Entscheidungsstichwort (Thema)
„Lieferung von Waren“ und „gewerbliche Leistungen“ i.S. des § 5 AIG
Leitsatz (amtlich)
1. Sowohl der Handel mit Grundstücken als auch derjenige mit Rechten unterfallen nicht dem Begriff "Lieferung von Waren" i.S. des § 5 Satz 1 AIG.
2. "Gewerbliche Leistungen" i.S. des § 5 Satz 1 AIG können nur solche Leistungen sein, die nicht "Lieferungen" sind.
Normenkette
AuslInvG § 2 Abs. 1 S. 1, § 5
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 2000, 1302) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Ausland erzielte Verluste der Abzugsbeschränkung gemäß § 5 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft (AIG) unterliegen.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ―in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Personen― beteiligten sich in den Streitjahren (1984 und 1985) mit unterschiedlichen Einlagebeträgen an der S. Bei S handelte es sich um eine mit einer KG vergleichbare US-amerikanische Personengesellschaft. Die Kläger hatten in ihr die Stellung von Kommanditisten; Komplementärinnen der S waren zwei amerikanische Gesellschaften.
S erwarb ―wie vorgesehen― mit dem von den Gesellschaftern eingebrachten Kapital sowie unter Aufnahme von Darlehen von der amerikanischen Gesellschaft V Immobilien in Nevada und auf Hawaii, die V bis dahin als Hotelbetrieb geführt hatte. Sie renovierte diese Immobilien, wandelte sie in Eigentumswohnungen um und teilte sie überdies in Zeiteinheiten ("time-sharing-Einheiten") von jeweils 52 Wochen auf. Diese "time-sharing-Einheiten" veräußerte sie anschließend an in den USA ansässige Interessenten. Die Käufer erwarben hierbei ein befristetes Nutzungsrecht an einer Wohnung, das sie entweder selbst ausüben oder in einen Pool einlegen und verwerten lassen konnten.
Der S gelang es jedoch nicht, Gesellschafterkapital in dem ursprünglich vorgesehenen Umfang einzuwerben. Im Jahr 1988 wurde S aufgelöst, nachdem sämtliche Anleger gegen eine Abfindung aus der Gesellschaft ausgeschieden waren.
Die Kläger beantragten beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―), ihre in den Streitjahren 1984 und 1985 entstandenen Verluste an der S einheitlich und gesondert festzustellen und hierbei in verrechenbare und ausgleichsfähige Verluste aufzuteilen. Das FA lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass erstens die Kläger mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht Mitunternehmer der S gewesen und zweitens die Verluste insgesamt nicht ausgleichsfähig seien. Die hiergegen gerichtete Klage hatte nur zum Teil Erfolg: Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, negative Einkünfte nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1984 gesondert und einheitlich festzustellen; die Klage auf Feststellung von Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 AIG wies es ab. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom FG zugelassenen Revision.
Sie beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des angefochtenen Ablehnungsbescheids das FA zu verpflichten, die Einkünfte der S als gemäß § 2 AIG abzugsfähige Einkünfte gesondert und einheitlich festzustellen sowie den Klägern unter Berücksichtigung des § 15a EStG nach dem Verhältnis der jeweiligen Beteiligung zuzurechnen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die streitigen Verluste der Kläger nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG abziehbar sind.
1. Das FG ist stillschweigend davon ausgegangen, dass die Einkünfte der Kläger aus ihrer Beteiligung an der S nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen vom 22. Juli 1954/ 17. September 1965 (DBA-USA 1954/65, BGBl II 1965, 1609, BStBl I 1965, 219) von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen sind und dass deshalb Verluste aus dieser Beteiligung nicht in die Steuerbemessungsgrundlage eingehen. Das ist zutreffend, da es sich bei diesen Einkünften entweder um solche aus unbeweglichem Vermögen (Art. IX Abs. 1 DBA-USA 1954/65) oder um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt, die i.S. des Art. III Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1954/65 einer Betriebsstätte der Kläger in den USA zuzurechnen sind. In beiden Fällen dürfen sie nach dem DBA-USA in den USA besteuert werden, was zur Folge hat, dass sie nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b Nr. 1 Doppelbuchst. aa Sätze 1 und 2 DBA-USA 1954/65 in Deutschland nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden dürfen. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
2. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG können bis zum Veranlagungszeitraum 1989 (§ 8 Abs. 5 AIG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) unter bestimmten Voraussetzungen Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte (auch dann) bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden, wenn die Einkünfte aus der betreffenden Betriebsstätte nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Einkommensteuer zu befreien sind. Sind die Verluste im Rahmen einer Mitunternehmerschaft angefallen, deren Einkünfte nach § 180 der Abgabenordnung (AO 1977) gesondert und einheitlich festgestellt werden, so ist über die Abziehbarkeit nach § 2 AIG im Rahmen des Feststellungsverfahrens zu entscheiden (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. November 1989 IV R 143/85, BFHE 159, 60, BStBl II 1990, 204; vom 30. April 1991 VIII R 68/86, BFHE 165, 46, BStBl II 1991, 873; vom 9. Juni 1999 I R 40/98, BFH/NV 2000, 168, m.w.N.).
