Leitsatz (amtlich)
Ein Tanklager und eine Raffinerie, die beide in verschiedenen Gemeinden liegen und durch unterirdische Leitungen miteinander verbunden sind, können eine mehrgemeindliche Betriebstätte bilden.
Normenkette
GewStG § 30
Tatbestand
Streitig ist, ob die von der beigeladenen Erdöl-Raffinerie X GmbH (Steuerpflichtige) betriebene Erdölraffinerie zusammen mit einem Tanklager, das in einer anderen Gemeinde liegt, eine mehrgemeindliche Betriebstätte darstellt.
Die Steuerpflichtige betreibt in A eine Raffinerie mit einer Stadtgaserzeugungsanlage. Zur Versorgung der Verarbeitungsanlage mit Rohöl unterhält sie auf dem Gemeindegebiet der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) in B. ein Tanklager, das durch eine 58 km lange betriebseigene Erdölleitung mit den Rohöltanks der Raffinerie in A. verbunden ist. Aus den Rohöltanks wird das Rohöl in die Destillationsanlage geleitet. Die Erdölleitung ist unterirdisch verlegt und durchquert mehrere Gemeindebezirke. Das Tanklager in B. dient zu etwa 43 v. H. als technisches Pufferlager, das Rohöl aus den internationalen Fernleitungen aufnimmt, bevor es nach A. weiterverpumpt wird. Wegen des größeren Durchmessers der Fernleitungen ist eine unmittelbare Einspeisung des Rohöls in die betriebseigene Leitung technisch nicht möglich. Die restlichen 57 v. H. des Tankraums dienen der Erfüllung der nach dem Mineralölbevorratungsgesetz bestehenden Bevorratungspflicht. Die Steuerpflichtige setzt in B. nur etwa 3 v. H. ihres Personals ein.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat bei den Zerlegungen der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge der Steuerpflichtigen für die Kalenderjahre 1965 bis 1969 in A. und B. jeweils selbständige Betriebstätten angenommen und die Zerlegungen nach § 29 GewStG durchgeführt. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Dagegen gab das FG der Klage statt. Nach Beiladung der Steuerpflichtigen und der Stadt A. hob es die Zerlegungsbescheide für die Streitjahre und die Einspruchsentscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das FA zurück. Es bejahte eine mehrgemeindliche Betriebstätte, bestehend aus der Raffinerie der Steuerpflichtigen in A. und dem Tanklager in B. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1972 S. 507 abgedruckt. Das FG führte aus:
Eine mehrgemeindliche Betriebstätte liege vor, wenn die in verschiedenen Gemeinden befindlichen Betriebsanlagen eines Unternehmens in räumlicher, organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Beziehung ein einheitliches Ganzes darstellten. Der räumliche Zusammenhang werde im Streitfall durch die betriebseigene Erdölleitung bewirkt. Es komme dabei nicht auf die mehr oder weniger große Länge der Ölleitung an. - Zwischen dem Tanklager und den Betriebsanlagen in A. bestehe auch ein organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Zusammenhang. Die organisatorische und die technische Einheit sei unzweifelhaft. Eine wirtschaftliche Einheit sei nicht nur dann anzunehmen, wenn jeder Betriebsteil ohne den anderen nicht existenzfähig wäre. Ausreichend sei, daß ein Betrieb mit all seinen Teilen als Wirtschaftsorganismus einem einheitlichen Betriebszweck untergeordnet sei. Zwar könne die Destillationsanlage in A. auch ohne das Tanklager in B. arbeiten, sie müßte dann aber das Rohöl in finanziell unvertretbarer Weise laufend antransportieren.
Das FG hob die Verwaltungsentscheidungen auf und verwies die Sache an das FA zurück.
Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 30 GewStG und Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die beigeladene Stadt A. verzichtet auf eigene Anträge und schließt sich der Revisionsbegründung des FA an. Die Steuerpflichtige verweist auf ihre Ausführungen im Verfahren über die Klage.
Fundstellen
Haufe-Index 70883 |
BStBl II 1974, 427 |
BFHE 1974, 183 |