Leitsatz (amtlich)
Ist ein Unternehmer aufgrund landesrechtlicher Regelung Schuldner der Fleischbeschaugebühren, so sind diese bei ihm auch dann keine durchlaufenden Posten, wenn die Gebührenrechnungen nicht ihm, sondern anderen Personen zugegangen sind.
Normenkette
UStG 1951 § 5 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betreibt die Schlachtung von Großvieh und Schweinen. Die bei ihr zur Schlachtung angelieferten Tiere werden in ihren Betriebsräumen für Rechnung der Auftraggeber geschlachtet, in Hälften zerlegt und mit anderen angefallenen Schlachtproduktion bis zur Abnahme durch den Auftraggeber gelagert. Die Fleisch- und Trichinenbeschau wurde bei der Steuerpflichtigen durchgeführt, nachdem die Steuerpflichtige jeweils den Zeitpunkt der Beschau bestimmt und die zuständigen Tierärzte benachrichtigt hatte. Die Steuerpflichtige bezahlte auch die Beschaugebühren; diese wurden ihr sodann von ihren Auftraggebern zusammen mit den Schlachtlöhnen erstattet.
Bei einer im April 1963 durchgeführten Betriebsprüfung wurde u. a. festgestellt, daß die Steuerpflichtige im Streitjahr Beschaugebühren in Höhe von … DM als durchlaufende Posten behandelt hatte. Das Finanzamt (FA) erließ daraufhin einen Berichtigungsbescheid, durch den es den Gesamtumsatz um diesen Betrag sowie um weitere bis dahin nicht erfaßte Umsätze erhöhte.
Mit ihrem Einspruch, mit dem die Steuerpflichtige geltend machte, bei den Beschaugebühren habe es sich um durchlaufende Posten gehandelt, blieb die Steuerpflichtige erfolglos.
Im Berufungsverfahren hatte die Steuerpflichtige zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Klageantrag, soweit es sich um die Umsatzsteuer für den Gebührenersatz in der Zeit vom 1. Januar 1960 bis 31. Mai 1960 handelte. Im übrigen hielt es die Klage für unbegründet, weil die Steuerpflichtige selbst Schuldnerin der Gebühren gewesen sei und sie diese daher nicht für fremde Rechnung vereinnahmt und verausgabt habe. Die Berichtigungsveranlagung sei nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gerechtfertigt gewesen, weil neue Tatsachen vorgelegen hätten.
Mit der Revision wendet sich die Steuerpflichtige gegen das vorinstanzliche Urteil, soweit durch diese auch die Beschaugebühren der Steuerberechnung zugrunde gelegt worden sind.
Sie trägt erneut unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) V 209/57 U vom 13. Februar 1958, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 66 S. 412 (BFH 66, 412), BStBl III 1958, 158, vor, daß es sich bei den Beschaugebühren um durchlaufende Posten gehandelt habe. Unstreitig seien in dem in Frage stehenden Zeitraum die Rechnungen für die Beschaugebühren nicht auf die Steuerpflichtige, sondern auf die Namen der die Tiere anliefernden Landwirte ausgestellt worden. Es müsse daher für diesen Zeitraum davon ausgegangen werden, daß Schuldner der Fleischbeschaugebühren nicht die Steuerpflichtige, sondern jeweils der anliefernde Landwirt gewesen sei. Erst aufgrund eines Schreibens des zuständigen Landrats vom 1. Februar 1963 sei diese Handhabung geändert worden. Das Urteil des BFH V 187/57 U vom 31. März 1960, BFH 71, 491, BStBl III 1960, 432, aus dem sich eine andere Rechtsauffassung ergebe, sei für den Bezirk der Oberfinanzdirektion (OFD) erst für einen späteren Zeitraum anzuwenden; das ergebe sich daraus, daß das entsprechende Umsatzsteuerkarteiblatt der OFD erst am 23. Oktober 1963 geändert worden sei.
Schließlich weist die Steuerpflichtige wie bereits in der Vorinstanz darauf hin, daß dem FA bei ordnungsmäßiger Erfüllung seiner Pflichten bereits bei der erstmaligen Veranlagung hätte bekannt gewesen sein müssen, daß sie die Fleischbeschaugebühren als durchlaufende Posten behandelt habe.
