Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung zwischen betrieblicher Veräußerungsrente und privater Versorgungsrente
Leitsatz (NV)
1. Sagen Söhne dem aus einer OHG ausscheidenden Vater eine Leibrente zu, kann eine betriebliche Veräußerungsrente vorliegen, wenn der erhaltene Gesellschaftsanteil und die zugesagte Rentenverpflichtung in etwa gleichwertig sind.
2. Bei der Wertermittlung ist nach folgenden Grundsätzen vorzugehen:
a) Der Wert des übernommenen Gesellschaftsanteils kann - jedenfalls im Jahr 1971 - nach der sog. Mittelwertmethode (Praktikermethode) aus dem Mittel zwischen Substanzwert und Ertragswert errechnet werden.
b) Dem Rentenberechtigten zugesagte weitere Leistungen und von diesem übernommene Verpflichtungen sind zu berücksichtigen.
c) Die Rentenverpflichtung einschließlich einer Witwenrente sind nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu ermitteln.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 16, 22
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Brüder, die zusammen mit ihrem Vater E M bis Ende 1970 Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) waren. E M hatte einen festen Kapitalanteil von 200 000 DM, die Kläger feste Kapitalanteile von je 100 000 DM. E M und die Kläger waren zu je 1/3 am Gewinn und Verlust beteiligt; vorweg waren jedoch ,,Gehälter" zu zahlen und die Kapitalguthaben zu verzinsen. Nach dem Ableben von E M sollte dessen Ehefrau ,,60 % seiner vor dem Ausscheiden aus dem Betrieb gezahlten Bezüge" erhalten. E M hatte die Kläger 1967 in sein Einzelunternehmen aufgenommen und ihnen die Kapitalanteile von je 100 000 DM schenkweise eingeräumt.
E M schied zum 31. Dezember 1970 aus der OHG aus. Er und die Kläger vereinbarten am 6. Februar 1971 einen ,,Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag". Darin hieß es, daß E M eine ,,lebenslängliche Rente in Höhe von monatlich 3 000 DM" erhalten sollte, ,,die nach seinem Ableben zu 60 % auf seine . . . Ehefrau" übergehen sollte. Es war eine Wertsicherung vereinbart. Die OHG wurde 1977 ,,nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes" in eine GmbH umgewandelt.
Die OHG behandelte die an E M zu zahlende Rente als Betriebsveräußerungsrente. Sie stockte in der ,,Eröffnungsbilanz zum 1. 1. 1971" die Buchwerte von Anlagegütern um die auf E M entfallenden geschätzten stillen Reserven von 150 000 DM auf. Hierbei ging sie davon aus, daß E M entsprechend seinem festen Kapitalanteil zu 50 v. H. an den stillen Reserven beteiligt war. Ferner passivierte sie den Barwert der Rentenverpflichtung mit 350 000 DM (Wert 31. Dezember 1971 339 189 DM, 31. Dezember 1972 328 244 DM). Das Guthaben von E M auf seinem Privatkonto wurde als Verbindlichkeit ausgewiesen und fortan verzinst. Die Rentenzahlungen (1971 36 000 DM, 1972 38 400 DM) wurden als Betriebsausgaben abgesetzt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging nach einer Betriebsprüfung davon aus, daß die an E M gezahlte Rente als private Versorgungsrente anzusehen sei. Es ergingen Gewinnfeststellungsbescheide für 1971 und 1972, in denen die Wertaufstockungen für Anlagegüter und die Passivierung der Rentenverbindlichkeit rückgängig gemacht wurden und der Betriebsausgabenabzug der Rentenzahlungen versagt wurde. Es ergingen weiterhin Bescheide über die Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1971, den 1. Januar 1972 und 1. Januar 1973, in denen die Rentenverbindlichkeit nicht als Betriebsschuld abgesetzt wurde.
