Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die Vergünstigung des § 73 Abs. 2 DMBG über die Kapitalverkehrsteuerfreiheit bei der Neufestsetzung des Nennkapitals von Kapitalgesellschaften erstreckt sich nicht auf die Vereinbarung einer vom gesetzlichen Umstellungsverhältnis abweichenden Umstellung von Forderungen oder Verbindlichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Kapitalgesellschaft.
Normenkette
DMBG § 73 Abs. 2; KVStG § 2/3/b
Tatbestand
Das Stammkapital der beschwerdeführenden GmbH (im folgenden: Tg Tochtergesellschaft) zu 100.000 RM ist durch Gesellschafterbeschluß vom 4. April 1950 auf 100.000 DM neu festgesetzt. Der einzige Aktivposten sowohl der RM-Schlußbilanz als auch der DM-Eröffnungsbilanz der Gesellschaft besteht in einem Guthaben der GmbH bei ihrer Alleingesellschafterin (Muttergesellschaft = Mg). Das Guthaben betrug 100.000 RM und ist im Verhältnis 1 : 1 auf 100.000 DM umgestellt worden. Mit demselben Betrag ist es in die DM-Eröffnungsbilanz der Beschwerdeführerin (Bfin.) eingesetzt.
Das Finanzamt hat in der das gesetzliche Umstellungsverhältnis von 10 : 1 übersteigenden Umstellung eine freiwillige Leistung der Alleingesellschafterin an ihre Tg gesehen und von dem Unterschiedsbetrag von 90.000 DM Gesellschaftsteuer gefordert.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß in der Umstellung der Verbindlichkeit eines Gesellschafters in einem höheren Verhältnis, als dem gesetzlichen Umstellungsverhältnis von 10 : 1 entspricht, grundsätzlich eine freiwillige Leistung im Sinne des § 2 Ziff. 3 zu b des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) zu erblicken ist. Dem Einwand der Bfin., daß in der höheren Umstellung der Forderung von 1 : 1 noch keine Leistung zu erblicken sei, sondern nur eine Verpflichtung zur Leistung, vermag der Senat in übereinstimmung mit dem Finanzgericht nicht beizupflichten. Die Leistung besteht in der Vereinbarung der erhöhten Umstellung. Der Erhöhungsbetrag ist wesensgleich mit der ursprünglichen Verbindlichkeit. An deren Charakter als Verbindlichkeit aus der Darlehnsverpflichtung ist durch die Umstellung nichts geändert. Die Verpflichtung zur Leistung gehört zum Wesen eines Darlehnsvertrags. Bei dieser Rechtsbetrachtung kommt es nicht darauf an, ob die Forderung leicht verwertbar ist, sondern nur darauf, ob tatsächlich durch die Vereinbarung eine "echte" Forderung der Tg gegenüber ihrer Mg geschaffen ist. Die erhöhte Aufwertung ist auch geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Die höhere Umstellung der Gesellschafterverbindlichkeit hat erst ermöglicht, das Stammkapital der GmbH auf 100.000 DM umzustellen. Diese steuerliche Beurteilung wird auch nicht dadurch beeinflußt, daß zwischen den beiden Gesellschaften ein Organschaftsverhältnis besteht. Die Kapitalverkehrsteuer knüpft grundsätzlich an die bürgerlich-rechtliche Erscheinungsform der Kapitalgesellschaften und die bürgerlich-rechtlichen Beziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft an. Daher sind für die Kapitalverkehrsteuer Organgesellschaften regelmäßig so zu behandeln wie unabhängige Gesellschaften (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs II A 95/27 vom 2. August 1927, Slg. Bd. 22 S. 34, Reichssteuerblatt - RStBl - 1927 S. 204; II A 540/32 vom 12. Januar 1934, RStBl 1934 S. 700; II A 106/39 vom 25. Oktober 1940, Slg. Bd. 39 S. 219, RStBl 1940 S. 989).
Der Verkehrsteuersenat des Reichsfinanzhofs hat in ständiger Rechtsprechung in der Aufwertung einer Gesellschafterverbindlichkeit über den Betrag von 25 % des Goldmarkbetrags hinaus eine steuerpflichtige freiwillige Leistung im Sinne des § 6 zu b KapVStG a. F. erblickt (vgl. u. a. Urteile des Reichsfinanzhofs II A 8/26 vom 9. März 1926, RStBl S. 164; II A 640/26 vom 13. April 1927, Mrozek-Kartei zu § 6 b a. F. Rechtsspr. 10, 19, sowie II A 353/27 vom 21. Oktober 1927, RStBl 1927 S. 233).
