Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für einen Supervisionskurs
Leitsatz (NV)
Zur Beurteilung, ob ein Psychodrama-/Supervision-Lehrgang auf die allgemeine Persönlichkeitsentwicklung oder auf die Vermittlung berufsspezifischer Erkenntnisse ausgerichtet ist, sind Feststellungen zu den Lehrinhalten und dem Ablauf des Lehrgangs sowie den teilnehmenden Personen erforderlich.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Bankkauffrau tätig. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1992 machte sie Aufwendungen in Höhe von ... DM für einen Psychodrama-/Supervision-Lehrgang zum Werbungskostenabzug geltend, was der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) unter Hinweis auf § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ablehnte.
Im Klageverfahren hat die Klägerin u. a. vorgetragen, sie sei Geschäftsführerin einer Bank, die im Streitjahr 1992 gegründet worden sei. Im Hinblick auf die Führungsaufgaben, die ihr aus der Geschäftsführertätigkeit erwüchsen, habe sie ein Seminar eines Unternehmensberaters besucht. Dieses Seminar habe sich ausschließlich mit Führungsverhalten, Konfliktbewältigung und Konfliktvermeidung im Betrieb, Organisation und Motivation von Mitarbeitern befaßt. Zielsetzung des Seminars sei es gewesen, eine Hilfe zur Planung und Umsetzung von unternehmerischen Zielen zu bieten. Hierbei sei u. a. erarbeitet worden, wie unternehmerische Visionen auf die Mitarbeiter übertragen werden könnten; es sei also um Fragen der Personalplanung/Personalführung und deren Kontrolle gegangen. Da die Seminare sehr individuell gestaltet werden müßten, existiere keine konkrete Gliederung über den Inhalt des Seminars. Ergänzend hat die Klägerin ein Schreiben des Unternehmensberaters mit folgendem Inhalt vorgelegt: "Frau B hat in ihrem Berufsfeld in leitender Funktion einen sehr komplexen Arbeitsprozeß zu organisieren und benötigt immer wieder eine Position, die es ihr ermöglicht, von außen ihren beruflichen Alltag anzuschauen, Konflikte besser verstehen zu lernen, soziale Beziehungen zu klären und Alternativen zu entwickeln. Das Psychodrama ist mit seiner soziometrischen Arbeitsweise seit vielen Jahren eine von vielen anderen Methoden der Supervision und Organisationsberatung."
Das Finanzgericht (FG) -- Einzelrichter -- hat die Klage mit folgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung abgewiesen: Entgegen der Ansicht der Klägerin könne das Gericht nicht feststellen, daß die Teilnahme an dem psychologischen Seminar nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt gewesen sei. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, daß Gesichtspunkte der privaten Lebensführung eine nicht ganz untergeordnete Rolle gespielt hätten. Die festgestellten Tatsachen rechtfertigten nicht die Annahme, daß die der privaten Lebensführung zuzurechnenden Gesichtspunkte von ganz untergeordneter Bedeutung gewesen seien. Nach der Lebenserfahrung führten derartige psychologische Seminare auch zur persönlichen Weiterbildung. Die erworbenen Kenntnisse könnten in Alltagssituationen angewendet werden, beträfen somit jedenfalls auch in erheblichem Umfang die allgemeine Lebensführung. An derartigen Seminaren, wie sie die Klägerin besucht habe, nähmen viele Bürger aus rein privaten Erwägungen teil.
Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dazu führt sie im wesentlichen aus: Der Unternehmens berater habe den Auftrag gehabt, sie, die Klägerin, bei der Entwicklung von Personal führungssystemen zu unterstützen und ins besondere die Wirkung von Gruppendynamik, Motivation und Überzeugungsverhalten bei Verkaufsgesprächen und Selbstdarstellungen der Bank zu optimieren. Hierbei sei die Methode der Supervision angewendet worden. Dabei handle es sich um einen Begriff aus der Verhaltenspsychologie, der im Rahmen moderner Unternehmenskonzepte mittlerweile Standardanwendung finde. Man habe während des Klageverfahrens davon ausgehen können, daß dem FG das Instrument "Supervision" als geläufiger Fach begriff bei der Personalführung und beim Verhaltenstraining für Führungskräfte bekannt sei. Bei Zweifeln hätte das FG eine Beweisaufnahme anordnen müssen; es habe keinesfalls ohne ihre, der Klägerin, weitere Anhörung nach Aktenlage entscheiden dürfen.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an den Vollsenat des FG.
Für die Entscheidung, ob ein Lehrgang, der auch psychologische Erkenntnisse vermittelt, in nicht nur untergeordnetem Umfang die private Lebensführung berührt oder als eine berufsspezifische und damit zum Werbungskostenabzug führende Fortbildungsmaßnahme angesehen werden kann, ist bedeutsam, ob der Lehrgang auf die allgemeine Persönlichkeitsentwicklung oder auf die Vermittlung von auf den Beruf zugeschnittenen und für den Beruf wichtigen psychologischen Erkenntnissen ausgerichtet ist. Dabei sind Feststellungen zu den Lehrinhalten und dem Ablauf des Lehrgangs sowie den teilnehmenden Personen von besonderer Bedeutung.
In der Vorentscheidung fehlen konkrete Feststellungen zu den vorgenannten Merkmalen. Daher ist die Wertung des Einzelrichters, an derartigen Seminaren (Supervision, Psychodrama), wie sie die Klägerin besucht habe, nähmen viele Bürger aus rein privaten Erwägungen teil, nicht von ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getragen. Die Klägerin hatte mehrfach vorgetragen, daß es sich bei dem Seminar um das Seminar eines Unternehmensberaters handelte und daß Zielsetzung des Seminars war, Hilfen zur Planung und Umsetzung von unternehmerischen Zielen dadurch zu geben, daß Fragen der Personalplanung/Personalführung und deren Kontrolle besprochen wurden. Wollte der Einzelrichter trotz dieses Vortrags zu dem Ergebnis kommen, daß die der privaten Lebensführung zuzurechnenden Gesichtspunkte nicht von ganz untergeordneter Bedeutung waren, so konnte dies ohne weitere Aufklärung zum Inhalt des Seminars nicht geschehen.
Zutreffend weist auch das FA darauf hin, daß Einzelheiten über Art und Inhalt des Seminars und die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises unbekannt seien. Dieser Umstand kann aber erst dann zu Lasten der Klägerin gehen, wenn das FG zuvor seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist. Diese Aufklärung war nach dem Vortrag der Klägerin geboten.
Zur Zurückverweisung der Sache an den Vollsenat des FG verweist der Senat auf sein Urteil vom 15. April 1996 VI R 98/95 (BStBl II 1996, 478).
Fundstellen
Haufe-Index 421803 |
BFH/NV 1997, 110 |