, 366, BStBl II 1969, 435) oder sich durch einen Amtsangehörigen vertreten zu lassen. Diese Wahlmöglichkeit gilt grundsätzlich auch in Verfahren vor dem BFH, wo allerdings darüber hinaus noch der durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) eingeführte Vertretungszwang bereits bei der Einlegung des Rechtsmittels (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG) zu beachten ist. Hiernach muß sich jeder Beteiligte vor dem BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten, d.h. durch eine kraft rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht (vgl. § 166 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) bestellte Person aus diesem Personenkreis, vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG). Handelt es sich bei dem Beteiligten um eine Behörde, kann diese sich vor dem BFH auch durch amtsangehörige Beamte oder Angestellte vertreten lassen, welche allerdings die Befähigung zum Richteramt besitzen müssen (Art. 1 Nr. 1 Satz 3 BFHEntlG). Diese amtsangehörigen Personen sind keine rechtsgeschäftlich bestellten Bevollmächtigten i.S. des § 62 FGO, sondern durch ihre Dienststellung von Amts wegen zur Vertretung der Behörde organisatorisch legitimierte Personen (BFH-Beschluß vom 21. September 1997 IV B 95/96, BFH/NV 1998, 456, m.w.N.). Zustellungen in solchen Fällen sind an die Behörde (an deren Vorsteher, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes ―VwZG―) zu richten; § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO gilt nicht (BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1984 IX R 7/81, BFHE 142, 547, BStBl II 1985, 307).
Insbesondere in den Fällen, in denen der beteiligten Behörde keine Person angehört, die die Befähigung zum Richteramt besitzt, was insbesondere bei Hauptzollämtern vorkommt, bei denen im Gegensatz zu den Finanzämtern häufig Beamte des gehobenen Dienstes oder Aufstiegsbeamte als Vorsteher eingesetzt sind, hat es der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung zugelassen, daß zur Wahrung des in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG zum Ausdruck kommenden Behördenprivilegs ein zum Richteramt befähigter Beamter der vorgesetzten OFD kraft rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht die beteiligte Behörde in Verfahren vor dem BFH vertreten kann (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 29. März 1994 VII R 64/93, BFH/NV 1995, 37; s. auch Gräber/Koch, a.a.O., § 62 Rz. 85; Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 62 FGO Rz. 11 und 36).
Daran hält der Senat fest. Zur Rechtfertigung dieser Rechtsprechung kann sich der Senat nicht nur mittelbar auf den bereits genannten Beschluß des Großen Senats in BFHE 95, 366, BStBl II 1969, 435 berufen, wonach das Finanzamt die ihm übergeordnete OFD für das Rechtsmittelverfahren vor dem BFH bevollmächtigen kann, sondern unmittelbar auch auf den Wortlaut des Art. 1 Nr. 1 Satz 3 BFHEntlG, der die Vertretung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und von Behörden nicht auf die organisatorisch legitimierte Vertretung durch dem eigenen Amt angehörige Beamte oder Angestellte beschränkt. Entscheidend ist vielmehr allein, daß die die Behörde ―dann kraft rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht― vertretenden Personen anderer Behörden die Befähigung zum Richteramt besitzen. Dies ist auch sachgerecht, denn mit dem Vertretungszwang vor dem BFH soll erreicht werden, daß im Interesse der Rechtspflege wie auch im Interesse einer sachgerechten und wirksamen Wahrnehmung der Rechte der Beteiligten Rechtsmittel und Rechtsbehelfe nur von solchen Personen wirksam eingelegt werden können, die aufgrund ihrer fachlichen Vorbildung die Erfolgsaussichten hinreichend sicher einschätzen und das Verfahren vor dem BFH selbst sachgerecht führen können (vgl. Brandt in Beermann, a.a.O., § 62 FGO Rz. 12; s. auch BFH-Beschluß vom 16. Januar 1984 GrS 5/82, BFHE 140, 408, BStBl II 1984, 439).
Schließlich wäre es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer sparsamen Haushaltsführung nicht zweckmäßig, wollte man eine Finanzbehörde, der keine zum Richteramt befähigten Bediensteten angehören, für verpflichtet erachten, für ihre Vertretung vor dem BFH einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten zu bestellen, wo doch an der vorgesetzten OFD zum Richteramt befähigte und fachlich qualifizierte Bedienstete für die gerichtliche Vertretung zur Verfügung stehen. Wird einem solchen Bediensteten der OFD vom Vorsteher des HZA Prozeßvollmacht erteilt, gilt § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO mit der Folge, daß Zustellungen zwingend an den Prozeßbevollmächtigten zu richten sind (vgl. auch § 8 Abs. 4 VwZG).
