Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiger nichtrechtsfähiger Verein - Besteuerung von Festveranstaltungen der Freiwilligen Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen - Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr
Leitsatz (amtlich)
1. Der Charakter der Freiwilligen Feuerwehr als öffentliche Einrichtung ihrer nordrhein-westfälischen Trägergemeinde schließt es nicht aus, daß ihre Mitglieder einen nichtrechtsfähigen Verein bilden.
2. Einem solchen Verein ist die anläßlich eines Festes der Freiwilligen Feuerwehr ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit zuzurechnen, wenn die Tätigkeit finanziell nicht über den Gemeindehaushalt, sondern über eine Kameradschaftskasse abgewickelt wird.
Orientierungssatz
Ein körperschaftssteuerpflichtiger nichtrechtsfähiger Verein kann angenommen werden, wenn sich die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr einer organisierten Willensbildung unterwerfen und sich zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammenschließen, der über die gesetzlichen Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr als gemeindliche Einrichtung hinausgeht (Ausführungen zu Veranstaltungen von Feuerwehrfesten, Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung als Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr, wogegen die Kameradschaftspflege Aufgabe der auf zivilrechtlicher Basis zusammengeschlossenen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ist).
Normenkette
FeuerschG NW 1975 § 16; KStG 1984 § 1 Abs. 1 Nrn. 5-6, § 4
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 10.05.1994; Aktenzeichen 13 K 2366/93) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die örtliche Löschgruppe S der Freiwilligen Feuerwehr der nordrhein-westfälischen Stadt K. Unter der Bezeichnung "Tag der offenen Tür" veranstaltet sie jährlich ein Feuerwehrfest. Das Fest dient der Selbstdarstellung und der Mitgliederwerbung. Während der Veranstaltung verkauft die Klägerin Speisen und Getränke (wirtschaftliche Tätigkeit). Im Streitjahr 1989 erzielte sie dadurch --wie auch in den Vorjahren-- einen Gewinn, den sie zur Anschaffung feuerwehrtechnischer Geräte, für ihre Jugendfeuerwehr und die Kameradschaftspflege verwendete.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, die Klägerin unterliege als nichtrechtsfähiger Verein (Feuerwehrkameradschaft) mit dem durch die wirtschaftliche Tätigkeit erzielten Einkommen der Körperschaftsteuer, weil sie als Veranstalterin des Festes aufgetreten sei und das Fest finanziell über ihre Kameradschaftskasse abgewickelt habe. Das FA erließ einen entsprechenden, auf geschätzte Besteuerungsgrundlagen gestützten Körperschaftsteuerbescheid.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 20. Februar 1991 6 K 57/86 K, G (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1991, 752) geltend machte, sie unterliege nicht der Besteuerung, hatte nur insoweit Erfolg, als das FG die Steuer herabsetzte. Im übrigen folgte das FG der Auffassung des FA (vgl. EFG 1996, 603).
Mit ihrer vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das angefochtene FG-Urteil sowie den Körperschaftsteuerbescheid 1989 vom 19. Januar 1991 und die Einspruchsentscheidung vom 29. April 1993 aufzuheben, hilfsweise, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Klägerin ist als nichtrechtsfähiger Verein i.S. des § 1 Abs.1 Nr.5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) mit dem durch die wirtschaftliche Tätigkeit erzielten Einkommen körperschaftsteuerpflichtig.
1. Klägerin ist die zivilrechtliche Personenvereinigung, an die das FA unter der Bezeichnung Freiwillige Feuerwehr K.-S. den angefochtenen Bescheid gerichtet hat. Das FA hat weder das unter derselben Bezeichnung bestehende öffentlich-rechtliche Gebilde noch die Stadt K als juristische Person des öffentlichen Rechts mit einem Betrieb gewerblicher Art i.S. der §§ 1 Abs.1 Nr.6, 4 Abs.1 Satz 1 KStG der Körperschaftsteuer unterworfen. Auf die von den Beteiligten erörterte Frage, ob ein Betrieb gewerblicher Art oder ein Hoheitsbetrieb (§ 4 Abs.5 KStG) vorliegt, kommt es nicht an. FA und FG haben die wirtschaftliche Tätigkeit zutreffend der Klägerin zugerechnet.
2. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Mitglieder der Löschgruppe einen nichtrechtsfähigen Verein i.S. des § 1 Abs.1 Nr.5 KStG bilden konnten.
a) Die Begriffe des nichtrechtsfähigen Vereins in § 1 Abs.1 Nr.5 KStG und in § 54 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind identisch (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 420, BStBl II 1984, 751, 759). Demzufolge knüpft § 1 Abs.1 Nr.5 KStG die Körperschaftsteuerpflicht formell und strukturell an die zivilrechtliche Rechtsform einer Personenvereinigung (BFH-Urteil vom 4. November 1958 I 141/57 U, BFHE 68, 130, BStBl III 1959, 50). Ein nichtrechtsfähiger Verein i.S. des § 54 BGB ist eine Vereinigung ohne Rechtsfähigkeit, zu der sich Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammenschließen und einer organisierten Willensbildung unterwerfen.
b) Danach können die Mitglieder einer Löschgruppe der Freiwilligen Feuerwehr einen solchen Verein bilden. Das Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen (FSHG) vom 25. Februar 1975 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen --GVBl NW-- 1975, 182) steht dem nicht entgegen.
Die Freiwillige Feuerwehr ist zwar eine öffentliche Feuerwehr (§ 5 Abs.1 FSHG) und eine Einrichtung der Gemeinde (§ 7 Abs.2 Satz 1 FSHG). Neben diesem Gebilde mit öffentlich-rechtlichem Charakter kann aber ein Verein bestehen. Von dieser Möglichkeit geht auch § 16 FSHG aus. Nach dieser Vorschrift betreuen die gemeinnützigen Verbände der Angehörigen der Feuerwehren (Feuerwehrverbände) ihre Mitglieder, pflegen die Kameradschaft innerhalb der Feuerwehren sowie die Tradition der Feuerwehren, fördern die Ausbildung und wirken bei der Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung mit. Entsprechendes gilt in anderen Bundesländern. So bestimmt § 10 Abs.6 des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes vom 7. Januar 1992 (GVBl für das Land Thüringen 1992, 23), daß zur Förderung des Feuerwehrgedankens Vereine oder Verbände gebildet werden können, die keinen Namen führen dürfen, der zu einer Verwechslung mit der Feuerwehr als gemeindlicher Einrichtung führen kann.
c) Nach diesen Grundsätzen kann ein Verein angenommen werden, wenn sich die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr einer organisierten Willensbildung unterwerfen und sich zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammenschließen, der über ihre Dienstpflichten (§ 9 FHSG) und damit über die gesetzlichen Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr als gemeindliche Einrichtung hinausgeht.
3. Im Streitfall ist die tatsächliche Würdigung des FG, daß die Mitglieder der Löschgruppe einen nichtrechtsfähigen Verein gebildet haben, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Einwand der Klägerin, es seien nur Zwecke verfolgt worden, die sich noch im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr hielten, bleibt ohne Erfolg.
a) Zu den Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr, die die Annahme eines nichtrechtsfähigen Vereins denknotwendig ausschließen, gehören die Bekämpfung von Schadenfeuer sowie die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und bei bestimmten öffentlichen Notständen (§ 1 Abs.1 FSHG) und ferner die Jugendfeuerwehr (§ 7 Abs.2 Satz 2 FSHG). Hiervon werden, wie auch das FG angenommen hat, Feuerwehrfeste umfaßt, die der Öffentlichkeitsarbeit und der Mitgliederwerbung dienen.
b) Etwas anderes gilt aber schon in bezug auf die Kameradschaftspflege. Nach den Feststellungen des FG, die den Senat in tatsächlicher Hinsicht binden (§ 118 Abs.2 FGO), hat die Klägerin auch die Kameradschaft gepflegt und für diesen Zweck eine Kameradschaftskasse eingerichtet sowie jeweils einen Teil der Überschüsse aus den jährlichen Festen verwendet. Es ist weder vom FG festgestellt noch sonst ersichtlich, daß die Kameradschaftspflege in Nordrhein-Westfalen zu den Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr als Einrichtung der Gemeinde gehört. Aus der bereits erwähnten Vorschrift des § 16 FSHG, auf die sich die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des FG Düsseldorf in EFG 1991, 752 berufen hat, läßt sich ableiten, daß die Kameradschaftspflege Aufgabe der auf zivilrechtlicher Basis zusammengeschlossenen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ist.
c) Das FG hat seine Entscheidung auch zu Recht darauf gestützt, daß die Klägerin anläßlich der jährlichen Feste eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt und die Einnahmen sowie Ausgaben über ihre Kameradschaftskasse abgewickelt hat. Eine solche Ausübung und Abwicklung einer wirtschaftlichen Tätigkeit anläßlich eines Feuerwehrfestes überschreitet die gesetzlichen Aufgaben, die der Freiwilligen Feuerwehr nach dem FSHG als gemeindliche Einrichtung obliegen.
4. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist körperschaftsteuerlich nicht der Stadt K, sondern der Klägerin zuzurechnen.
a) §§ 1 Abs.1 Nr.6, 4 Abs.1 Satz 1 KStG setzen u.a. voraus, daß die juristische Person des öffentlichen Rechts den Betrieb gewerblicher Art unterhält bzw. führt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 28. Februar 1990 I R 137/86, BFHE 160, 187, BStBl II 1990, 647). Insoweit sind auch die haushaltsrechtlichen Vorschriften maßgeblich, denen eine Gemeinde unterliegt (s. BFH-Urteil in BFHE 160, 187, BStBl II 1990, 647). Gleiches gilt für die im Streitfall allein zu beurteilende Frage, ob die "nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" (§ 4 Abs.1 Satz 1 KStG) der Stadt K zuzurechnen ist.
b) Diese Zurechnung ist nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften, denen die Stadt in bezug auf die Freiwillige Feuerwehr als öffentliche Einrichtung unterliegt, ausgeschlossen.
Sondervermögen der Gemeinde sind u.a. die öffentlichen Einrichtungen, für die aufgrund gesetzlicher Vorschriften Sonderrechnungen geführt werden (§ 82 Abs.1 Nr.3 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen --GemO NW-- i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. August 1984, GVBl NW 1984, 475). Für diese Sondervermögen sind Sonderkassen einzurichten (§ 84 Satz 1 GemO NW) und nur die in § 82 Abs.3 GemO NW genannten Vorschriften über die Haushaltswirtschaft sinngemäß anwendbar. Die Freiwillige Feuerwehr ist keine öffentliche Einrichtung i.S. des § 82 Abs.1 Nr.3 GemO NW, weil für sie aufgrund des FSHG keine Sonderrechnung geführt wird; deshalb ist für sie auch keine Sonderkasse einzurichten.
Daraus folgt, daß wirtschaftliche Tätigkeiten anläßlich von Veranstaltungen der Freiwilligen Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen körperschaftsteuerlich nicht ohne weiteres den Trägergemeinden zugerechnet werden können. Das FA hat in diesem Zusammenhang zu Recht hervorgehoben, daß im FSHG eine dem § 18a des Feuerwehrgesetzes des Landes Baden-Württemberg (eingefügt durch Gesetz vom 8. Mai 1989, GVBl für das Land Baden-Württemberg 1989, 142) entsprechende Vorschrift fehlt. Nach dieser Vorschrift kann die Gemeinde durch Satzung für die Feuerwehr Sondervermögen für die Kameradschaftspflege und die Durchführung von Veranstaltungen mit der Folge bilden, daß die Gemeinde Veranstalter ist, wenn eine Veranstaltung nach Maßgabe des Wirtschaftsplans über das Sondervermögen abgewickelt wird.
c) Ebensowenig sind im Streitfall die Voraussetzungen gegeben, unter denen die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin ausnahmsweise der Stadt K zugerechnet werden könnte. Die Einnahmen und Ausgaben sind tatsächlich nicht über den (allgemeinen) Haushalt der Stadt abgewickelt worden. Soweit das FG Düsseldorf (Urteil in EFG 1991, 752) auf eine solche Abwicklung verzichtet hat, ist dies mit dem Haushaltsrecht unvereinbar. Es kann deshalb auch unentschieden bleiben, ob bei einer anderweitigen haushaltsrechtlichen Abwicklung --unter Berücksichtigung sämtlicher Feste der Löschgruppen und - züge-- ein Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 4 Abs.1 Satz 1 KStG oder ein Hoheitsbetrieb der Stadt K vorläge.
5. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid ist danach rechtmäßig.
Fundstellen
Haufe-Index 65843 |
BFH/NV 1997, 234 |
BStBl II 1997, 361 |
BFHE 182, 195 |
BFHE 1997, 195 |
BB 1996, 876 (Leitsatz) |
DB 1997, 1163-1164 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 415-416 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 410-411 (Leitsatz) |
StE 1997, 254-255 (Kurzwiedergabe) |
WPg 1997, 436 (Leitsatz) |
StRK, R.17 (Leitsatz und Gründe) |
FR 1997, 385-386 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0141241 |
SteuerBriefe 1997, 12 |
GStB 1997, Beilage zu Nr 7 (Leitsatz) |
NWB 1997, 1277 |
BFH/NV BFH/R 1997, 234-235 (Leitsatz und Gründe) |
NWB-DokSt 1998, 685 |
StSem 1998 |