Die Einsprüche, die das FA zur gemeinsamen Entscheidung verband, und die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Es sei nicht zu beanstanden, daß die Klage nach genehmigter Klageänderung von den Klägern erhoben werde. Das FA habe zu Recht eine private Versorgungsrente angenommen. Bei der Übertragung von Gesellschaftsrechten durch den Vater an seine Kinder liege eine außerbetriebliche Veranlassung besonders nahe. Auch wenn Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stünden, sei eine betriebliche Veranlassung zu verneinen, wenn fremde Dritte die Rentenvereinbarung in der vorliegenden Form nicht getroffen und praktiziert hätten. Der Wert des Gesellschaftsanteils von E M sei nicht wie unter fremden Dritten ermittelt worden. E M habe nicht auf Rechtspositionen beharrt, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag zugestanden hätten. Fremde Dritte hätten den Wert des Gesellschaftsanteils ermittelt und diesen Betrag sodann auf eine Rente umgerechnet. Entgegen § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags sei keine Auseinandersetzungsbilanz erstellt worden. Ein Gutachten über die Feststellung des Unternehmenswerts habe nicht vorgelegt werden können. Ein Gutachten des Steuerberaters lasse den Wert der stillen Reserven ausdrücklich offen. Der Substanzwert - laut Vortrag der Kläger im gerichtlichen Verfahren 900 000 DM - sei nicht festgestellt worden. Schließlich hätte sich E M im Verhältnis zu Dritten nicht auf eine allgemein gehaltene Wertermittlung verweisen lassen. Ein Gutachten über den Wert des unbeweglichen Anlagevermögens sei auf den 31. Dezember 1969 erstellt und nicht auf den Übertragungstag fortgeschrieben worden. Über die Bewertung des beweglichen Anlagevermögens, die die Gesellschafter selbst vorgenommen haben wollen, existierten keine nachprüfbaren Unterlagen. Die Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1971 sei keine Auseinandersetzungsbilanz. In ihr sei das unbewegliche Anlagevermögen zu niedrig angesetzt worden. Im übrigen wäre, folgte man den Wertangaben, der Gesellschaftsanteil des E M mit ca. 405 000 DM zu bewerten gewesen. Unberücksichtigt sei geblieben, daß die Witwenversorgung bereits durch den Gesellschaftsvertrag gesichert gewesen sei.
Die Kläger machen mit der Revision geltend, daß das FG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe und von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen sei. Sie tragen vor: Sie hätten Beweis angeboten darüber, daß sie ,,die Vereinbarung einer monatlichen Rente von DM 3 000,- nur aufgrund der auf dem Gutachten Dr. Z basierenden Berechnungen eingegangen" seien, durch Parteivernehmung des Klägers K M. Das FG habe diese Darlegungen mißachtet und auch K M nicht gehört, obwohl dieser in den Terminen persönlich anwesend gewesen sei. Wenn das FG dennoch seine Entscheidung darauf gestützt habe, daß die Rentenverpflichtung bei der Bewertung der Anteile keine Rolle gespielt habe, habe es ihnen die Möglichkeit genommen, zu wesentlichen Tatsachen Stellung zu nehmen. Die Auffassung des FG, daß bei einer Betriebsüberlassung zwischen Eltern und Kindern und gleichzeitiger Rentenvereinbarung eine Vermutung für eine außerbetriebliche Versorgungsrente spreche, sei unvereinbar mit den BFH-Urteilen vom 24. Oktober 1978 VIII R 172/75 (BFHE 126, 282, BStBl II 1979, 135) und vom 18. Januar 1979 IV R 76/76 (BFHE 127, 171, BStBl II 1979, 403). Danach sei allein auf die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung abzustellen. Bei der Unternehmensbewertung gebe es keinen rechnerisch genau ermittelbaren objektiven Wert. Das FG hätte nicht eine eigene Wertermittlung anstellen dürfen, sondern, wie beantragt, einen Sachverständigen zur Frage der Ausgewogenheit hören müssen. Bemerkenswert sei, daß das FA unter Anwendung einer anderen Bewertungsmethode fast zu denselben Zahlen wie sie gelangt sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig. Abzutrennen ist der Rechtsstreit betreffend Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1971 bis 1. Januar 1973, der insoweit an den II. Senat abzugeben ist. Hinsichtlich Gewinnfeststellung 1971 und 1972 führt die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
1. Die Revision ist zulässig. Der Wert des Streitgegenstandes übersteigt 10 000 DM (§ 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs in der bis zum 16. Juli 1985 geltenden Fassung - BFHEntlG -). (Wird ausgeführt.)