Die Steuerpflichtige beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer auf … DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es vertritt unter Bezugnahme auf das Urteil V 187/57 U (a. a. O.) die Auffassung, die Fleischbeschaugebühren seien bei der Steuerpflichtigen keine durchlaufenden Posten gewesen und im übrigen seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß das FA seine Ermittlungspflicht vernachlässigt habe. Sie meint, es wäre vielmehr Pflicht der steuerlich beratenen Steuerpflichtigen gewesen, bei Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1960 darauf hinzuweisen, daß sie die Versteuerung in der Umsatzsteuererklärung 1960 entgegen den Ausführungen dieses Urteils vorgenommen habe. Damals sei das Urteil des BFH V 187/57 U (a. a. O.) längst veröffentlicht gewesen und die beteiligten Wirtschaftskreise hätten bereits eine Billigkeitsregelung für die Zeit bis zum 31. Mai 1960 erwirkt gehabt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Mit Recht hat das FG die Fleischbeschaugebühren bei der Steuerpflichtigen nicht als durchlaufende Posten (§ 5 Abs. 3 UStG 1951) behandelt, weil die Steuerpflichtige diese Gebühren nicht für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt hat. Die Ausführungen der Vorinstanz, daß die Steuerpflichtige aufgrund der einschlägigen Verordnungen des Landes als unmittelbare Besitzerin, welche die Beschau veranlaßt hat, selbst Schuldnerin der Gebühren geworden ist, gibt zu Beanstandungen keinen Anlaß. Sie entsprechen auch der im Urteil des BFH V 187/57 U (a. a. O.) vertretenen Auffassung. Soweit aus dem Urteil V 209/57 U (a. a. O.) etwas anderes entnommen werden kann, ist dieses Urteil durch das vorgenannte Urteil überholt. Ist aber die Schuldnereigenschaft der Steuerpflichtigen aufgrund der landesrechtlichen Gebührenordnungen zu bejahen, so kann es – worauf das FG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat – nicht mehr darauf ankommen, daß in dem streitigen Zeitraum die Gebührenrechnungen nicht der Steuerpflichtigen, sondern den anliefernden Landwirten zugegangen sind. Denn die von der Rechtslage abweichende Rechnungserteilung hat keinen Einfluß auf die Schuldnerstellung des Steuerpflichtigen.
Zutreffend ist das FG auch zu dem Ergebnis gekommen, daß die Berichtigungsveranlagung des FA gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gerechtfertigt war. Das FG hat hierzu zunächst festgestellt, daß insoweit neue Tatsachen vorliegen, als das FA erst durch die im April 1963 durchgeführte Betriebsprüfung erfahren hat, daß die Steuerpflichtige die Fleischbeschaugebühr nicht versteuert hat. An diese tatsächliche Feststellung ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
Soweit die Steuerpflichtige unzureichende Ermittlungen des FA rügt und damit die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO in Frage stellt, kann ihr schon deswegen nicht gefolgt werden, weil sie selbst ihrer Erklärungspflicht nicht in pflichtgemäßem Umfange nachgekommen ist (vgl. BFH-Entscheidung I 155/57 U vom 20. Januar 1959, BFH 68, 581, BStBl III 1959, 221). Das Urteil des BFH V 187/57 U (a.a.O.), welches unter dem 31. März 1960 ergangen ist, ist im BStBl vom 7. November 1960 veröffentlicht. Es hatte, wie sich aus einer Verfügung der OFD ergibt, zu dem Antrag der beteiligten Wirtschaftskreise geführt, für die Zeit bis zum 31. Mai 1960 noch nach dem Urteil V 209/57 U (a. a. O.) zu verfahren und die Beschaugebühren von der Umsatzsteuer freizustellen. Diesem Antrag war entsprochen worden. Die beteiligten Wirtschaftskreise waren unterrichtet. Spätestens seit Mitte 1961 war daher den beteiligten Wirtschaftskreisen die Rechtslage hinsichtlich der Fleischbeschaugebühren bekannt. Die Steuerpflichtige hat die Umsatzsteuererklärung 1960 am 10. September 1961 abgegeben. Wenn sie unter diesen Umständen abweichend von der Rechtslage die Beschaugebühren als durchlaufende Posten behandeln wollte, so war sie zu einem entsprechenden Hinweis gegenüber dem FA verpflichtet. Da sie einen solchen nicht gemacht hat, kann sie sich schon aus diesem Grunde nicht auf engeblich unzureichende Ermittlungen des FA berufen.
Soweit sich die Steuerpflichtige in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, daß ihr die durch das oben bezeichnete Urteil V 187/57 U geänderte Rechtslage nicht bekannt gewesen sei, weil sie ihr Unternehmen erst im Jahr 1959 eröffnet habe und ihrem Berufsverband erst im Jahre 1962 beigetreten sei, kann dies an der rechtlichen Beurteilung nichts ändern. Die Steuerpflichtige war steuerlich beraten; zwischen der Veröffentlichung des genannten Urteils und der Abgabe ihrer Umsatzsteuererklärung 1960 lag fast ein Jahr. Die durch Zugehörigkeit zu ihrem Berufsverband gegebenen Informationsmöglichkeiten hätte sie durch Beitritt jederzeit wahrnehmen können. Unter diesen Umständen kann insbesondere nicht, wie die Steuerpflichtige meint, von einer Verpflichtung des FA die Rede sein, die Steuerpflichtige über die geänderte Rechtslage zu belehren.
Im übrigen hat die Vorinstanz zutreffend ausgeführt, das FA habe aus den ihm vorliegenden Unterlagen nicht erkennen können, daß die Steuerpflichtige die Fleischbeschaugebühren als durchlaufende Posten behandelt habe. Weshalb das FA aus der Bilanzposition „durchlaufende Posten” in Höhe von … DM oder aus der Tatsache, daß in der Gewinn- und Verlustrechnung nur ein Posten, und zwar das Lohnkonto, in einer entsprechenden Größenordnung ausgewiesen war, Rückschlüsse auf die Nichtversteuerung der Fleischbeschaugebühren hätte ziehen sollen, ist nicht erkennbar.
Fundstellen