Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand bei Umbau eines geschenkten Einfamilienhauses in ein Zweifamilienhaus; Zurechnung des Nutzungswerts bei an einer Wohnung vorbehaltenem Wohnrecht; eingeschränkter Werbungskostenabzug; zur dauernden Last
Leitsatz (NV)
1. Wird ein Einfamilienhaus durch einen Anbau und weitere Eingriffe in die Bausubstanz in ein Zweifamilienhaus umgebaut, so liegt bei allen Aufwendungen kein sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand, sondern nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung zu berücksichtigender Herstellungsaufwand vor, wenn es sich um eine einheitliche Baumaßnahme handelt. Dasselbe gilt, falls das Haus gleichzeitig mit dem Anbau einer Generalüberholung oder umfassenden Modernisierung unterzogen wurde.
2. Schenken Eltern dem Sohn ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück unter dem Vorbehalt eines Wohnrechts an einer noch zu bildenden Dachgeschoßwohnung und benutzen sie das Haus auch während des Umbaus durch den Sohn weiter als Wohnung, so kann der Nutzungswert des Hauses bzw. der neuen Wohnung den Eltern zuzurechnen sein.
3. Der Sohn darf nur solche Aufwendungen sofort als Werbungskosten abziehen, die keinen Herstellungsaufwand bilden (vgl. Leitsatz 1) und die auf die eigengenutzte Wohnung entfallen.
4. Beim Sohn ist auch ein Abzug des Nutzungswerts der Wohnung der Eltern als dauernde Last ausgeschlossen. Für die auf diese Wohnung entfallenden Reparaturaufwendungen kommt eine dauernde Last mangels vertraglicher Verpflichtung nicht in Betracht.
Normenkette
AO 1977 § 164; EStG §§ 7b, 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 2, § 21a; EStDV 1979 § 82a; FGO § 118 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der verheiratete Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb durch notariellen Vertrag vom März 1980 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück unentgeltlich von seinem Vater. Dieser behielt sich und seiner Ehefrau an der noch zu bildenden Dachgeschoßwohnung ein im Grundbuch eingetragenes lebenslängliches Wohnrecht vor. Das Haus wurde damals von den Eltern des Klägers bewohnt, zu deren Haushalt auch der Kläger gehörte. In der Zeit vom März bis Oktober 1980 ließ der Kläger das Haus zu einem Zweifamilienhaus umbauen. Zunächst wurden ein Anbau errichtet und die in der Bauzeichnung des Architekten gelb markierten Wände herausgebrochen. Anschließend wurden die rot eingezeichneten Mauern im Erd- und Dachgeschoß eingezogen, so daß sich die Grundrisse wesentlich veränderten. Hiervon unbetroffen blieb nur das im Erdgeschoß gelegene Elternschlafzimmer. Andere Baumaßnahmen wie die Auswechslung des Fensters und das Verputzen der Heizungsrohre betrafen auch diesen Raum. Ferner wurden das Dach umgedeckt, Isolierfenster eingebaut, die Heizungsanlage und die gesamten Installationen sowie sanitäre Einrichtungen erneuert. Während des Umbaus bewohnten die Eltern das Erdgeschoßzimmer, wo sie auch die Mahlzeiten notdürftig mit einem Propangaskocher zubereiteten. Der Kläger nächtigte längere Zeit in der Garage. Die Möbel wurden im Keller untergestellt. Nach Abschluß der Bauarbeiten bezogen der Kläger und seine Ehefrau die Erdgeschoßwohnung, die Eltern des Klägers die Wohnung im Dachgeschoß.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 machte der Kläger vom Gesamtaufwand von mehr als 100 000 DM die auf den ,,Altbestand des Hauses" entfallenden Aufwendungen für Isolierfenster, Erneuerung der Heizungsanlage sowie Umdeckung des Daches in Höhe von insgesamt rund 17 000 DM als Erhaltungsaufwand geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem mit dem unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheid nicht, rechnete jedoch Aufwendungen in Höhe von ca. 4 000 DM den nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und 8 000 DM den nach § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) begünstigten Herstellungskosten zu.