2. Das Revisionsverfahren ist, soweit es die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens betrifft, abzutrennen und an den geschäftsplanmäßig zuständigen II. Senat abzugeben (Geschäftsverteilungsplan BFH 1986, ergänzende Regelungen I 4). Eine übergreifende Zuständigkeit des erkennenden Senats (Geschäftsverteilungsplan, ergänzende Regelungen I 3) entfällt, weil nicht nur solche Rechtsfragen streitig sind, die für die Gewinnfeststellung und die Einheitsbewertung einheitlich zu entscheiden sind. Im Bewertungsrecht ist der Kapitalwert einer Rentenschuld nach der Sondervorschrift des § 14 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu berechnen, die auch für den Betriebsschuldenabzug nach § 103 Abs. 1 BewG gilt. Weitere Abweichungen ergeben sich daraus, daß Aufstockungsbeträge für das Betriebsgrundstück bewertungsrechtlich in den Einheitswert des Grundstücks einzubeziehen sind (§ 99 BewG).
3. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) dringt nicht durch. Die Protokolle des FG über die mündlichen Verhandlungen weisen aus, daß der Kläger K M als Beteiligter anwesend war. Weiterhin heißt es in beiden Protokollen, daß die Beteiligten das Wort erhielten, um ihre Anträge zu stellen und zu begründen. Es ist nicht zu erkennen, daß der Kläger K M das Wort gewünscht und nicht erhalten hätte. Soweit gerügt wird, daß die beantragte Parteivernehmung nicht durchgeführt worden ist, handelt es sich nicht um eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern allenfalls um eine Rüge unvollständiger Beweiserhebung (§ 81 Abs. 1 FGO), die, falls sie zulässig und begründet wäre, kein absoluter Revisionsgrund i. S. des § 119 FGO wäre. Ob diese Verfahrensrüge durchdringen könnte, braucht nicht entschieden zu werden, weil die Vorentscheidung bereits aus anderen Gründen aufzuheben ist (siehe unter 5. und 6.).
4. Das FG hat seine Entscheidung in der Gewinnfeststellungssache zu Recht gegenüber den Klägern als den ehemaligen Gesellschaftern der 1977 durch Umwandlung untergegangenen OHG getroffen. Der IV. Senat des BFH hat allerdings entschieden, daß eine Personenhandelsgesellschaft, die nach Klageerhebung durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters vollbeendet wird, im Prozeß um einen Gewinnfeststellungsbescheid weiter verfahrensbeteiligt bleibt (Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15). Gleiches ist für Umwandlungsfälle anzunehmen. Im Streitfall trat die Vollbeendigung jedoch bereits im Einspruchsverfahren ein. Die Erwägungen, mit denen der IV. Senat die andauernde Prozeßstandschaft der vollbeendeten Personenhandelsgesellschaft bejaht hat (BFHE 139, 1, 3, BStBl II 1984, 15), betreffen lediglich das gerichtliche Verfahren.
5. Die Beteiligten streiten sachlich darum, ob die am 6. Februar 1971 übernommene Leibrentenverpflichtung Gegenleistung für die von E M der OHG überlassenen Sachwerte ist (betriebliche Veräußerungsrente) oder im Hinblick auf die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen E M (Vater) und den Klägern (Söhnen) und die Altersversorgung des Vaters (einschließlich der Mutter) eine betriebliche Veranlassung entfällt (private Versorgungsrente). Die dritte Möglichkeit einer betrieblichen Versorgungsrente ist von den Beteiligten und dem FG zu Recht nicht erwogen worden. Eine betriebliche Versorgungsrente setzt die Abgeltung von früher im Betrieb geleisteten Diensten oder einen sonstigen besonderen betrieblichen Anlaß voraus (BFH-Urteile vom 26. Januar 1978 IV R 62/77, BFHE 124, 338, BStBl II 1978, 301; vom 12. November 1975 VIII R 286/81, BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55). Abgesehen davon, daß E M und die Kläger derartige Gesichtspunkte nicht vorgebracht haben, ist auch zu berücksichtigen, daß E M in der Vergangenheit Tätigkeitsvergütungen bezogen hat.
