Leitsatz (amtlich)
§ 14 Abs.1 Satz 1 ErbStG 1974 ist dahin auszulegen, daß von dem Gesamtbetrag die für den früheren Erwerb damals festgesetzte Steuer abzuziehen ist, wenn diese wegen einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung höher war als die nach der jetzigen gesetzlichen Regelung festzusetzende Steuer.
Normenkette
ErbStG 1974 § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Entscheidung vom 27.04.1983; Aktenzeichen IV 466/78 Erb) |
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang bei der Veranlagung der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zur Erbschaftsteuer eine Vorschenkung berücksichtigt werden muß.
Die Klägerin ist zu 1/4 Erbin ihres 1975 verstorbenen Großvaters. Ihr Erbanteil hatte einen Steuerwert von 651 999 DM. Bei ihrer Veranlagung zur Erbschaftsteuer durch Steuerbescheid vom 5.September 1978 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gemäß § 14 Abs.1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 eine Vorschenkung, und zwar mit dem nach Ansicht beider Beteiligten zutreffenden Wert von 149 155 DM. Danach ergab sich eine noch zu entrichtende Steuer von 4 934 DM nach folgender Berechnung:
Erbanteil 651 999 DM
+ Vorerwerb 149 155 DM
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801 154 DM
./. Freibetrag nach § 16 ErbStG 1974 90 000 DM
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711 100 DM
Steuer (Steuerklasse I 3, 9 v.H.) 63 999 DM
Anrechnungsbetrag für den Vorerwerb
Vorerwerb 149 155 DM
./. Freibetrag nach
§ 17 ErbStG 1959 20 000 DM
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(abgerundet) 129 100 DM
Steuer (5 v.H.) 6 455 DM
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festgesetzte Steuer 57 544 DM
abzüglich Zahlungen 52 610 DM
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noch zu zahlen 4 934 DM.
Die Klägerin begehrte die Festsetzung einer niedrigeren Steuer. Die Vorschenkung dürfe nur mit 131 868 DM angesetzt werden. Das ist der (falsche) Wert, mit welchem das FA seinerzeit die Vorschenkung durch Bescheid vom 12.April 1977 zur Schenkungsteuer herangezogen hatte.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die noch zu entrichtende Steuer auf 1 334 DM herab. Die Vorschenkung müsse gemäß § 14 Abs.1 Satz 1 ErbStG 1974 mit dem Wert berücksichtigt werden, welcher der Veranlagung am 12.April 1977 zugrunde gelegt worden sei.
Die noch zu entrichtende Steuer berechnete das FG wie folgt:
Erbanteil 651 999 DM
Vorerwerb lt. Bescheid vom 12.April 1977 131 868 DM
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783 867 DM
./. Freibetrag § 16 ErbStG 1974 90 000 DM
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693 867 DM
Steuerklasse (§ 15 ErbStG 1974) I 3
Steuersatz (§ 19 Abs.1 ErbStG 1974) 8,5 v.H.
Steuer 58 978 DM
Anrechnungsbetrag für den Vorerwerb
(4,5 v.H. von 111 868 DM) 5 034 DM
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Steuer 53 944 DM
bereits gezahlt 52 610 DM
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noch zu entrichten 1 334 DM.
Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 77 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Es kann offenbleiben, ob bei der Festsetzung der Steuer für den Erbanfall die Vorschenkung nach § 14 ErbStG 1974 mit 149 155 DM oder mit 131 868 DM zu berücksichtigen ist; denn jedenfalls ist die für diese Vorschenkung veranlagte Steuer voll anzurechnen, so daß sich keine höhere als die vom FG errechnete Nachforderung ergibt. Das folgt daraus, daß sich im vorliegenden Fall zwischenzeitliche Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts auf die Berechnung der Steuer auswirken.
Die Steuer für die Vorschenkung war in dem Bescheid vom 12.April 1977 gemäß § 10 Abs.1 ErbStG 1959 nach Steuerklasse II auf 11 180 DM festgesetzt worden (10 v.H. von 111 800 DM, nämlich 131 800 DM ./. 20 000 DM Freibetrag gemäß § 16 ErbStG 1959). Nach dem ErbStG 1974 (§ 15 Abs.1 Nr.3) wäre diese Vorschenkung nur nach der Steuerklasse I besteuert worden, weil die Mutter der Klägerin (die Tochter des Großvaters) am 1.April 1953 und damit vor dem Zeitpunkt der Vorschenkung verstorben war, wie sich aus der Erbschaftsteuererklärung der Klägerin ergibt. Diese durch das ErbStG 1974 eingeführte Steuererleichterung würde sich aber im Rahmen des § 14 ErbStG 1974 bei wörtlicher Anwendung dieser Vorschrift sinnwidrig zum Nachteil der Klägerin auswirken, wenn man statt der tatsächlich durch den Steuerbescheid vom 12.April 1977 festgesetzten 11 180 DM nur diejenige Steuer anrechnen würde, welche "zur Zeit des letzten (Erwerbes) zu erheben gewesen wäre"; denn das wäre die von dem FA und dem FG berücksichtigte niedrigere nach Steuerklasse I berechnete Steuer. Dem Sinn des § 14 ErbStG 1974 entspricht es daher, bei zwischenzeitlichen Steuerermäßigungen aufgrund von gesetzlichen Änderungen die für einen Vorerwerb nach der bisherigen gesetzlichen Regelung festgesetzte höhere Steuer anzurechnen. In ähnlicher Weise hat der Senat schon bisher die Erhöhung des Freibetrages für Personen der Steuerklasse II von 20 000 DM (§ 17 Abs.2 Nr.2 ErbStG 1959) auf 50 000 DM (§ 16 Abs.1 Nr.3 ErbStG 1974) berücksichtigt, indem er die anzurechnende Steuer für den Vorerwerb entgegen dem Wortlaut des § 14 ErbStG 1974 nur unter Berücksichtigung des früher geltenden niedrigeren Freibetrages berechnet und damit die nach der früheren Rechtslage höhere Steuer berücksichtigt hat (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30.März 1977 II R 98/76, BFHE 122, 330, BStBl II 1977, 664; vgl. auch den Beschluß vom 18.September 1985 II B 30/85, BFHE 144, 456, BStBl II 1985, 710).
Rechnet man entsprechend den vorstehenden Ausführungen die für den Vorerwerb festgesetzte Steuer von 11 180 DM an, so ergibt sich selbst nach der für die Klägerin ungünstigeren Berechnung des FA nur eine Steuernachforderung von 209 DM, und zwar nach folgender Berechnung:
festgesetzte Steuer 63 999 DM
./. festgesetzte Steuer für die Vorschenkung 11 180 DM
./. Zahlungen 52 610 DM
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209 DM.
Dieser Betrag liegt unter der vom FG errechneten Nachzahlung von 1 334 DM, welche die Klägerin nicht angegriffen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 61812 |
BStBl II 1987, 717 |
BFHE 149, 69 |
BFHE 1987, 69 |
BB 1987, 1024 |
BB 1987, 1024-1024 (ST) |
DB 1987, 1024-1024 |
DStR 1987, 396-396 (ST) |
HFR 1987, 297-298 (ST) |