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Der Senat läßt unerörtert, inwieweit der unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Einkommensteuerbescheid vom FG zu überprüfen war (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 12. Februar 1985 IX R 114/83, BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690, Nr. 2 der Gründe). Denn das FG-Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil nicht hinreichend nachprüfbar ist, ob die Abgrenzung zwischen sofort als Werbungskosten abziehbarem Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand zutreffend vorgenommen wurde. Nach ständiger Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat beigetreten ist (vgl. die Urteile in BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690, und vom 5. November 1985 IX R 42/81, BFH/NV 1986, 157) liegen Herstellungskosten vor, wenn durch Baumaßnahmen das betroffene Gebäude wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder - von der üblichen Modernisierung abgesehen - über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wird. Dagegen ist in der Regel Erhaltungsaufwand gegeben bei Aufwendungen, welche die Wesensart des Gebäudes nicht verändern, es in ordnungsgemäßem Zustand erhalten sollen und regelmäßig in ungefähr gleicher Höhe wiederkehren. Das FG ist zwar offensichtlich davon ausgegangen, daß im Umbau eines Einfamilienhauses in ein Zweifamilienhaus eine Wesensänderung, mindestens aber eine wesentliche Werterhöhung des Gebäudes liegt. Nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. das Urteil vom 2. August 1983 VIII R 104/79, BFHE 139, 175, BStBl II 1983, 728, Nr. 2 der Gründe) ist aber Herstellungsaufwand außerdem auch gegeben, wenn die Aufwendungen, die für sich betrachtet teilweise Herstellungsaufwand und teilweise Erhaltungsaufwand wären, in einem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, so daß eine einheitliche Baumaßnahme anzunehmen ist. Letzteres hat hier das FG lediglich mit der unsubstantiierten Begründung verneint, daß die Aufwendungen an räumlich getrennten Stellen des Gebäudes vorgenommen und vom Herstellungsaufwand abgrenzbar seien. Andererseits drängt sich aufgrund der Feststellungen des FG der Schluß auf, daß der Kläger das Haus gleichzeitig mit dem Anbau einer Generalüberholung oder umfassenden Modernisierung unterzogen hat, die nach der Rechtsprechung insgesamt als Herstellungsaufwand zu werten ist (vgl. noch BFH-Urteil vom 10. Juni 1975 VIII R 114/71, BFHE 116, 469, BStBl II 1975, 878, Nr. II 1 der Gründe). Da dem FG-Urteil nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher Erwägungen es zu seinen rechtlichen Folgerungen gelangt ist, leidet es an einem Rechtsfehler, der auch ohne entsprechende Revisionsrüge zur Aufhebung und Zurückverweisung führen muß (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 1971 VIII R 37/68, BFHE 104, 277, BStBl II 1972, 349, und vom 19. Juni 1979 VIII R 69/77, BFHE 128, 319, BStBl II 1980, 17, Nr. 2 der Gründe).
Sollte das FG nach seiner erneuten Prüfung des Falles wiederum zu dem Ergebnis gelangen, daß die strittigen Aufwendungen - oder einzelne hiervon - des Klägers Erhaltungsaufwand bilden, wird es ferner zu berücksichtigen haben, daß nach der neueren Rechtsprechung des BFH in den Urteilen vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81 (BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627) und VIII R 166/80 (BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660) der Nutzungswert eines unter Vorbehalt eines Nießbrauchs oder Wohnrechts veräußerten Einfamilienhauses dem Nießbraucher oder Wohnberechtigten zuzurechnen ist, soweit er das Haus oder eine Wohnung weiterhin nutzt. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 21 a EStG bei Umbau eines Einfamilienhauses verweist der Senat auf seine Entscheidungen vom 23. Oktober 1984 IX R 45/81 (BFHE 142, 143, BStBl II 1985, 53) und vom 12. Februar 1985 IX R 43/82 (BFHE 143, 132, BStBl II 1985, 422). Für den Werbungskostenabzug des Klägers ist ferner bedeutsam, daß hierfür nach der neueren Rechtsprechung nur die Aufwendungen in Betracht kommen, die auf die eigengenutzte Wohnung entfallen (vgl. noch - zum obligatorischen Wohnrecht - die Senats-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390; vom 23. April 1985 IX R 39/81, BFHE 144, 362, BStBl II 1985, 720, und vom 6. August 1985 IX R 11/84, BFH/NV 1986, 326).
Ein Abzug des Nutzungswerts der von den Eltern genutzten Wohnung als dauernde Last kommt nach ständiger Rechtsprechung nicht in Betracht (vgl. außer BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660 das Senatsurteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610). Auch die Reparaturaufwendungen kann der Kläger jedenfalls mangels ersichtlicher vertraglicher Verpflichtung hierzu nicht als dauernde Last abziehen (BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610).
Fundstellen
Haufe-Index 414714 |
BFH/NV 1987, 147 |