c) Wirksam zugestellt war der Abhilfebeschluß des FG mithin erst durch die Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten des HZA am 4. November 1997. Die sodann von diesem für das HZA eingelegte, am 28. November 1997 beim FG eingegangene Revision war folglich fristgerecht (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Auch im übrigen bestehen keine Zweifel an der Zulässigkeit der Revision. Infolge des Organisationserlasses des BMF ist das HZA B aufgelöst und sind dessen Zuständigkeiten mit Wirkung ab 1. April 1998 auf das HZA übertragen worden. Ist aufgrund eines solchen Organisationsaktes die Zuständigkeit von der ursprünglich beteiligten Behörde auf eine andere Behörde, auch kraft Rechtsnachfolge, übergegangen, so tritt aufgrund dieser Maßnahme ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel ein, der auch im Revisionsverfahren zu beachten ist; § 122 Abs. 1 FGO gilt insoweit nicht (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1992 I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 122 Rz. 3). Das HZA ist daher mit Wirkung ab 1. April 1998 in die Rolle des Beklagten und Revisionsklägers eingetreten, ohne daß es zu einer Unterbrechung des Revisionsverfahrens gekommen wäre. Das vorliegende Revisionsurteil ist mit Wirkung für und gegen das HZA zu erlassen.
2. Die Revision des HZA ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht das Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Vergütungsanspruch bejaht. Es fehlt jedenfalls an der gerichtlichen Verfolgung der Kaufpreisforderungen des Klägers gegen seinen Abnehmer.
a) Maßgebliche Grundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch des Klägers im Streitfall ist § 53 Abs. 1 MinöStV. Hiernach wird dem Verkäufer von nachweislich nach § 2 des Mineralölsteuergesetzes (i.d.F. von Art. 5 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I, 2150 ―MinöStG 1993―) versteuertem Mineralöl auf Antrag die im Verkaufspreis enthaltene Steuer erstattet oder vergütet, die beim Warenempfänger wegen Zahlungsunfähigkeit ausgefallen ist, wenn, neben weiteren, vom FG und den Beteiligten einvernehmlich als erfüllt angesehenen Voraussetzungen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 MinöStV), "3. der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war". Diese Voraussetzung entspricht nahezu wörtlich der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 31 Abs. 3 Nr. 4 erster Unterabs. Buchst. c MinöStG 1993.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 1. Dezember 1998 VII R 21/97 (zur Veröffentlichung in BFHE vorgesehen) bereits entschieden hat, ist die Erstattungs-/Vergütungsregelung der §§ 31 Abs. 3 Nr. 4 MinöStG 1993, 53 Abs. 1 Nr. 1 MinöStV verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß der Steuerbetrag in Höhe von 10 000 DM, der bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit überschritten sein muß, als echter Selbstbehalt anzusehen ist, der in jedem Fall vom Verkäufer des zum normalen Steuersatz versteuerten Mineralöls bei Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers zu tragen ist. Erstattungs- bzw. vergütungsfähig wäre demzufolge im Streitfall entgegen der vom FG und von den Beteiligten zugrunde gelegten Auffassung von vornherein lediglich die Mineralölsteuer, die den Steuerbetrag von 10 000 DM übersteigt.
Aber auch abgesehen davon kann im Streitfall der Kläger die beantragte Vergütung nicht beanspruchen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV nicht erfüllt sind. Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Kläger, wie es die Vorschrift verlangt, seine Außenstände laufend überwacht und bei Zahlungsverzug seines Abnehmers unter Fristsetzung hinsichtlich aller vier betroffenen Lieferungen im Monat Juni 1993 rechtzeitig gemahnt hat. Er hat es jedenfalls versäumt, seine Ansprüche in jedem dieser Fälle auch gerichtlich zu verfolgen, so wie es der klare und eindeutige Wortlaut der Vorschrift erfordert.
"Gerichtlich verfolgen" bedeutet, die rückständigen Forderungen, mit denen der Abnehmer in Zahlungsverzug geraten ist, beim Zivilgericht mit den Mitteln, die nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) zur Verfügung stehen, rechtshängig zu machen, also z.B. Klage zu erheben (§ 261 Abs. 1 ZPO) oder die Zustellung eines Mahnbescheids nach den Vorschriften der §§ 688 ff. ZPO zu bewirken mit ggf. anschließender Überleitung ins streitige Verfahren (vgl. § 696 Abs. 3 ZPO), und aus dabei erlangten Titeln gegen den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung vorzugehen (§§ 704 ff. ZPO). Ist über das Vermögen des Schuldners, so wie im Streitfall, das Konkursverfahren eröffnet worden, so gehört zur gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs jedenfalls, falls eine Aussonderung aufgrund dinglicher Sicherheit nicht mehr in Betracht kommt, die Anmeldung des Anspruchs als Konkursforderung zur Konkurstabelle gemäß den §§ 138 ff. der Konkursordnung, damit jedenfalls die Chance erhalten bleibt, bei einer möglichen Verteilung der Konkursmasse anteilig berücksichtigt zu werden (ebenso Soyk, Erstattung und Vergütung von Mineralölsteuer nach § 53 MinöStV, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern ―ZfZ― 1997, 182, 187).