Die Vorschriften des § 73 Abs. 2 und § 24 Abs. 3, § 30 Abs. 3 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG), deren Verletzung die Bfin. rügt, vermögen den Senat nicht zu einer von dieser Rechtsprechung abweichenden Rechtsauffassung zu bewegen. Nach § 73 Abs. 2 DMBG unterliegen die aus der Neufestsetzung (zu ergänzen: des Nennkapitals) sich ergebenden zahlenmäßigen Veränderungen im Vermögen der im § 35 bezeichneten Gesellschaften und deren Gesellschafter nicht den Steuern vom Kapitalverkehr. Vereinbarungen, durch die Verbindlichkeiten zwischen den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern abweichend vom gesetzlichen Umstellungsverhältnis umgestellt werden, sind keine Rechtsvorgänge im Rahmen der Kapitalneufestsetzung, sondern liegen neben der Kapitalneufestsetzung. Dabei ist unerheblich, daß durch die veränderte Umstellung der Verbindlichkeiten der Gesellschafter erst die Neufestsetzung des Nennkapitals in der durchgeführten Weise ermöglicht wird. Wenn die Steuervergünstigung nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 73 Abs. 3 DMBG auf die aus der Neufestsetzung sich ergebenden zahlenmäßigen Veränderungen im Vermögen der Gesellschaften und deren Gesellschafter beschränkt wird, so kann die Befreiungsvorschrift nicht auf solche der Kapitalverkehrsteuer unterliegende Rechtsvorgänge erstreckt werden, die nur mittelbar mit der Neufestsetzung des Nennkapitals zusammenhängen. Daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang der erhöhten Umstellung der Verbindlichkeit der Mg mit der Kapitalneufestsetzung besteht, ändert an dieser Auffassung nichts.
Diese Rechtsauffassung wird noch durch folgende Rechtserwägungen gestützt. Die durch Parteivereinbarung abweichend vom gesetzlichen Umstellungsverhältnis festgesetzte Umstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten ist nach § 24 Abs. 3 Satz 2 und § 30 Abs. 3 Satz 2 DMBG zwar beim Wertansatz in der DM-Eröffnungsbilanz zu berücksichtigen. Daher schreibt § 73 Abs. 1 DMBG vor, daß die aus der Eröffnungsbilanz und der Neufestsetzung sich ergebenden zahlenmäßigen Veränderungen im Vermögen für die Steuern vom Einkommen und Ertrag keine Steuerpflicht begründen. § 73 Abs. 2 DMBG dagegen stellt für die Kapitalverkehrsteuerfreiheit nur auf die aus der Neufestsetzung sich ergebenden zahlenmäßigen Veränderungen ab. Der Fassungsunterschied beruht auf der Verschiedenartigkeit der Steuern. Aus der unterschiedlichen Wortfassung ergibt sich, daß der Gesetzgeber in die Kapitalverkehrsteuerfreiheit ausdrücklich nur die sich unmittelbar aus der Neufestsetzung des Nennkapitals ergebenden zahlenmäßigen Veränderungen einbezogen wissen wollte. Neben der Neufestsetzung liegende oder nur mittelbar mit ihr zusammenhängende Rechtsvorgänge sollten also der Steuerbefreiungsvorschrift des § 73 Abs. 2 DMBG nicht teilhaftig werden. Daher wird die hier vertretene Auslegung des § 73 Abs. 2 DMBG nicht durch das Urteil des I. Senats des Bundesfinanzhofs I 1/52 S vom 29. Januar 1952 (Bundessteuerblatt III S. 73, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen S. 350) beeinflußt, auf das in der Rb. hingewiesen ist. In diesem zu § 73 Abs. 1 DMBG ergangenen Urteil ist ausgesprochen, daß Vereinbarungen im Sinne des § 24 Abs. 3, § 30 Abs. 3 DMBG über eine von dem gesetzlichen Umstellungsverhältnis abweichende Umstellung von Forderungen oder Verbindlichkeiten bei dem Wertansatz der Eröffnungsbilanz zu berücksichtigen, und daß diese abweichende vertragliche Umstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten als ein Vorgang bei der DM-Eröffnungsbilanz zu betrachten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 424191 |
BStBl III 1953, 128 |
BFHE 1954, 322 |
BFHE 57, 322 |