Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine mehrgemeindliche Betriebstätte ist bei Kapitalgesellschaften auch dann gegeben, wenn sich in einer Gemeinde lediglich Grundstücke der Betriebstätte befinden, die zur Zeit betrieblich nicht unmittelbar genutzt werden.
Bei einer mehrgemeindlichen Betriebstätte ist der einheitliche Steuermeßbetrag unter Berücksichtigung der gesamten Lasten zu zerlegen, die sich für die einzelnen Gemeinden aus der Betriebstätte ergeben, nicht lediglich unter Berücksichtigung der Lasten, die mit den Teilen der Betriebstätte verbunden sind, die sich in den einzelnen Gemeinden befinden.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2, § 30
Tatbestand
Die X AG unterhält in A unmittelbar an der Stadtgrenze von B ihre Werksanlagen zur Herstellung von Elektromotoren. Die Betriebsanlagen, die zur Zeit benutzt werden, sind im Gebiet der Stadtgemeinde A gelegen. Hieran unmittelbar anschließend, nur durch die Umfassungsmauer des Betriebsgebäudes abgegrenzt, besitzt die AG auf dem Gebiet der Stadtgemeinde B mehrere Grundstücke von insgesamt 270,96 ar, die mit den Grundstücken in A zusammenhängen. Auf diesem Gelände werden keine Handlungen vorgenommen, die zum eigentlichen Betriebsablauf gehören. Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 hat vorübergehend etwa 1/2 ar des Geländes in B als Schrottablagestelle gedient. Darüber hinaus ist das gesamte Gelände vorwiegend von der AG, zum geringen Teil aber auch von der Stadt A zum Abladen von Trümmerschutt benutzt worden.
Aus dieser Sachlage leitete die Stadtgemeinde B einen Anspruch auf Zuweisung eines Zerlegungsanteils am einheitlichen Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital und am Steuermeßbetrag nach der Lohnsumme ab. Sie ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen einer mehrgemeindlichen Betriebstätte erfüllt sind. Die Vorbehörden haben das abgelehnt. Der Oberfinanzpräsident begründete es wie folgt: Das Gelände habe keine unmittelbare Beziehung zu den eigentlichen Werksanlagen. Es werde im Herstellungsprozeß und im Vertriebsprozeß der AG nicht benötigt. Wenn zwar der räumliche Zusammenhang gegeben sei, so fehle es an der notwendigen betriebstechnischen Verbundenheit. Ob das Gelände da sei oder nicht, sei für die AG völlig unerheblich. Zu einem mehrgemeindlichen Unternehmen gehörten technische Einrichtungen oder zum mindesten die Vollziehung betriebstechnischer Verrichtungen in all den Gemeinden, die Zuweisung auf Zerlegungsanteile an der Betriebstätte erstrebten.
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde der Gemeinde B führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Eine mehrgemeindliche Betriebstätte ist dann gegeben, wenn sich eine selbständige Betriebstätte, d. h. eine in sich geschlossene wirtschaftliche Einheit räumlich über mehrere Gemeinden erstreckt. Hierbei ist es ohne Bedeutung, wenn sich in einer Gemeinde nur Grundstücksflächen von geringem Wert oder von geringem Umfang befinden. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine AG. Nach § 56 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) bilden alle Wirtschaftsgüter einer Kapitalgesellschaft einen gewerblichen Betrieb. Nach § 2 Absatz 2 Ziffer 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfange die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften. Es ist somit hier auch eine Tätigkeit, die bei natürlichen Personen eine Gewerbesteuerpflicht nicht auslösen würde, gewerbesteuerpflichtig. Eine Ausgliederung von Teilen des Gewerbeertrages und des Gewerbekapitals ist nicht zulässig. Der Reichsfinanzhof hat deshalb in der Entscheidung I 427/38 vom 13. Dezember 1938, Slg. Bd. 45 S. 287, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1939 S. 543, ausgesprochen, daß bei bergrechtlichen Gewerkschaften, die nur Bergwerkseigentum an noch unerschlossenen Feldern besitzen, das Vorliegen eines steuerpflichtigen Gewerbebetriebs unterstellt werden muß. Der Besitz von Vermögen und seine Verwaltung genügen für sich allein, um die Gewerbesteuerpflicht zu bewirken (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 74/39 vom 28. März 1939, Slg. Bd. 46 S. 271, RStBl. 1939 S. 714; I 436/38 vom 22. August 1939, RStBl. 1940 S. 116). Hieraus ergibt sich, daß die umstrittenen Grundstücksflächen betriebliches Vermögen darstellten. Es ist denkbar, daß eine Kapitalgesellschaft mehrere Betriebstätten unterhält. Aber ihre einzelnen Vermögensteile müssen entweder selbständige Betriebstätten oder Teile von Betriebstätten darstellen. Räumlich getrennte Teile eines Betriebes bilden keine einheitliche Betriebstätte, sondern gelten als verschiedene Betriebstätten. Hängen die Betriebsanlagen räumlich zusammen, so liegt eine einheitliche Betriebstätte vor. Es müssen jedenfalls ganz besonders gelagerte Verhältnisse vorliegen, um bei räumlicher Verbundenheit eine Mehrheit von Betriebstätten anzunehmen.
Im vorliegenden Falle sind die umstrittenen Flächen mit den Betriebsanlagen in A räumlich vollkommen verbunden. Sie stellen somit keine eigene Betriebstätte dar, sondern bilden einen Teil der Betriebstätte, die ihre Werkanlagen im übrigen in A besitzt. Es mag zutreffen, daß die Grundstücke zur Zeit für diese Betriebstätte nicht benutzt werden, also still liegen. Aber sie dienen dieser Betriebstätte auch dann, wenn ihre Nutzung erst für die Zukunft, z. B. bei einer etwaigen Ausdehnung der Werkanlagen in Aussicht genommen ist oder wenn sie dazu dienen, die Niederlassung eines Konkurrenzunternehmens auf diesen Grundstücken zu verhindern. Gegebenenfalls können sie sogar lediglich als Wertobjekt der Betriebstätte dienen (Aufnahme von Krediten). Es handelt sich um eine mehrgemeindliche Betriebstätte. Die Stadtgemeinde B hat somit einen Anspruch auf einen Zerlegungsanteil an dem einheitlichen Steuermeßbetrag der Betriebstätte der AG. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden.
Es erscheint zweckmäßig, die Sache zur nochmaligen Prüfung und zur Durchführung der Zerlegung nach § 30 GewStG an die Oberfinanzdirektion zurückzuverweisen. Bei der Zerlegung sind die Grundsätze anzuwenden, wie sie in den Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 473/38 vom 28. Februar 1939, RStBl. 1939 S. 1056, und I 473/39 vom 7. Mai 1940, Slg. Bd. 48 S. 317, RStBl. 1940 S. 714, und in der Entscheidung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts V (VIII) GSt 111-12/37 vom 22. April 1938, Mrozeks Kartei, GewStG 1936 § 30 Rechtspr. 4, im einzelnen dargestellt sind. Es sind hiernach insbesondere die Lasten durch das Wohnen der Arbeiter und die Unterhaltung der Zufahrtstraßen zu berücksichtigen. Des weiteren kann auch dem Wert der in den einzelnen Gemeinden befindlichen Betriebsanlagen Rechnung getragen werden. Die Ausgestaltung des Zerlegungsmaßstabes hat nach billigem Ermessen zu erfolgen.
Fundstellen
Haufe-Index 407223 |
BStBl III 1951, 124 |
BFHE 1952, 322 |
BFHE 55, 322 |