Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbindlichkeiten aufgrund eines Vertrages zwischen Angehörigen
Leitsatz (NV)
Verbindlichkeiten aufgrund eines Vertrages zwischen Angehörigen sind nur dann abziehbar, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustandegekommen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten - abgesehen von ihrem möglicherweise zwischen Fremden nicht üblichen Entstehungsgrund (Schenkung) - dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.
Normenkette
BewG § 103 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhielt in den Streitjahren in der Rechtsform einer KG einen Großhandelsbetrieb. Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren A und sein Vater B - beide als persönlich haftende Gesellschafter - sowie C - Ehefrau des B und Mutter des A - als Kommanditistin. Der Gesellschafter B ist am 17. November 1982 gestorben und von A und C zu gleichen Teilen beerbt worden.
Die Klägerin führte für ihre Gesellschafter zwei Konten: Ein Kapitalkonto I als Festkonto und ein bewegliches Konto, das sog. Kapitalkonto II. Auf dem Kapitalkonto I war während der Streitjahre unverändert für die Gesellschafter ein Beteiligungskapital in folgender Höhe ausgewiesen:
A 45 000 DM,
B 7 500 DM,
C 7 500 DM.
Das Kapitalkonto II erfaßte die laufenden Veränderungen infolge Entnahmen, Einlagen und Ergebnisgutschriften. Guthaben und Schulden der Gesellschafter auf dem Kapitalkonto II waren mit jeweils 6 v. H. nachträglich zu verzinsen.
Die Klägerin schloß mit den Gesellschaftern am 30. Dezember 1974 eine Vereinbarung, nach der von den Kapitalkonten II der Gesellschafter mit Wirkung vom 30. Dezember 1974 jeweils Teilbeträge von 60 000 DM auf die besonders zu errichtenden Darlehenskonten zu ihren Gunsten umgebucht werden müssen. Als Grund für die Konstituierung der besonderen Darlehensforderungen der Gesellschafter wurde ,,die spätere Abtretung" an andere Personen angegeben.
Die Laufzeit der Darlehen betrug zehn Jahre. Wird ein Darlehen nicht spätestens am 30. Juni 1984 gekündigt, so verlängert sich seine Laufzeit um jeweils weitere zwei Jahre, mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Die Darlehen werden jährlich nachträglich mit 2 v. H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank verzinst.
Der Klägerin ist als Darlehensschuldnerin gestattet, auf die Darlehen jährlich eine Tilgungsleistung in Höhe von 10 v. H. des Ursprungsbetrags nach Ankündigung mit einer Frist von mindestens drei Monaten zu tilgen. Sofern in vergangenen Geschäftsjahren von der Klägerin Tilgungsmöglichkeiten ganz oder teilweise nicht in Anspruch genommen worden sind, können die unterlassenen Tilgungen in einem späteren Jahr in entsprechendem Umfang nachgeholt werden.
Die Darlehensgläubiger haben das Recht, die Darlehensforderung ganz oder teilweise vor Ablauf der Laufzeit mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres zu kündigen, wenn die im Zeitpunkt der Vereinbarung beteiligten Gesellschafter oder deren Abkömmlinge nicht mehr im Umfang von mindestens 50 v. H. am Unternehmen der Klägerin beteiligt sind. Fristlos können die Darlehen gekündigt werden, falls die Klägerin ein Konkurs- oder Vergleichsverfahren anmeldet oder sonst insolvent ist.
Ein Anspruch auf Sicherung der Darlehensforderung besteht zunächst nicht. Stellt die Klägerin anderen Gläubigern Sicherheiten, hat ein Darlehensgläubiger ebenfalls ,,Anspruch auf Stellung einer Sicherheit im angemessenen und relativen Umfang, wie sie einem Drittgläubiger eingeräumt worden ist". Kommt die Klägerin dem berechtigten Verlangen auf Gestellung von Sicherheiten nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach, so besteht ein Recht zur fristlosen Kündigung.
Die Gesellschafter traten ihre Darlehensforderungen am 30. Dezember 1974 - also noch am Tag, an dem die Darlehensvereinbarung mit der Klägerin geschlossen worden ist - zu gleichen Teilen an die Töchter X, Y, Z des Gesellschafters A schenkweise ab. Die Kinder waren damals 15, 14 und 8 Jahre alt. Die Drittelteile der Darlehensforderungen wurden - vereinbarungsgemäß - in der Weise vereinigt, daß die Kinder je eine einheitliche Darlehensforderung in Höhe von 60 000 DM erhielten.
Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr 1981 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Abtretung der Darlehensforderungen an die Kinder des Gesellschafters A steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei und die Darlehensverbindlichkeiten bei der Klägerin nicht als Schuldposten abgezogen werden könnten. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) und änderte die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1976, 1. Januar 1977, 1. Januar 1978, 1. Januar 1980 und 1. Januar 1981.
Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage der Klägerin erkannte das Finanzgericht (FG) die Darlehensverbindlichkeiten als Schuldposten an und setzte die Einheitswerte entsprechend herab.