Im Streitfall hat der Kläger seine Ansprüche nicht zur Konkurstabelle angemeldet. Zwar hat das FG dies nicht ausdrücklich festgestellt; es hat sich jedoch die Ausführungen des Betriebsprüfers in Ziffer 3 des Prüfungsberichts zu eigen gemacht, wo der Prüfer die Feststellung getroffen hat, daß sich die unterlassene Anmeldung der Forderung an das Amtsgericht ―Konkursgericht― letzten Endes nicht ausgewirkt hat. Damit hat das FG mittelbar festgestellt, daß eine solche Anmeldung durch den Kläger nicht erfolgt ist und damit zugleich eine gerichtliche Verfolgung der betreffenden Zahlungsansprüche unterblieben ist.
b) Die Auslegung des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV durch das FG mit dem Ergebnis, daß dann, wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Zahlungsausfall selbst bei gerichtlicher Verfolgung nicht zu vermeiden gewesen wäre, von der Erfüllung dieses Erfordernisses abgesehen werden kann, ist nicht gerechtfertigt. Sie steht in Widerspruch zu dem insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, der ―unabhängig von irgendwelchen Kausalitätserwägungen aufgrund einer ex post-Betrachtung― dem Mineralölhändler bestimmte Handlungen zur Durchsetzung seiner Kaufpreisansprüche abverlangt. Ob diese Handlungen letztlich zum Erfolg, d.h. zur Eintreibung wenigstens eines Teils der offenen Forderungen führen, spielt keine Rolle.
Wie das HZA überzeugend ausgeführt hat, soll der Mineralölhandel bei Zahlungsausfall der Abnehmer nur unter gewissen, vom Gesetzgeber genau festgelegten Voraussetzungen vom Steuerrisiko entlastet werden. Eine dieser Voraussetzungen ist in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV das nachdrückliche Bemühen des Verkäufers um die Realisierung seiner Forderungen auch durch Einschaltung der Gerichte. Wer solche Bemühungen unterläßt, selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten durchgeführt werden müssen, dem Mineralölhändler aussichtslos erscheinen, verdient die Abwälzung des Steuerrisikos auf die Allgemeinheit nicht.
Die vom FG für seine gegenteilige Auffassung angeführten Argumente greifen nicht. Mit § 53 Abs. 2 Nr. 3 MinöStV, wonach dem Erstattungs-/Vergütungsantrag Nachweise über die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers beizufügen sind, während dort von Nachweisen über die gerichtliche Verfolgung nicht die Rede ist, läßt sich der vom FG gezogene Schluß nicht begründen. Zum einen betrifft die Nachweisvorschrift lediglich die Grundvoraussetzung für die Gewährung des Anspruchs, nämlich die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers; zu den besonderen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV wird dort nichts geregelt. Zum anderen könnte der Verordnungsgeber in einer Durchführungsvorschrift auch nicht rechtswirksam von einer klaren Vorgabe in der gesetzlichen Ermächtigungsnorm (§ 31 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. c MinöStG 1993) abweichen.
Ferner wäre es auch nicht sinnlos, wie das FG meint, dem Verkäufer das Betreiben eines gerichtlichen Verfahrens, welches ihm von vornherein aussichtslos erscheint, mit vielleicht erheblichem Kostenaufwand abzuverlangen. Der Verkäufer kann zunächst klar beurteilen, ob sich für ihn eine gerichtliche Verfolgung seines Anspruchs lohnt, ob nämlich trotz des Selbstbehalts in Höhe von 10 000 DM und der von ihm aufzubringenden Kosten für eine vernünftige gerichtliche Geltendmachung seines Anspruchs, die möglicherweise auf ihm hängen bleiben, gleichwohl noch eine ansehnliche Teilkompensation seines Schadens durch den Fiskus und damit durch die Allgemeinheit erwartet werden kann. Im übrigen zeigt die Erfahrung, daß sich selbst bei anfänglich aussichtslos erscheinender Beitreibung im Verlauf der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs doch noch die realistische Möglichkeit einer wenigstens teilweisen Befriedigung des Anspruchs, und sei es auch nur unter Zugrundelegung einer geringen Konkursquote, ergeben kann. Das liegt daran, daß die genaue Vermögenssituation eines zahlungsunfähigen Schuldners von dritter Seite von vornherein kaum zuverlässig abgeschätzt werden kann; sie erweist sich oft erst in der Vollstreckung. Daher ist es sachgerecht, dem Verkäufer die gerichtliche Verfolgung seiner Ansprüche abzuverlangen, denn nur dadurch wird der Fiskus und damit die Allgemeinheit realistisch in die Lage versetzt, daß bei nachträglichen Leistungen des Warenempfängers der Steuerausfallschaden, der durch die Vergütung/Erstattung des Steuerbetrags an den Verkäufer entstanden ist, wenigstens teilweise wieder ausgeglichen werden kann (vgl. § 53 Abs. 3 MinöStV).