Die bisherigen Erwägungen des FG rechtfertigen nicht die Annahme, daß eine betriebliche Veräußerungsrente zu verneinen ist. Das FG hat im wesentlichen zutreffend die ständige Rechtsprechung des BFH zugrunde gelegt, daß bei der Übertragung eines Betriebs oder eines Gesellschaftsanteils von Eltern auf Kinder gegen Leibrente anzunehmen ist, daß Leistung und Gegenleistung regelmäßig nicht wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen werden; vielmehr ist - widerlegbar - zu vermuten, daß die Rente nach den Versorgungsbedürfnissen der Eltern unabhängig von der Höhe der übertragenen Vermögenswerte ausgerichtet worden ist (Urteile vom 16. November 1972 IV R 38/68, BFHE 108, 28, BStBl II 1973, 184; vom 6. März 1975 IV R 191/71, BFHE 115, 443, BStBl II 1975, 600; vom 21. Dezember 1977 I R 52/76, BFHE 124, 432, BStBl II 1978, 332; vom 22. September 1982 IV R 154/79, BFHE 136, 527, BStBl II 1983, 99). Die von den Klägern angeführten Urteile in BFHE 126, 282, BStBl II 1979, 135 und in BFHE 127, 171, BStBl II 1979, 403 besagen nichts anderes. Insbesondere hat das Urteil des erkennenden Senats in BFHE 126, 282, BStBl II 1979, 135 entgegen der Auffassung der Kläger keine Änderung der Rechtsprechung bewirkt, sondern lediglich die für eine private Versorgungsrente sprechende Vermutung für den Fall als ausgeräumt angesehen, daß die übertragenen Vermögenswerte und die Rentenverpflichtung einander gleichwertig sind.
Das FG fordert - zusätzlich zu einer angemessenen Wertfindung -, es müsse sich ,,aus den Gesamtumständen, unter denen die Rentenvereinbarung zustande gekommen ist, ergeben, daß eine solche Vereinbarung auch unter fremden Dritten getroffen worden wäre". Dieser Auffassung kann nur mit der Einschränkung beigepflichtet werden, daß das FA mit dem Hinweis auf die ,,Gesamtumstände" des Zustandekommens der Rentenvereinbarung wiederum die Vermutung einer privaten Versorgung herstellen kann. Die Steuerpflichtigen trifft indessen nicht die Nachweispflicht für das Nichtvorliegen solcher Umstände. Haben sie darlegen können, daß Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind, und damit die Vermutung einer privaten Versorgung ausgeräumt, ist es Aufgabe des FA, andere Umstände darzulegen, die die zu vermutende betriebliche Veranlassung in Frage stellen.
Es läßt sich nicht ausschließen, daß das FG die dargestellte Darlegungs- und Beweislastsituation verkannt hat. Denn es geht zunächst auf die Umstände des Zustandekommens der Rentenvereinbarung und erst danach auf die Wertverhältnisse ein. Schon aus diesem Grunde ist die Vorentscheidung aufzuheben.
6. Aber auch die Wertermittlung des FG ist nicht rechtsfehlerfrei. Das FG hat eine Wertermittlung lediglich nach Substanzwertgesichtspunkten angenommen. Nach seiner Auffassung liegt der Kapitalwert der Rente (350 000 DM) selbst dann erheblich unter dem Wert des übertragenen Gesellschaftsanteils (ca. 405 000 DM), wenn lediglich die stillen Reserven im unbeweglichen Anlagevermögen und in den geringwertigen Wirtschaftsgütern berücksichtigt werden; die Kläger hätten den Substanzwert des Gesellschaftsanteils noch höher bemessen (450 000 DM). Das FG hat schließlich bemängelt, es sei unberücksichtigt geblieben, daß eine Witwenrente zugunsten der Ehefrau des E M und der Mutter der Kläger bereits in § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags geregelt worden sei. Diesen Ausführungen zur Wertermittlung kann in wesentlichen Punkten nicht gefolgt werden.
