Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbleibensvoraussetzung im Fall der Verpachtung
Leitsatz (NV)
Errichtet und verpachtet eine Gemeinde ein Musikschulgebäude an einen Verein, so steht ihr dafür eine Beschäftigungszulage nach § 4b InvZulG 1982 nicht zu, wenn das Gebäude den Mitgliedern des Vereins im Rahmen eines steuerbefreiten Zweckbetriebes überlassen wird.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b; AO 1977 §§ 64-65; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gemeinde, errichtete in den Jahren 1982 bis 1984 ein Musikschulgebäude. Nach Fertigstellung wurde das Gebäude im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (§ 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) von der Klägerin an die Jugendmusikschule G e. V. verpachtet.
Mit ihren Anträgen auf Gewährung einer Investitionszulage begehrte die Klägerin für die in den Jahren 1982 bis 1984 aufgewandten Herstellungskosten des Gebäudes von insgesamt . . . DM Investitionszulagen nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 (sog. Beschäftigungszulage).
Der Beklagte und Revisionkläger (das Finanzamt - FA -) lehnte diese Anträge unter Hinweis auf Tz. 39 und 40 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16. Juni 1982 (BStBl I 1982, 569) ab.
Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, das von der Klägerin verpachtete Gebäude werde nahezu ausschließlich im Rahmen eines Zweckbetriebes i. S. des § 65 der Abgabenordnung (AO 1977) genutzt. Es sei damit in einem inländischen Betrieb verblieben.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FA hat die Investitionszulage nach § 4b Abs. 1 InvZulG 1982 zu Recht versagt.
a) Nach dieser Vorschrift wird Steuerpflichtigen für ,,begünstigte Investitionen" auf Antrag eine Investitionszulage gewährt, die sie in einem Betrieb oder einer Betriebstätte im Inland vornehmen. Als begünstigte Investitionen führt § 4b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982 u. a. die Herstellung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auf, soweit sie nicht Wohnzwecken dienen und mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung in einem Betrieb oder einer Betriebstätte im Inland verbleiben.
b) Im vorliegenden Fall liegt die Besonderheit vor, daß die Klägerin die Jugendmusikschule nicht selbst betreibt, sondern sie hat das Gebäude zur Verfolgung dieses Zwecks an einen Dritten langfristig verpachtet. Nach dem Urteil des Senats vom 14. Juli 1989 III R 29/88 (BFHE 157, 472, BStBl II 1989, 903) ist in derartigen Fällen langfristiger Verpachtung für die Frage, ob die Verbleibensvoraussetzungen erfüllt sind, auf die Verhältnisse beim Pächter abzustellen.
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 21. Februar 1986 III R 179/81 (BFHE 146, 325, BStBl II 1986, 493) weiter entschieden hat, ist die Verbleibensvoraussetzung im Fall der Nutzungsüberlassung nur dann erfüllt, wenn das Wirtschaftgut in einem Betrieb oder einer Betriebstätte des Mieters oder Pächters verbleibt, der ebenso wie der Investor Steuerpflichtiger i. S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder KStG ist. Insoweit gelten für den Nutzenden im Hinblick auf das Verbleiben des Wirtschaftsguts die gleichen Voraussetzungen, die der Investor nach § 4b Abs. 1 Satz 1 InvZulG zu erfüllen hat (vgl. auch Urteil in BFHE 157, 472, BStBl II 1989, 903; ferner Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Dezember 1989 III B 39/89, BFHE 159, 395, BStBl II 1990, 394). Diese Rechtsprechung führt im Ergebnis dazu, daß ein Investor für ein langfristig verpachtetes Wirtschaftsgut Anspruch auf Investitionszulage nur hat, wenn sie auch der Pächter, der an Stelle des Investors die Investition vorgenommen hätte, bekommen könnte.
2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das Musikschulgebäude wird von der Pächterin, der Jugendmusikschule G e. V., im Rahmen eines Zweckbetriebs i. S. des § 65 AO 1977 genutzt. Bei diesem Betrieb handelt es sich aber nicht um den Betrieb eines Steuerpflichtigen (§ 33 AO 1977) i. S. des EStG oder des KStG. Nach § 65 Nr. 1 AO 1977 ist ein Zweckbetrieb - worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat - zwar ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Dieser ist jedoch nach § 64 AO 1977 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit, so daß die Pächterin als Investor gemäß § 4b Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1982 keinen Anspruch auf Investitionszulage hätte.
3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; die Klage war daher abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416891 |
BFH/NV 1990, 673 |