Das FG führt aus: Aufgrund der Schenkungsvereinbarung vom 30. Dezember 1974 seien die Darlehensforderungen der Gesellschafter rechtswirksam auf die Kinder des Gesellschafters A übergegangen. Die Abtretung der Darlehensforderungen habe bürgerlich-rechtlich und wirtschaftlich zu einem Wandel geführt. Dagegen könne nicht eingewandt werden, daß die Kinder nach dem Willen der Gesellschafter zeitlich begrenzte Beschränkungen hinsichtlich der Verfügung über die ihnen zugewendeten Darlehensforderungen hinnehmen mußten. Denn die Vereinbarung über die Abtretung der Darlehensforderungen enthalte keine Bestimmung, die den Inhalt der Forderungen regle oder ihre rechtliche Handhabung gestalte. Insoweit sei den Kindern die Möglichkeit genommen, auf die Gestaltung der Darlehensbedingungen Einfluß zu nehmen. Sie hätten lediglich die für die zuwendenden Gesellschafter bereits bestehende Rechtsposition erhalten. Unter diesen Umständen könne der Abzug der Darlehensverbindlichkeiten als Schuldposten, wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Mai 1984 VIII R 35/84 (BFHE 142, 28, BStBl II 1985, 243) ergebe, selbst dann nicht verneint werden, wenn es angesichts der Laufzeit der Darlehen zwischen Fremden unüblich sei, sie ohne Sicherheiten zu gewähren.
Die Darlehensverträge seien wie vereinbart durchgeführt worden. Die Zinserträge aufgrund der Darlehensforderungen seien zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt überwiesen und den Sparkonten der Kinder gutgeschrieben worden. Dort seien sie angesammelt oder zur Anschaffung von Wertpapieren für die Kinder verwendet worden. Die Zinszahlungen seien damit bei den Kindern zur Vermögensbildung verblieben und hätten nicht etwa Unterhaltsleistungen ersetzt.
Bei dieser Sachlage könne die Anerkennung des Darlehens-Abtretungsvertrages auch nicht unter Hinweis darauf verweigert werden, daß die Darlehensforderungen zu langfristig oder nicht hinreichend abgesichert seien. Die Sicherungsmöglichkeiten der Darlehensgläubiger müßten bei umfassender Würdigung der Modalitäten als hinreichend angesehen werden. Insoweit sei zu beachten, daß die Kinder nicht grundsätzlich und generell von einer Absicherung ausgeschlossen, sondern nur mit anderen - vergleichbaren - Darlehensgläubigern gleichgestellt worden seien.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung von § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Die Darlehensverbindlichkeiten seien rechtsfehlerhaft als Schuldposten abgezogen worden. Die Darlehensverhältnisse seien steuerrechtlich nicht anzuerkennen, weil die drei Darlehensforderungen von je 60 000 DM ohne Sicherheiten hingegeben worden seien, was unter fremden Dritten nicht üblich gewesen wäre. Ein fremder Dritter hätte sich bei Hingabe eines Betrages von 60 000 DM - unkündbar auf 10 Jahre - nicht darauf eingelassen, daß ihm hierfür keine Sicherheit gegeben wird. Dieser Mangel werde auch nicht durch die vertraglich vereinbarte Möglichkeit einer späteren Einräumung von Sicherheiten ausgeglichen.
Die Klägerin hält daran fest, daß die Darlehensverbindlichkeiten bei der Einheitsbewertung als Schuldposten abzusetzen sind. Nach § 97 BewG gehörten alle Wirtschaftsgüter, die in einem Betrieb einer KG gesamthänderisch gebunden sind, zum Betriebsvermögen. Dies gelte grundsätzlich auch für Betriebsschulden einer KG, weil sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit deren gewerblichem Betrieb stehen.
Der Fremdvergleich stehe der Abziehbarkeit der Darlehensverbindlichkeiten nicht entgegen. Ein fremder Dritter hätte sich sicherlich nicht geziert, eine Darlehensforderung in der Qualität des Streitfalls anzunehmen.
Die Auffassung des FA, die Darlehensforderungen zwischen Klägerin und Gesellschaftern seien zu dem Zweck gegründet worden, sie an die Kinder eines Gesellschafters abzutreten, sei unzutreffend. Die Darlehensforderungen der Gesellschafter bestünden nämlich bereits seit Gründung der Gesellschaft durch den Gesellschaftsvertrag vom 10. November 1960. Von den bestehenden Gesellschafterdarlehen seien lediglich Teilbeträge abgespalten, modifiziert und abgetreten worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 103 Abs. 1 BewG können bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens Schulden nur insoweit abgezogen werden, als sie mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die das Betriebsvermögen betreffen (BFH-Urteil vom 28. Januar 1972 III R 108/70, BFHE 104, 563, BStBl II 1972, 414). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
Handelt es sich um außerbetrieblich begründete Verpflichtungen des Unternehmers oder des Mitunternehmers, fehlt der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang i. S. des § 103 Abs. 1 BewG (Gürsching / Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 103 BewG Anm. 9 und 14 m. w. N.).
Ob eine Betriebsschuld vorliegt, ist im Regelfall nach denselben Grundsätzen zu entscheiden, die auch für die Gewinnermittlung maßgebend sind (Rössler / Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 15. Aufl., § 103 BewG Anm. 6). Verbindlichkeiten aufgrund eines Vertrages zwischen Angehörigen sind daher nur dann abziehbar, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustandegekommen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten - abgesehen von ihrem möglicherweise zwischen Fremden nicht üblichen Entstehungsgrund (Schenkung) - dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.
Die Darlehensverträge zwischen der Klägerin und den Kindern bzw. Enkeln der Gesellschafter A, B und C entsprechen dem, was unter Fremden üblich ist. Wegen der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Gründe seines Urteils in der Sache VIII R 134/86 (BFHE 163, 438) vom heutigen Tag.
Fundstellen
Haufe-Index 417526 |
BFH/NV 1991, 581 |