Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftsüberlassungsvertrag: Behandlung der Leistungen beim Hofeigentümer
Leitsatz (NV)
Bei einem sog. Wirtschaftsüberlassungsvertrag sind die vom Nutzungsberechtigten vertragsgemäß übernommenen Leistungen beim Hofeigentümer als wiederkehrende Bezüge zu erfassen, soweit es sich nicht um Unterhaltsleistungen handelt (Ergänzung zu dem BFH-Urteil vom 18. Februar 1993 IV R 106/ 92, BFHE 170, 553, BStBl II 1993, 546).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 13, 22 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Jahre 1983 übertrug die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit Wirkung zum 1. Juli 1983 ihrem Sohn das alleinige Nutzungsrecht an dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in A. Dem Nutzungsberechtigten wurde für die Dauer von 10 Jahren oder bis zum Eintritt des Erbfalls die alleinige Entscheidungsbefugnis über den 36 ha großen Hof übertragen. Nach dem Betriebsüberlassungsvertrag erhielt der Sohn das volle Verfügungsrecht über das gesamte lebende und tote Inventar als sog. eisernes Inventar. Die betrieblichen Forderungen und Verbindlichkeiten verblieben bei der Klägerin, die Zins- und Tilgungsleistungen übernahm der Sohn mit befreiender Wirkung im Innenverhältnis ebenso wie alle Privatlasten (Grundschuld, Real- und Altenteilslasten sowie die nicht auf dem Hof ruhenden öffentlichen Abgaben). Im übrigen verpflichtete sich der Sohn zu monatlichen Barleistungen von 500 DM.
Für die Streitjahre 1983 bis 1985 erklärte die Klägerin weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Dabei berücksichtigte sie aus der Betriebsüberlassung weder Betriebseinnahmen noch Betriebsausgaben, erklärte jedoch bei den sonstigen Einkünften die Einnahmen aus den Altenteils- und Barunterhaltsleistungen des Nutzungsberechtigten.
Die Veranlagungen wurden erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt. Nach einer für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die vom Sohn zusätzlich zu dem Altenteil übernommenen Leistungen seien bei der Klägerin als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassen und Zins- und Gebäudeaufwendungen bei ihr als Betriebsausgaben abzusetzen. Die Einkommensteuerbescheide wurden entsprechend geändert. Eine gleichzeitig beim Nutzungsberechtigten veranlaßte Betriebsprüfung führte zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs für die Zinsen, Gebäudeversicherung und Grundsteuer und zu einer entsprechenden Erhöhung der als Sonderausgaben abziehbaren dauernden Lasten.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, der Betriebsüberlassungsvertrag sei einkommensteuerrechtlich anzuerkennen, mit der Übernahme der laufenden Aufwendungen habe der Sohn jedoch keine Versorgungsleistungen erbracht, so daß diese Zahlungen bei der Klägerin weder als wiederkehrende Bezüge zuzurechnen noch als Betriebsausgaben abziehbar seien.
Mit der dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Das FA hat die vom Sohn der Klägerin übernommenen Leistungen zu Recht den sonstigen Einkünften der Klägerin zugerechnet und diese bei ihr mit Ausnahme der Tilgungsleistungen zugleich als Betriebsausgaben berücksichtigt.
1. Im Streitfall hat die Klägerin ihrem Sohn aufgrund eines sog. Wirtschaftsüberlassungsvertrags unentgeltlich die Nutzung ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebs übertragen. Diese Vereinbarung erfüllt die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Senats an derartige Gestaltungen zur Vorbereitung der Hofesnachfolge zu stellen sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juli 1975 IV R 99/72, BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772, und vom 5. Februar 1976 IV R 31/74, BFHE 118, 37, BStBl II 1976, 335). Die aufgrund einer solchen Vereinbarung erbrachten altenteilsähnlichen Leistungen unterliegen beim Nutzungsberechtigten dem Sonderausgabenabzug als dauernde Lasten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG und sind beim Hofeigentümer als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG zu erfassen (BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 IV R 43/73, BFHE 122, 500, BStBl II 1977, 719).