3. Nach § 5 AIG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist § 2 AIG nur dann anwendbar, wenn es um Einkünfte aus einer Betriebsstätte im Ausland geht, die ausschließlich oder fast ausschließlich bestimmte, vom Gesetzgeber als förderungswürdig angesehene Tätigkeiten zum Gegenstand hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
a) Das FG hat festgestellt, dass es sich bei der S um eine einer KG ähnliche Personengesellschaft gehandelt hat und dass die Kläger an dieser Gesellschaft beteiligt waren. Es hat ferner angenommen, dass die Kläger innerhalb der S eine Stellung innehatten, die sie nach den Maßstäben des deutschen Einkommensteuerrechts als Mitunternehmer erscheinen lässt. Unterstellt man diese ―vom FA beanstandete― Wertung zugunsten der Kläger als richtig, so haben die Kläger durch ihre Beteiligung an der S Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und sich hierzu einer Betriebsstätte ―oder mehrerer Betriebsstätten― in den USA bedient. Denn die Betriebsstätten einer Personengesellschaft werden im Anwendungsbereich des § 12 AO 1977, der für Zwecke des AIG maßgeblich ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. August 1990 VIII R 217/84, BFHE 162, 256, BStBl II 1991, 126, 128), sämtlichen Mitunternehmern der Gesellschaft als eigene Betriebsstätten zugerechnet (Senatsurteil vom 29. Januar 1964 I 153/61 S, BFHE 78, 428, BStBl III 1964, 165, 166; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.170; Buciek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 12 AO Rz. 14, m.w.N.). Ebenso ist, was die nach § 5 AIG begünstigten Tätigkeiten angeht, auf die Betätigung der S im Rahmen dieser Betriebsstätten abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 256, BStBl II 1991, 126).
b) § 5 Satz 1 AIG zählt zu den begünstigten Tätigkeiten u.a. die "Herstellung oder Lieferung von Waren". Um beides handelt es sich indessen bei der Tätigkeit der S nicht.
aa) Der Begriff "Ware" ist ―zumindest nach der in den Streitjahren geltenden Rechtslage― durch die Definition in § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Handelsgesetzbuchs in der bis zum In-Kraft-Treten des Handelsrechtsreformgesetzes geltenden Fassung (HGB a.F.) geprägt. Hiernach sind Waren nur die beweglichen Sachen, also körperliche Gegenstände (§ 90 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―), die nicht Grundstücke sind (K. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 1 Rz. 66; Schlegelberger/Hildebrandt, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 1 Rz. 32). An diese Begriffsbestimmung hat sich der Gesetzgeber in § 5 AIG angelehnt; anders wäre die Verwendung der Worte "mit Waren", die erkennbar der Einschränkung der Begünstigung von Herstellungs- und Lieferungsvorgängen dient, nicht verständlich. Hieraus folgt, dass sowohl der Handel mit Grundstücken als auch derjenige mit Rechten vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 AIG ausgenommen sind (ebenso zu der ―insoweit mit § 5 AIG wortgleichen― Regelung in § 2a Abs. 2 EStG in der seit dem Veranlagungszeitraum 1992 geltenden Fassung Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 2a Rz. 38; Blümich/Wied, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 2a EStG Rz. 81; Bordewin in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 2a Rz. 59; Mössner in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 2a Rdnr. C 9 f., m.w.N.).
Der Senat vermag nicht der Ansicht der Kläger zu folgen, dass diese Beurteilung nach In-Kraft-Treten des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. Juni 1998 (BGBl I, 1474) in Zweifel zu ziehen sei. Es ist zwar richtig, dass in der nunmehr geltenden Fassung des HGB der Begriff "Waren" nicht mehr ausdrücklich definiert wird. Jedoch wird zum einen der Begriff "Waren" handelsrechtlich nach wie vor in dem herkömmlichen, durch § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB a.F. geprägten Sinne verstanden (vgl. z.B. K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 31, III. c). Vor allem aber kann die handelsrechtliche Neuregelung schon deshalb nicht auf die Auslegung des § 5 AIG zurückwirken, weil der Gesetzgeber sich an der derjenigen Terminologie orientiert hat, die bei In-Kraft-Treten des § 5 AIG (1982) gültig war. Zudem wäre, selbst wenn man der Argumentation der Kläger dem Grunde nach folgen wollte, ein etwaiger Bedeutungswandel des Begriffs "Waren" erst im Jahr 1998 ―und damit deutlich nach Ablauf der Streitjahre― eingetreten. Alles in allem muss daher bei der Beurteilung des Streitfalls auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB a.F. enthaltene Definition dieses Begriffs zurückgegriffen werden.
