Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweis nach §181 Abs. 5 AO 1977 erfordert konkrete Regelung
Leitsatz (NV)
Einem allgemeinen Hinweis des FA in einem Bescheid auf die Möglichkeit, auch nach Ablauf der Feststellungsfrist nach §181 Abs. 5 AO 1977 Feststellungen treffen zu dürfen, kann nicht entnommen werden, das FA habe den nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffenen Feststellungen tatsächlich nur noch eingeschränkte Wirkung zumessen wollen.
Normenkette
AO 1977 § 181 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. Oktober 1978 von ihrem Vater zwei in einem Gebäude übereinander gelegene, gegeneinander abgeschlossene Eigentumswohnungen übertragen. Die größere der beiden Wohnungen wurde im Jahre 1979, die kleinere im Jahr 1980 bezugsfertig.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erließ am 11. Juni 1991 Nachfeststellungsbescheide, mit denen er die beiden Eigentumswohnungen der Klägerin auf den 1. Januar 1980 (größere Eigentumswohnung) bzw. 1. Januar 1981 (kleinere Eigentumswohnung) zurechnete und jeweils zu diesen Feststellungszeitpunkten die Grundstücksart "Einfamilienhaus- Wohnungseigentum" feststellte.
Mit ihren hiergegen gerichteten Einsprüchen machte die Klägerin geltend, die beiden Wohnungen seien insgesamt als Zweifamilienhaus zu bewerten. Es sei auch zu prüfen, ob die Nachfeststellungen auf den 1. Januar 1980 bzw. 1. Januar 1981 im Jahre 1991 noch hätten durchgeführt werden dürfen.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 7. November 1991 wies das FA die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, die Eigentumswohnungen seien getrennte wirtschaftliche Einheiten, für die jeweils ein Einheitswert festzustellen sei. Im Hinblick auf den Einwand der Klägerin, die Feststellungsfrist sei abgelaufen, führte das FA wörtlich aus:
"Unabhängig davon kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist erfolgen, soweit die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist (§181 Abs. 5 AO).
...
Die Bewertung der Eigentumswohnung ... als Einfamilienhaus ist vor Ablauf der Feststellungsfrist ... erfolgt."
Mit ihrer Klage machte die Klägerin weiterhin geltend, die beiden Eigentumswohnungen seien als Zweifamilienhaus zu bewerten.
Während des Klageverfahrens erließ das FA Ergänzungsbescheide nach §179 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977), mit denen es darauf hinwies, daß für die in den Bescheiden vom 11. Juni 1991 getroffenen Feststellungen die Feststellungsfrist abgelaufen sei und den Feststellungen nur noch Bedeutung für die Einkommensteuer ab 1980 bzw. 1981 zukommen solle, für die die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten sei (§181 Abs. 5 Satz 1 AO 1977).
Die Klägerin hat die Ergänzungsbescheide zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht.
Das Finanzgericht (FG) hat die Ergänzungsbescheide aufgehoben, im übrigen aber die Klage abgewiesen und hierzu u. a. die Auffassung vertreten, in den Einspruchsentscheidungen habe das FA in zulässiger und wirksamer Weise den notwendigen Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 erteilt.
Während die Aufhebung der Ergänzungsbescheide durch das FG rechtskräftig wurde, da das FA hiergegen Rechtsmittel nicht eingelegt hat, wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision gegen die Vorentscheidung, soweit das FG ihrem Klagebegehren nach Aufhebung der Einheitswertbescheide und der Einspruchsentscheidungen nicht entsprochen hat. Sie rügt u. a. fehlerhafte Rechtsanwendung des §181 Abs. 5 AO 1977.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. das Urteil des FG, soweit das FG die Klage abgewiesen hat, sowie die Einheitswertbescheide vom 11. Juni 1991 i.d.F. der Einspruchsentscheidungen vom 7. November 1991 aufzuheben,
2. festzustellen, daß die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Verfahren notwendig war.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit das FG die Klage abgewiesen hat, sowie der Feststellungsbescheide vom 11. Juni 1991 i.d.F. der Einspruchsentscheidungen vom 7. November 1991 (vgl. §126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der Senat vermag der Auffassung des FG nicht zu folgen, die in den Feststellungsbescheiden vom 11. Juni 1991 fehlenden Hinweise nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 habe das FA in den Einspruchsentscheidungen vom 7. November 1991 wirksam nachgeholt.