a) Gegenleistung der Kläger bzw. der OHG (insbesondere Rente): Einem Rentenkapitalwert von 350 000 DM entspricht nach dem eingeholten versicherungsmathematischen Gutachten eine monatliche Rente von 3 073 DM; die vereinbarte Abrundung der monatlichen Rente auf 3 000 DM muß zu einer Minderung des passivierten Rentenkapitalwerts führen. In dem Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vom 6. Februar 1971 ist als Nebenleistung die Vermietung einer Wohnung an E M für monatlich 200 DM geregelt. Das FG wird dazu Stellung nehmen müssen, ob der Mietzins angemessen ist oder ob eine Vermietung unter Preis und damit eine zusätzliche Leistung der OHG gegeben ist. In diesem Zusammenhang wird auch das Vorbringen der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren zu würdigen sein, E M habe nach seinem Ausscheiden aus der OHG Autonutzung, Strom, Wasser und Heizung erhalten. Sollten diese Nebenleistungen unentgeltlich aufgrund einer anläßlich des Ausscheidens von E M eingegangenen Verpflichtung erbracht werden, würde sich die Gegenleistung erhöhen. E M soll auf sein Gehalt für 1970 verzichtet haben. Hierdurch könnte sich die Gegenleistung gemindert haben, falls der Verzicht nicht sachlich begründet gewesen sein sollte, etwa weil E M schon 1970 keine Tätigkeit mehr für die OHG ausübte.
b) Wert des übertragenen Gesellschaftsanteils: Die Kläger haben - allerdings erst im finanzgerichtlichen Verfahren - geltend gemacht, der Wert des Gesellschaftsanteils habe im Zeitpunkt der Übertragung 347 000 DM betragen; dieser Wert ergebe sich aus dem arithmetischen Mittel (695 000 DM) zwischen dem Ertragswert der OHG (490 000 DM) und dem Substanzwert der OHG (900 000 DM); hiervon entfalle auf den Gesellschaftsanteil des E M 50 v. H. Das FG hat demgegenüber, gestützt auf § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags, nur den Substanzwert berücksichtigt. Gemäß § 15 Abs. 2 des Vertrags ist das Auseinandersetzungsguthaben eines ausscheidenden Gesellschafters aufgrund einer ,,Auseinandersetzungsbilanz" zu ermitteln, in der die Vermögensgegenstände mit ihrem ,,Zeitwert" unter Beachtung des Grundsatzes vorsichtiger Bewertung anzusetzen sind; ,,immaterielle Werte, insbesondere ein Firmenwert oder Praxiswert, werden nicht berücksichtigt".
Es kann dahingestellt bleiben, ob § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags die Berücksichtigung eines Ertragswerts verbietet. Das FG hat übersehen, daß die Bestimmung im Streitfall nicht anwendbar ist. Aus dem Gesellschaftsvertrag, der vom FG in Bezug genommen worden ist und daher vom Senat selbständig ausgelegt werden kann, ergibt sich: § 15 Abs. 2 gilt lediglich für die Fälle, daß ein Gesellschafter ,,ausscheidet" und die Gesellschaft fortgesetzt wird (§ 15 Abs. 1). Die Fälle des Ausscheidens sind abschließend in § 14 angeführt. Es sind dies die Kündigung durch einen Gesellschafter (§ 3, § 14 Abs. 1), ferner die Eröffnung des Vergleichs- oder Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, die Pfändung eines Gesellschafterguthabens durch einen Privatgläubiger, der gerichtliche Ausspruch über die Auflösung der Gesellschaft aus einem wichtigen in der Person eines Gesellschafters liegenden Grund (§ 14 Abs. 2). E M ist nicht aus einem der genannten Gründe ausgeschieden. Er schied vielmehr im Einvernehmen mit den übrigen Gesellschaftern aus. Die Bedingungen dieses Ausscheidens wurden frei ausgehandelt.
