Leitsatz (amtlich)
Ein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug liegt auch dann vor, wenn die in Abschn. 11 Abs. 1 Satz 2 LStR 1972 festgelegte Freigrenze von 50 DM, bis zu der Sachzuwendungen an Arbeitnehmer bei Betriebsveranstaltungen steuerfrei bleiben, nur geringfügig überschritten wird.
Normenkette
EStG 1971 § 19 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Sparkasse, führte im Jahre 1973 mit ihrer Belegschaft einen Betriebsausflug durch. Im Rahmen dieses Auflugs besuchten die 127 Veranstaltungsteilnehmer eine Theateraufführung (Festspiele). Die Kosten für die Eintrittskarten sowie für die Programmhefte und die Fahrtkosten trug die Klägerin.
Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) fest, daß die Klägerin insgesamt folgende Beträge für den Betriebsausflug aufgewandt hatte:
Barzuwendungen von 10 DM je Teilnehmer 1 270,00 DM
Fahrtkosten 674,00 DM
Eintrittskarten für die Festspiele 1 284,40 DM
90 Programme für die Festspiele a 1,50 DM 135,00 DM
3 363,40 DM
Das FA stellte weiter fest, daß insgesamt 37 Arbeitnehmer der Klägerin zu dem Betriebsausflug ihren Ehegatten mitgenommen hatten. Ausgehend von der vorgenannten Summe errechnete das FA für den einzelnen Teilnehmer des Ausflugs einen Betrag von 26,48 DM. Für die Arbeitnehmer, deren Ehegatten am Ausflug mit teilgenommen hatten, kam das FA demgemäß zu einer geldwerten Zuwendung in Höhe von 52,96 DM. Da diese Summe den in Abschn. 11 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 1972 (LStR) festgelegten Betrag von 50 DM überstieg, nahm das FA in Höhe von 37 x 52,96 DM = 1 959 DM lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn an. Es forderte - u. a. - darauf entfallende Lohnsteuern und Lohnkirchensteuern durch Lohnsteuerhaftungsbescheid nach.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der Klägerin hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus:
Seit 1965 sehe die Finanzverwaltung eine Zuwendung je einzelnem Arbeitnehmer bei einer Betriebsveranstaltung bis zu 50 DM als lohnsteuerfrei an. Zuwendungen an einen Angehörigen eines Arbeitnehmers rechne sie dem Arbeitnehmer selbst zu. Die Rechtsprechung habe diese Beurteilung als vertretbare und zutreffende Auslegung des Gesetzes angesehen. Allerdings habe der Bundesfinanzhof (BFH) in zwei Entscheidungen (Urteile vom 13. Mai 1964 VI 213/63, Rechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 19 Abs. 1, Rechtsspruch 358; vom 24. Mai 1968 VI R 136/66, BFHE 93, 132, BStBl II 1968, 724) angedeutet, daß eine geringfügige Überschreitung der in den Lohnsteuer-Richtlinien festgelegten Grenzen unschädlich sein könne. Die einmal festgelegte Grenze, so führt das FG weiter aus, sei jedoch für den Normalfall auch als "Festgrenze" zu behandeln. Weiche man hiervon ab, weil die Grenze nur "geringfügig" überschritten sei, so verliere die Grenzziehung ihren Sinn.