bb) Im Streitfall war hiernach die Betätigung der S keine "Herstellung oder Lieferung von Waren". Denn sie bestand nach den Feststellungen des FG in dem Erwerb und der Aufteilung von Immobilien in Eigentumswohnungen, der Aufteilung der Nutzungsrechte an den Eigentumswohnungen in "time-sharing-"Einheiten und schließlich der Veräußerung dieser Einheiten. Es ging bei ihr deshalb entweder um einen Handel mit Grundstücken oder, sofern die "time-sharing"-Einheiten als immaterielle Wirtschaftgüter anzusehen sein sollten, um einen Handel mit Rechten. Beides wird von § 5 Satz 1 AIG gerade nicht erfasst. Auf die in der Einspruchsentscheidung aufgeworfene Frage, wie nach dem seinerzeit geltenden Recht von Nevada und Hawaii die Schaffung von "time-sharing-Eigentum" zivilrechtlich zu würdigen ist, muss angesichts dessen in diesem Verfahren nicht eingegangen werden.
c) Die Tätigkeit der S hätte deshalb nur dann zu nach § 2 AIG begünstigten Einkünften der Kläger geführt, wenn es sich hierbei um eine "Bewirkung gewerblicher Leistungen" i.S. des § 5 Satz 1 AIG gehandelt hätte. Das ist jedoch ebenfalls nicht der Fall.
aa) Nach § 5 Satz 1 AIG besteht die Verlustabzugsmöglichkeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG auch dann, wenn die Tätigkeit innerhalb der ausländischen Betriebsstätte in der Bewirkung gewerblicher Leistungen besteht und diese Leistungen nicht bestimmten ―in § 5 AIG selbst aufgeführten― steuerschädlichen Bereichen zuzuordnen sind. "Bewirkung gewerblicher Leistungen" in diesem Sinne ist jedoch nicht jegliche Tätigkeit, die zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt. Vielmehr meint das Gesetz hiermit nur solche Tätigkeiten, die nicht in der Herstellung oder Lieferung von Wirtschaftsgütern bestehen (ebenso Probst in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, 6. Aufl., § 2a EStG Rz. 171; ähnlich Frotscher, a.a.O., § 2a Rz. 40; Mössner, a.a.O., § 2a Rdnr. C 15). Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Der Begriff "Bewirken gewerblicher Leistungen" umfasst bei isolierter Betrachtung u.a. den gesamten Bereich des Handels, und zwar nicht nur den Warenhandel, sondern auch den Handel mit Grundstücken und mit immateriellen Wirtschaftsgütern. In diesem Sinne ist er jedoch in § 5 AIG ersichtlich nicht gemeint. Der Gesetzgeber hat vielmehr den Handel mit anderen Gegenständen als Waren gerade von der Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG ausnehmen wollen. Die von ihm gewählte Beschränkung der Begünstigung des Handelsbereichs auf die "Lieferung von Waren" ginge ins Leere, wenn der Handel mit allen übrigen Wirtschaftsgütern als "Bewirken gewerblicher Leistungen" letztlich doch in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen würde. § 5 Satz 1 AIG ist deshalb so zu lesen, dass er als "gewerbliche Leistungen" nur diejenigen erfasst, die nicht "Lieferungen" sind.
bb) Im Streitfall stellt sich die Tätigkeit der S als Handelstätigkeit im Sinne von "Liefergeschäften" dar. S hat nach den Feststellungen des FG die erworbenen Immobilien lediglich aufgeteilt und weiterveräußert. Das angefochtene Urteil bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass sie darüber hinaus ―entweder den Erwerbern oder Dritten gegenüber― zusätzliche, von den Lieferungen abzugrenzende Leistungen erbracht hätte. Jedenfalls hat sie solche Leistungen nicht, wie § 5 Satz 1 AIG es verlangt, ausschließlich oder fast ausschließlich erbracht. Damit fehlt es an "gewerblichen Leistungen" der S, die den Klägern den Verlustabzug nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG eröffnen könnten. Ein solcher Verlustabzug scheidet mithin unabhängig davon aus, ob die Geschäfte der S der Errichtung oder dem Betrieb von dem Fremdenverkehr dienenden Anlagen zugeordnet werden können und unter diesem Gesichtspunkt steuerschädlich sind. Den hierüber bestehenden Streit zwischen den Beteiligten muss der Senat deshalb nicht entscheiden.
4. Im Ergebnis haben FA und FG den Klägern demnach eine Feststellung des Inhalts, dass die Verluste aus der Beteiligung an der S nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG abziehbar seien, mit Recht verwehrt. Die Revision der Kläger muss deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen werden. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf den Vortrag des FA, dass es den Klägern an einer Gewinnerzielungsabsicht gefehlt habe und dass sie zudem innerhalb der S weder Mitunternehmerinitiative hätten entfalten können noch ein Mitunternehmerrisiko getragen hätten. Denn hieraus könnte sich allenfalls ergeben, dass das FG das FA zu Unrecht zur Feststellung von nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG berücksichtigungsfähigen Verlusten verpflichtet hat. In diesem Sinne könnte der Senat indessen ohnehin nicht erkennen, da das FA keine Revision eingelegt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 653725 |
BFH/NV 2002, 91 |
BStBl II 2003, 48 |
BFHE 196, 248 |
BFHE 2002, 248 |
BB 2001, 2630 |
BB 2002, 131 |
DB 2001, 2696 |
DStRE 2002, 234 |
HFR 2002, 283 |
StE 2001, 729 |