Nach §181 Abs. 5 AO 1977 kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Beabsichtigt das FA, unter diesen besonderen Voraussetzungen nach Ablauf der Feststellungsfrist einen Feststellungsbescheid zu erlassen, hat es auf diese besondere verfahrensrechtliche Situation in dem Feststellungsbescheid hinzuweisen.
Die Einspruchsentscheidungen enthalten im Streitfall einen solchen Hinweis nicht. Soweit das FA dort innerhalb seiner rechtlichen Überlegungen unter Hinweis auf §181 Abs. 5 AO 1977 ausführt, es könne "unabhängig davon" unter im einzelnen dargelegten Umständen eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist treffen, kann hieraus nicht der Schluß gezogen werden, das FA habe tatsächlich eine dem §181 Abs. 5 AO 1977 entsprechende Regelung treffen wollen. Es handelt sich dabei erkennbar nur um eine rechtliche Hilfsüberlegung ("unabhängig davon") ohne eigenen Regelungscharakter. Dies zeigt auch die (nachfolgende) Bemerkung des FA, die Bewertung der Eigentumswohnungen als Einfamilienhaus sei vor Ablauf der Feststellungsfrist erfolgt. Die darin zum Ausdruck kommende Rechtsansicht des FA, es habe die angefochtenen Feststellungen innerhalb der maßgeblichen Feststellungsfrist getroffen, ließ für das FA eine dem §181 Abs. 5 AO 1977 entsprechende Regelung nicht in Betracht kommen. Zumindest besteht zwischen dieser Bemerkung und den Ausführungen des FA zu §181 Abs. 5 AO 1977 ein so deutlicher Widerspruch, daß dem allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit, auch nach Ablauf der Feststellungsfrist Feststellungen treffen zu dürfen, nicht entnommen werden kann, das FA habe den nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffenen Feststellungen tatsächlich nur noch eingeschränkte Wirkung zumessen wollen.
Da die Einspruchsentscheidungen einen Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 nicht enthalten, kann offenbleiben, ob -- wovon das FG ausgegangen ist -- ein fehlender Hinweis in der Einspruchsentscheidung noch wirksam nachgeholt werden könnte.
Das auf anderen rechtlichen Erwägungen beruhende Urteil des FG ist -- soweit das FG die Klage abgewiesen hat -- aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif.
Die nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangenen Feststellungsbescheide vom 11. Juni 1991 i.d.F. der Einspruchsentscheidungen vom 7. November 1991 sind rechtswidrig und deshalb gemäß §100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben.
Gemäß §169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, der gemäß §181 Abs. 1 AO 1977 sinngemäß für die gesonderte Feststellung gilt, ist die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Das FA hat am 11. Juni 1991 nach Ablauf der Feststellungsfrist Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1980 bzw. 1. Januar 1981 erlassen.
Die besonderen Voraussetzungen, unter denen nach §181 Abs. 5 AO 1977 nach Ablauf der Feststellungsfrist Feststellungen noch getroffen werden dürfen, liegen nicht vor. Das FA hat weder in den Einheitswertbescheiden vom 11. Januar 1991 noch -- falls dies zulässig wäre -- in den Einspruchsentscheidungen vom 11. Juni 1991 auf die eingeschränkte Wirkung der getroffenen Feststellungen nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 hingewiesen.
3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszugs, im Streitfall das FG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Dezember 1994 X R 74/91, BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259, 261 unter II. 4.).
Fundstellen
Haufe-Index 67413 |
BFH/NV 1998, 1189 |