Ist der Wert des Gesellschaftsanteils des E M sonach nicht nach § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags zu ermitteln, besteht kein Anlaß für eine bloße Substanzbewertung. Die von den Klägern angewandte Mittelwertmethode, die den Ertragswert und den Substanzwert je zur Hälfte berücksichtigt (dazu BFH-Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 56/75, BFHE 127, 32, 34, BStBl II 1979, 302), erscheint der Sachlage angemessen. Dieses Bewertungsverfahren, auch als Praktikermethode bezeichnet, war jedenfalls im Streitjahr bei der Berechnung des Veräußerungswerts von Unternehmen und Gesellschaftsanteilen üblich (Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 1. Aufl., 1976, S. 83 ff.). Dahingestellt bleiben kann, ob mit dem neueren betriebswirtschaftlichen Schrifttum ausschließlich oder vornehmlich auf den Ertragswert abzustellen ist (Busse von Colbe, Steuerberater-Jahrbuch - StbJb - 1981/82, 257; Moxter, a. a. O., 2. Aufl., 1983 S. 42) oder ob der Substanzwert weiterhin eine nicht zu vernachlässigende Bewertungsgröße ist (Beisse, StbJb 1981/82, 292 f.; Fleck, StbJb 1981/82, 296 f.; Werndl in Raupach - Herausgeber -, Werte und Werteermittlung im Steuerrecht, 1984, 399, 409 ff.).
Das FG wird im zweiten Rechtsgang auf die von den Klägern angestellte Berechnung des Unternehmenswerts eingehen müssen. Hinsichtlich der Ertragswertberechnung wird zu erwägen sein, ob entgegen der Auffassung der Kläger die Ergebnisse aus der Zeit vor Gründung der OHG auszuscheiden sind. Andererseits könnte es gerechtfertigt sein, Unternehmerlöhne abzusetzen, die über die Tätigkeitsvergütungen i. S. des § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hinausgehen. Der von den Klägern angesetzte Zinssatz von 9 v. H. entspricht einem Kapitalisierungsfaktor von 11,11 und dürfte nicht willkürlich sein (BFH-Urteil vom 13. April 1983 I R 63/79, BFHE 138, 541, 544, BStBl II 1983, 667). Das FG hat die Substanzwertberechnung der Kläger mit der Erwägung beanstandet, den stillen Reserven hätten außer den Festkapitalkonten der Gesellschafter von 400 000 DM auch die variablen Gesellschafterkonten hinzugerechnet werden müssen. Diese Beanstandung könnte insofern unberechtigt sein, als zumindest das variable Konto von E M zum 31. Dezember 1970 nach dessen Ausscheiden unabhängig von der Rentenverpflichtung ausgewiesen und ausgeglichen wurde. Das FG geht in seiner Substanzwertberechnung selbst davon aus, daß die Gesellschafterguthaben Verbindlichkeiten sind.
Das FG hat nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ob es der Anregung der Revision folgt, ein Sachverständigengutachten zur Wertermittlung einzuholen.
c) Die Witwenrente aus § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags bleibt außerhalb der Angemessenheitsprüfung, falls sie, was das FG prüfen wird, neben der Witwenrente aufgrund der Vereinbarung vom 6. Februar 1971 zu zahlen ist. Sollte § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags, was näherliegen würde, durch die Rentenvereinbarung vom 6. Februar 1971 hinfällig geworden sein, wäre hierin allerdings ein Vorteil zu sehen, der die Gegenleistung der OHG bzw. der Kläger mindert. In diesem Fall wird sich das FG jedoch nochmals mit der Frage befassen müssen, welchen Wert die entfallene Witwenrente hatte.