Schließlich bemerkt der Senat, daß zu einer vom Wortlaut abweichenden erweiternden Auslegung der Vorschrift des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV zugunsten des Mineralölhandels keine Veranlassung besteht. Es geht hier nicht vordergründig darum, daß begünstigende oder Ausnahmevorschriften in der Regel eng und strikt auszulegen sind. Wichtiger ist es, daß die Auslegung den Sinn und Zweck der Vorschrift erfaßt und sich der Grenzen der auszulegenden Norm bewußt ist. Unstreitig hat der Gesetzgeber mit der Erstattungs-/Vergütungsregelung bezweckt, die wirtschaftliche Belastung des Mineralölhandels bei Forderungsausfällen jedenfalls teilweise zu beseitigen (vgl. BTDrucks 12/561 S. 16). Wie der Senat in seinem schon genannten Urteil vom 1. Dezember 1998 VII R 21/97 ausführlich dargelegt und erörtert hat, ist es indessen nicht ganz einfach, sondern bedarf eines erheblichen Begründungsaufwands, die Vereinbarkeit der mineralölsteuerlichen Entlastungsregelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zur rechtfertigen. Schon angesichts dessen wäre es unangemessen, die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für das Wirksamwerden der Entlastungsregelung aufzuweichen oder gar im Einzelfall von ihnen abzusehen. Von einem strengen Maßstab bei der Einhaltung der Sorgfaltspflichten des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV gehen auch die vom HZA in der Revisionsinstanz vorgelegten, bisher unveröffentlichten finanzgerichtlichen Entscheidungen zu dieser Problematik aus (Urteile des FG Hamburg vom 21. August 1997 IV 194/96; des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 11. November 1997 1 K 200/96; des FG Rheinland-Pfalz vom 11. Dezember 1997 6 K 2022/97 Z, sowie des FG Düsseldorf vom 4. März 1998 4 K 1895/94 VM).
Hinzu kommt, daß die Entlastungsregelung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zu einer unangemessenen und kostentreibenden Antragsflut führen sollte (vgl. Eisenhardt, Erstattung oder Vergütung der Mineralölsteuer bei Zahlungsausfall des Warenempfängers gemäß § 53 MinöStV, ZfZ 1998, 38, 40). Es sollte vielmehr auch den Grundsätzen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsökonomie Rechnung getragen werden. Dies zeigt sich nicht nur an der Einführung der Steuerbetragsgrenze in Höhe von 10 000 DM, ein Betrag, der nicht nur als "Bagatellgrenze", sondern darüber hinaus nach Auffassung des Senats als echter Selbstbehalt zu verstehen ist, sondern muß auch im übrigen für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift beachtet werden. Die die Vorschrift verwaltende Zollverwaltung muß über klare und einfach anwendbare Kriterien verfügen, um schnell und zuverlässig beurteilen zu können, ob ein Antragsteller die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Steht fest, daß der Antragsteller seinen Kaufpreisanspruch nicht, wie es § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV erfordert, gerichtlich verfolgt hat, braucht die Verwaltung nicht in hypothetische Kausalitätserwägungen einzutreten und zu prüfen, ob sich im Falle einer gerichtlichen Verfolgung des Anspruchs der Schaden hätte vermeiden oder vermindern lassen. Entscheidend und ausreichend für die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs ist es, wenn die Tatbestandsvoraussetzung der gerichtlichen Anspruchsverfolgung nicht erfüllt ist; unerheblich ist, welche Erfolgsaussichten das gebotene Vorgehen gehabt hätte.
3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das HZA den Vergütungsanspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend abgelehnt hat, ist die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 154741 |
BFH/NV 1999, 883 |
BFHE 188, 199 |
BFHE 1999, 199 |
BB 1999, 782 |
DStR 1999, 627 |
DStRE 1999, 358 |
HFR 1999, 482 |
StE 1999, 200 |