Im Streitfall hätten die Zuwendungen der Klägerin je Arbeitnehmer, der mit einem Ehegatten an der Betriebsveranstaltung teilgenommen habe - abweichend von der Berechnung des FA -, 52,34 DM betragen. Denn die Theaterkarten und die entsprechenden Programmhefte seien in den Gesamtbetrag der Zuwendungen einzubeziehen. Die den einzelnen Arbeitnehmern im Rahmen von Betriebsveranstaltungen unmittelbar zugute kommenden Aufwendungen des Arbeitgebers dürften nicht in einzelne Teile aufgespalten werden mit der Folge, daß die einzelnen Teilleistungen lediglich Annehmlichkeiten seien. Da die Arbeitnehmer, die ihren Ehegatten mit zu der Veranstaltung genommen hatten, aber jeweils nur ein Programmheft für beide Personen erhalten hätten, entfalle auf diese jeweils ein geldwerter Vorteil von 52,34 DM, der die 50-DM-Grenze überschreite. Da das FA für diese Arbeitnehmer zu Unrecht Zuwendungen von 52,96 DM angesetzt habe, vermindere sich der von ihm angenommene Arbeitslohn um insgesamt 23 DM. Dementsprechend sei die Haftungssumme zu mindern.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, es sei zweifelhaft, ob die Programmhefte zu einer Bereicherung der Arbeitnehmer führten. Denn insoweit lägen Kosten des äußeren Rahmens der Veranstaltung vor. Würden diese Kosten von jeweils 1,50 DM aus den Zuwendungen ausgeschieden, ergebe sich ein Zuwendungsbetrag von 50,84 DM, der nur unerheblich über der 50-DM-Grenze liege. Selbst wenn man die Aufwendungen für das Programmheft in die Gesamtzuwendungen einbeziehe, werde die genannte Grenze von 50 DM nur geringfügig überschritten, so daß auch aus diesem Grund Steuerfreiheit der gesamten Zuwendungen in Betracht komme.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und ihre Inanspruchnahme im Wege der Haftung dementsprechend zu ermäßigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zu Recht hat das FG den Haftungsbescheid des FA insoweit bestätigt, als es Zuwendungen der Klägerin an die Arbeitnehmer, die zu dem Betriebsausflug ihren Ehegatten mitgenommen hatten, in Höhe von jeweils 52,34 DM annahm. Diese Zuwendungen rechnen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Arbeitnehmer der Klägerin (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
1. Im Urteil vom 23. Februar 1979 VI R 74/76 (BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390) hat der Senat die Verwaltungsvorschrift in Abschn. 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LStR über die Zuwendungen von Arbeitgebern an Arbeitnehmer bei Betriebsveranstaltungen als eine im Verwaltungsermessen liegende Regelung zur Verwaltungsvereinfachung angesehen. Er hat die darin enthaltene Freigrenze von 50 DM als für das Streitjahr 1973 nicht offensichtlich unzutreffend beurteilt. Der Senat hält hieran fest, zumal auch im Streitfall der Umstand, daß die Zuwendung je Veranstaltungsteilnehmer die Grenze von 50 DM bei weitem nicht erreicht hat, gegen die Annahme spricht, diese Grenze sei offensichtlich unzutreffend.
In BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390 bestätigte der Senat auch seine frühere Rechtsprechung, daß der den Ehegatten von Arbeitnehmern gewährte geldwerte Vorteil als den Arbeitnehmern selbst zugeflossen anzusehen sei. Darüber hinaus hob der Senat im vorbezeichneten Urteil erneut hervor, daß Aufwendungen des Arbeitgebers für den äußeren Rahmen von Betriebsveranstaltungen den teilnehmenden Arbeitnehmern nicht zuzurechnen seien. Deshalb hat der Senat in diesem Urteil die Beträge für die GEMA-Gebühr, für die Sperrstundengebühr sowie die Aufwendungen für den Tischschmuck und die Telefonbenutzung als zum äußeren Rahmen gehörend angesehen.
2. Hiervon ausgehend ist den Arbeitnehmern der Klägerin, die ihren Ehegatten zu dem Betriebsausflug mitgenommen haben, ein geldwerter Vorteil zugeflossen, der die Freigrenze von 50 DM übersteigt und deshalb insgesamt als steuerpflichtiger Sachbezug zu versteuern ist.
a) Es bedarf - zunächst - keiner Entscheidung, ob die Aufwendungen für die Programmhefte in den Sachbezug einzubeziehen sind oder nicht. Selbst wenn sie nicht einzubeziehen wären, wäre für die Arbeitnehmer, die ihren Ehegatten mitgenommen hatten, ein geldwerter Vorteil von 50,84 DM anzusetzen und deshalb steuerpflichtig.
