Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsenabzug bei nachträglicher Änderung des Darlehenszwecks
Leitsatz (NV)
Wird eine mit einem Bausparkassendarlehen finanzierte Eigentumswohnung, die der Erzielung von Vermietungseinkünften diente, veräußert und der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung des Restdarlehens eingesetzt, sondern festverzinslich angelegt, können die für das fortgeführte Darlehen aufgewendeten Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig sein, sofern das überlassene Kapital im Einvernehmen mit dem Darlehensgeber dem neuen Zweck dient.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die Klägerin erzielte bis zum 31. Juli 1977 u. a. Vermietungseinkünfte aus einer Eigentumswohnung, zu deren Anschaffung sie ein Bausparkassendarlehen aufgenommen hatte. Zum 1. August 1977 veräußerte sie die Wohnung und legte den Erlös auf einem Sparkonto festverzinslich an. Das Bausparkassendarlehen, das sich beim Verkauf noch auf ca. . . . DM belief, wurde nicht getilgt. Die für das verbliebene Bausparkassendarlehen in der Zeit nach der Veräußerung bis zum Ende des Streitjahrs angefallenen Schuldzinsen setzten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte den Werbungskostenabzug nicht an und setzte die Einkommensteuer 1977 entsprechend fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit Bescheid vom 20. Juli 1984 erhöhte das FA - aus hier nicht maßgeblichen Gründen - die Einkommensteuer auf . . . DM. Diesen Bescheid haben die Kläger zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Urteil vom 25. Juni 1987 X 134/81 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 68) und setzte die Einkommensteuer auf . . . DM herab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt vor, die Schuldzinsen seien nicht durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen veranlaßt. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einer Schuld und einer Einkunftsart nur dann, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf wirtschaftliche Vorgänge zurückzuführen sei, die die Einkünfte der bestimmten Einkunftsart beträfen. Es sei demnach allein auf den Grund für die Schuldaufnahme im konkreten Fall abzustellen. Allein durch die zinsgünstige Anlage des Verkaufserlöses könne kein neuer wirtschaftlicher Zusammenhang geschaffen worden sein. Außerdem habe es das FG unterlassen, sich objektive und erkennbare Merkmale und Kriterien aufzeigen zu lassen, die geeignet gewesen wären, die angebliche Motivation der Klägerin nach außen deutlich zu machen. Zwischen Bausparkasse und Klägerin hätten nach dem Verkauf der Wohnung keinerlei Verhandlungen oder dergleichen stattgefunden, so daß ein Nachweis objektiver Art nicht habe erbracht werden können.
Die Kläger tragen vor, daß die Motivation der Klägerin nicht habe besonders deutlich gemacht werden müssen. Wegen der Besicherung des Bausparkassendarlehens auf einem anderen Grundstück seien auch vom praktischen Ablauf her keine Verhandlungen mit der Bausparkasse zu führen gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Schuldzinsen nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beurteilt werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Beendigung der Vermietung und Verpachtung entfallen, keine nachträglichen Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Sie sind Gegenleistung für die Überlassung eines Kapitals, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dient (vgl. BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; vom 26. Februar 1985 VIII R 59/83, BFH/NV 1985, 69).
2. Die Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu behandeln sind.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Das gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).
a) Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Darlehenszinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen ist immer dann zu bejahen, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934 m. w. N.).
Für diese Beurteilung ist auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Besteht dieser Zweck darin, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen, und werden die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet, dann sind die Kreditkosten Werbungskosten im Rahmen dieser Einkunftsart (vgl. BFH-Urteile vom 15. Januar 1980 VIII R 70/78, BFHE 130, 147, BStBl II 1980, 348; vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; vom 19. Januar 1982 VIII R 150/79, BFHE 135, 193, BStBl II 1982, 321; vom 9. August 1983 VIII R 35/80, BFHE 139, 253, BStBl II 1984, 27; vom 8. Oktober 1985 VIII R 234/84, BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596; Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Das bedeutet jedoch nicht, daß für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten allein auf den ursprünglichen mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck und damit ausschließlich auf die (erstmalige) Verwendung der Darlehensvaluta abzustellen wäre. Wird die mit den Darlehensmitteln zunächst angeschaffte Kapitalanlage - z. B. wie im Streitfall eine Eigentumswohnung - veräußert und mittels des Veräußerungserlöses eine andere Kapitalanlage erworben, dann können die für das aufrechterhaltene Darlehen gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei der neuen Kapitalanlage berücksichtigungsfähig sein (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1985, 69). Es muß aber Einvernehmen zwischen den Parteien des Darlehensvertrages darüber bestehen, daß das dem Darlehensnehmer überlassene Kapital dem neuen Zweck dienen soll.
b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze können die von der Klägerin geleisteten Schuldzinsen entgegen der Annahme des FG nicht schon deshalb den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet werden, weil die Klägerin den Verkaufserlös festverzinslich anlegte.
Mit der erstmaligen Verwendung der Darlehensvaluta wird die Darlehensverbindlichkeit einem bestimmten Zweck unterstellt. Dieser Zweck bleibt - sofern das Darlehen nicht vorher abgelöst wird - solange bestehen, bis der mit Hilfe des Darlehens angeschaffte Vermögensgegenstand veräußert wird. Durch die Veräußerung erledigt sich im Regelfall der Zweck der Darlehensaufnahme und das Darlehen ist zu tilgen.
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der den Schuldzinsen zugrunde liegenden Verbindlichkeit mit einer neuen Kapitalanlage ist nur hergestellt, wenn die zu ihrer Anschaffung verwendeten Mittel als zu diesem Zweck darlehensweise überlassen angesehen werden können. Das ist etwa der Fall, wenn der Darlehensnehmer nach Erledigung des Darlehenszwecks dem Darlehensgeber mitteilt, daß er das ursprüngliche Darlehen nicht - wie vereinbart - zurückführen, sondern zu anderen Zwecken verwenden wolle, und dieser ausdrücklich zustimmt oder zumindest nicht widerspricht, so daß von seinem stillschweigenden Einverständnis ausgegangen werden kann.
Das FG hat keine Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, ob im vorgenannten Sinne eine die Begründung der Festgeldanlage umfassende neue Darlehensvereinbarung oder - was auch möglich wäre - eine die ursprüngliche Vereinbarung ändernde Vereinbarung zustande gekommen ist. Für das Vorliegen einer solchen Vereinbarung würde sprechen, wenn die Kreditinstitute im Hinblick auf die Verwendung des Verkaufserlöses etwa bisher an der Eigentumswohnung eingeräumte Sicherheiten aufgeben und dafür andere Sicherheiten angenommen hätten; das gilt insbesondere dann, wenn sich diese Sicherheiten unmittelbar oder mittelbar auf das festverzinslich angelegte Geld stützen würden.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen und hat deshalb für die Entscheidung des Streitfalls maßgebliche Umstände nicht ermittelt. Deshalb ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es ist Aufgabe des FG, die notwendigen Feststellungen zu treffen. Zu diesem Zweck wird die Sache an das FG zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 417522 |
BFH/NV 1991, 734 |