Die Witwenrente sollte nach § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags 60 v. H. der vor dem Ausscheiden des E M an diesen gezahlten ,,Bezüge" betragen. Das FG hat unter ,,Bezüge" den Gewinnanteil des E M - hier für 1970 - verstanden. Es erscheint jedoch auch die Vertragsauslegung möglich, daß ,,Bezüge" lediglich die Tätigkeitsvergütungen meint, die an E M gezahlt wurden.
d) Eine Ausgeglichenheit wird schon dann angenommen werden können, wenn sich Leistung und Gegenleistung in etwa entsprechen. Es muß berücksichtigt werden, daß insbesondere die Unternehmensbewertung auf Schätzungen beruht.
7. Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß die Rentenvereinbarung vom 6. Februar 1971 ausgeglichen ist, ist zugunsten der Kläger zu vermuten, daß eine Betriebsveräußerungsrente vereinbart worden ist. Das FG wird im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung prüfen können, ob die Umstände anläßlich des Zustandekommens der Rentenvereinbarung dieser Vermutung entgegenstehen und sie möglicherweise sogar entkräften. Insoweit ist allerdings das FA darlegungs- und beweisbelastet.
Das FG hat in der Vorentscheidung als solche Umstände herausgestellt: Das Fehlen einer Auseinandersetzungsbilanz i. S. des § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags; Darlegung der Wertermittlungsmethode erst im finanzgerichtlichen Verfahren; Fehlen einer zeitgerechten Wertermittlung; E M hätte sich gegenüber fremden Dritten im Hinblick auf § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags nicht auf eine allgemeine Wertermittlungsart verweisen lassen; Aufteilung der aufgedeckten stillen Reserven in der ,,Eröffnungsbilanz" der OHG zum 1. Januar 1971 nach anderen Maßstäben als in der ,,Wertermittlung" der Kläger.
Hierzu ist zu bemerken: § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags ist, wie dargelegt (oben 6. b), im Streitfall nicht anwendbar. Das freie Aushandeln eines Preises ist nach dieser Bestimmung zulässig und im Verhältnis zu fremden Dritten durchaus üblich. Scheidet ein Gesellschafter gegen Abfindung aus und wächst sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern zu, brauchen diese nicht einmal Ergänzungsbilanzen aufzustellen; der Vorgang läßt sich bilanzmäßig so abwickeln, daß die Ergänzungsbeträge, die auf die verbleibenden Gesellschafter entfallen, sogleich in die Gesellschaftsbilanz eingearbeitet werden (Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 5. Aufl., 1985 S. 635). Die Kläger müssen sich indessen das verspätete Darlegen der Wertermittlung und die Widersprüche zur Wertaufstockung der OHG entgegenhalten lassen.
Ob diese Umstände ausreichen, um bei Ausgeglichenheit der vereinbarten Leistungen die Vermutung der betrieblichen Veräußerungsrente zu entkräften, obliegt der Würdigung des FG. Das FG wird dabei nicht die Umstände vernachlässigen dürfen, die im Privatbereich für die Vereinbarung vom 6. Februar 1971 maßgeblich gewesen sein könnten. Die Kläger haben - vom FG bisher unberücksichtigt - vorgetragen, daß E M zwei weitere Söhne hat, denen er bereits früher einen Betrieb überlassen hatte. Die Art und Weise der damaligen Betriebsüberlassung könnte einen Anhalt geben, wie im Streitfall verfahren werden sollte. In diesem Zusammenhang könnte auch die von den Klägern beantragte Vernehmung des Klägers K M von Wert sein.
Sollte eine betriebliche Veräußerungsrente bejaht werden, wird das FG die Höhe der Passivierung und die Verteilung des Aufstockungsbetrags auf die Aktiva überprüfen. Da § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags keine Anwendung findet, erscheint es sogar denkbar, einen Teil der aufgedeckten stillen Reserven auf den Geschäftswert zu verrechnen.
Sollte das FG zum Ergebnis kommen, daß die Rentenvereinbarung nicht ausgeglichen ist, ist zu vermuten, daß eine private Versorgungsrente gewollt war. Es bleibt den Klägern unbenommen, ihr Vorbringen dahin zu ergänzen, daß trotz Unausgeglichenheit eine Betriebsveräußerungsrente anzunehmen sei.
Fundstellen
Haufe-Index 414356 |
BFH/NV 1986, 597 |