Denn auch ein geringfügiges Überschreiten der 50-DM-Grenze ist steuerschädlich (so auch die rechtskräftigen Urteile des Niedersächsischen FG vom 20. November 1979 VI (IX) 288/77, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 131 - EFG 1980, 131 -; VI (IX) L 437/77, EFG 1980, 132). Dies kommt bereits in den Ausführungen des Senats in BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390 zum Ausdruck. Der Senat hat hervorgehoben, daß die 50-DM-Freigrenze der Verwaltungsvereinfachung diene; sie solle es entbehrlich machen, den Sachverhalt wegen Bagatellzuwendungen aufzuklären. Bliebe die 50-DM-Grenze im Einzelfall unbeachtet, weil sie nur geringfügig überschritten ist, so hätte die Grenzziehung, wie das FG zu Recht ausführt, weitgehend ihren Sinn verloren. Es ergäben sich Abgrenzungsschwierigkeiten; der Vereinfachungseffekt ginge verloren. Der Zweck der Grenzziehung, eine eindeutig und leicht zu handhabende Differenzierung zu ermöglichen, wäre beseitigt, wenn jeweils zu prüfen wäre, ob und ggf. in welcher Höhe trotz Überschreitens der Grenze die Verwaltungsanweisung noch anzuwenden ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. August 1967 VI R 10/67, BFHE 90, 64, BStBl III 1967, 759, zum geringen Überschreiten der Verwaltungsanordnung in Abschn. 188 Abs. 9 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1960 bis 1969). Darüber hinaus entfiele, wenn ein geringfügiges Überschreiten der Freigrenze unbeachtlich wäre, die Grundlage für die gleichmäßige Besteuerung gleichliegender Fälle und damit auch die Grundlage dafür, die Verwaltungsanweisung über die Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen überhaupt als auch für die Steuergerichte beachtlich anzusehen.
Aus den vom FG angeführten BFH-Urteilen in StRK, Einkommensteuergesetz, § 19 Abs. 1, Rechtsspruch 358, und in BFHE 93, 132, BStBl II 1968, 724 kann nichts Gegenteiliges geschlossen werden. In beiden Fällen war die seinerzeit von der Finanzverwaltung angenommene Freigrenze von 25 DM - wie der BFH formulierte - "erheblich" oder "nicht nur geringfügig" überschritten. Der BFH bejahte deshalb die Steuerpflicht für den gesamten Betrag der Zuwendungen. Er hat in jenen Entscheidungen, weil sie dafür keinen Anlaß boten, aber nicht ausgeführt, daß er die Rechtslage bei einem nur geringfügigen Überschreiten anders beurteile. Eine solche andere Beurteilung wäre in diesem Fall auch, wie ausgeführt, nicht gerechtfertigt.
b) Somit ist die Frage, ob die Aufwendungen der Klägerin für die Programmhefte zum äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung zählten, nur noch für die Entscheidung bedeutsam, wie hoch die Zuwendungen an die einzelnen Arbeitnehmer waren, nicht aber auch für die Entscheidung, ob die Zuwendungen an die Arbeitnehmer überhaupt steuerpflichtig sind. Der Senat rechnet die Aufwendungen für die Programmhefte nicht zum äußeren Rahmen des hier zu beurteilenden Betriebsausflugs.
Wie die unter 1. erwähnten Beispiele für den äußeren Rahmen einer Betriebsveranstaltung zeigen, gehören hierzu Aufwendungen, die für die "Gesamtheit der Teilnehmer" (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 1966 VI R 248/65, BFHE 86, 783, BStBl III 1966, 659) oder für die "Gemeinschaft als solche" (BFH-Urteil vom 13. Mai 1964 VI 246/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 386 - HFR 1964, 386 -) getätigt werden, die also zu keiner Bereicherung des einzelnen Arbeitnehmers führen. Dagegen zählen zu den geldwerten Vorteilen, die den Arbeitnehmern zuzurechnen sind, solche Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer persönlich und unmittelbar zugute kommen (BFHE 93, 132, BStBl II 1968, 724). Ebenso wie die Theaterveranstaltung selbst kommen die den Teilnehmern überlassenen Programmhefte diesen persönlich und unmittelbar zugute. Sie gehen in das Eigentum der Veranstaltungsteilnehmer über und können z. B. zu Erinnerungszwecken aufbewahrt werden. Insoweit sind die Gegebenheiten offensichtlich andere als bei der Saalausschmückung, Heizung, Beleuchtung des Saales, in dem eine Betriebsveranstaltung stattfindet, oder bei der GEMA-Gebühr.
Fundstellen
Haufe-Index 73579 |
BStBl II 1980, 580 |
BFHE 1980, 516 |