2. Entgegen der Auffassung des FG gehören die vertragsgemäß vom Nutzungsverpflichteten übernommenen betrieblichen Aufwendungen und Tilgungsleistungen jedoch ebenfalls zu den sonstigen Einkünften der Klägerin. Dabei handelt es sich zwar nicht um altenteilsähnliche Leistungen im engeren Sinne, gleichwohl jedoch um wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 EStG.
a) Wie der Senat mit dem Urteil vom 18. Februar 1993 IV R 106/92, BFHE 170, 553, BStBl II 1993, 546 entschieden hat, sind die vom Nutzungsberechtigten vertragsgemäß übernommenen weiteren Leistungen wirtschaftlich nicht als Entgelt zu beurteilen, weil sie nicht als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung erbracht werden. Sie gehören vielmehr zu den Vermögenserträgen, die sich der Hofeigentümer mit der Nutzungsüberlassung als für seine Lebenshaltung erforderlich vorbehalten hat. Der Nutzungsberechtigte muß diese Erträge erwirtschaften und kann sie bei Ermittlung seines Einkommens als Sonderausgaben (dauernde Lasten) abziehen. Dem entspricht es, daß das FA diese Beträge einschließlich der Tilgungsleistungen bei der Klägerin und Hofeigentümerin in voller Höhe als wiederkehrenden Bezug nach § 22 Nr. 1 EStG erfaßt hat. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum überwiegend geteilt (vgl. Wätzig, die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1982, 437; Felsmann, Inf 1985, 389; ders. in Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983, Anm. A 701, A 711; Schmidt/Seeger, Einkommensteuer, 11. Aufl. 1992, § 13 Anm. 9c und beschränkt auf die Übernahme der Tilgungsleistungen: Leingärtner/Zaisch, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 1440; vgl. ferner Urteil des FG Münster vom 17. Mai 1989 XII 7937/87, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1990, 110). Der davon abweichenden Auffassung (vgl. Ostmeyer, Inf 1986, 175; Pape, Inf 1991, 50, und Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6. Aufl. 1992, Rdnr. 324) ist der Senat aus den in IV R 106/92 (a.a.O.) dargelegten Erwägungen, auf die verwiesen wird, nicht gefolgt.
b) Allerdings hat der erkennende Senat in der Sache IV R 106/92 auch entschieden, daß die zugunsten des Hofeigentümers übernommenen Leistungen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG unterliegen, wenn es sich um Unterhaltsleistungen handelt. In diesem Fall scheidet auch eine Berücksichtigung dieser Leistungen als wiederkehrender Bezug aus. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine nicht abziehbare Unterhaltsleistung dann vor, wenn unter Berücksichtigung der Gegenleistung der Unterhaltscharakter offensichtlich überwiegt (grundlegend zuletzt Beschluß des BFH vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, 85). Danach kann ein wesentlicher Anhaltspunkt für das Überwiegen im allgemeinen darin gesehen werden, daß der Wert der Gegenleistung bei überschlägiger und großzügiger Berechnung weniger als die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung beträgt. Im Urteil IV R 106/92 hat der Senat aus den Besonderheiten des Wirtschaftsüberlassungsvertrags als einer Nutzungsüberlassung mit erbrechtlichem Bezug gefolgert, daß auf die genannte Vergleichsrechnung bei derartigen Gestaltungen zwar nicht verzichtet werden kann, daß der Vergleichsrechnung aber nicht der Wert der bloßen Nutzungsüberlassung, sondern wie bei der Hofübergabe selbst, der Wert des Betriebsvermögens zugrunde zu legen ist.
Im Streitfall ergeben sich keine Anzeichen für ein Überwiegen des Unterhaltscharakters der vom Nutzungsberechtigten übernommenen Leistungen. Solche Anhaltspunkte hat das FA auch nicht geltend gemacht. Die Leistungen sind daher von der Klägerin als wiederkehrender Bezug nach § 22 Nr. 1 EStG zu versteuern.
3. Der Revision ist auch darin beizupflichten, daß die von der Klägerin als wiederkehrender Bezug zu versteuernden Zuwendungen des Nutzungsberechtigten mit Ausnahme der Tilgungsleistungen bei ihr zugleich als Betriebsausgaben abziehbar sind. Es handelt sich bei diesen Beträgen um Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Als Hofeigentümerin erzielt die Klägerin auch weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, solange sie nicht die Betriebsaufgabe erklärt hat (BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 IV R 104/90, BFHE 167, 84). Sie hat diese Aufwendungen auch getragen. Nach ausdrücklicher Vereinbarung im Wirtschaftsüberlassungsvertrag war die Klägerin insbesondere auch nach der Nutzungsüberlassung noch Schuldnerin der betrieblichen Verbindlichkeiten. Im übrigen ist die Herkunft der Mittel für die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen ohne Bedeutung.
4. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 419041 |
BFH/NV 1994, 14 |