Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerberichtigung nach einem Wechsel des Zwischenmieters
Leitsatz (NV)
Der Steuerpflichtige verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn er sich zur Abwehr eines Vorsteuerberichtigungsanspruchs auf die unzutreffende Beurteilung des Vorsteuerabzugs im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung beruft.
Normenkette
BGB § 242; UStG 1980 § 15a
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete 1983 im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft eine Eigentumswohnung, vermietete sie an einen gewerblichen Zwischenvermieter (G-GmbH), verzichtete auf die Steuerbefreiung für die Vermietungsumsätze und zog die ihm für Bauleistungen zur Herstellung der Eigentumswohnung berechneten Steuerbeträge als Vorsteuer ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte das Zwischenmietverhältnis zunächst an und berücksichtigte die geltend gemachten Vorsteuerbeträge.
Der Zwischenvermieter wurde zahlungsunfähig. Ab November 1984 vermietete der Kläger die Wohnung an die O-GmbH zu einer um ... DM niedrigeren Monatsmiete. Nach einer Außenprüfung erkannte das FA das neue Zwischenmietverhältnis wegen Gestaltungsmißbrauchs nicht mehr an, weil der Kläger das Vermietungsrisiko selbst getragen habe.
Es änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1984 bis 1987 im Januar und Februar 1990 und berücksichtigte dabei Vorsteuerberichtigungsbeträge von ... DM (für 1984) und jeweils ... DM (für 1985 bis 1987).
Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren verminderte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuer antragsgemäß. Die Steuerbeträge entsprachen den erklärten Umsatzsteuerbeträgen in den Steueranmeldungen des Klägers, in denen er steuerpflichtige Vermietungsumsätze erklärt und die Umsatzsteuer um den jeweiligen Steuerabzugsbetrag gemäß § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) gemindert hatte.
Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung u.a. aus, die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG 1980 seien nicht gegeben, weil eine Änderung der Verhältnisse nicht vorliege. Das FA habe das erste Zwischenmietverhältnis rechtlich falsch beurteilt. Die frühere Vermietung sei ebenso wie die weitere Vermietung aufgrund eines zweiten Zwischenmietverhältnisses steuerfrei, so daß eine für die den Vorsteuerabzug maßgebende Änderung der Verwendung nicht gegeben sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung sachlichen Rechts (§ 15a UStG 1980). Das FG habe verkannt, so führt das FA zur Begründung u.a. aus, daß § 15a UStG 1980 anwendbar sei, weil eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung der Wohnung sowohl durch den Abschluß eines anderen Zwischenmietvertrags als auch wegen der zwischenzeitlich geläuterten Rechtsprechung zur Zwischenvermietung eingetreten sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat in der Vorentscheidung zutreffend ausgeführt, daß die Voraussetzungen für die vom FA vorgenommene Vorsteuerberichtigung nicht vorliegen.
1. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a Abs. 1 UStG 1980 ist ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei diesem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb des Berichtigungszeitraums (von fünf Jahren, bzw. von zehn Jahren bei Grundstücken) ändern (§ 15a Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG 1980). Die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung des Wirtschaftsguts für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse sind die Umsätze, die der Unternehmer mit dem bezeichneten Wirtschaftsgut ausführt. Die Verhältnisse ändern sich, wenn der Unternehmer mit dem Wirtschaftsgut in den Folgejahren Umsätze ausführt, die hinsichtlich des Vorsteuerabzugs anders zu beurteilen sind als die Umsätze im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung. Somit läßt § 15a Abs. 1 UStG 1980 die Vorsteuerberichtigung zu, wenn das angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung z.B. durch nicht abzugsschädliche und in einem folgenden Kalenderjahr innerhalb des Berichtigungszeitraums durch abzugsschädliche Umsätze (oder umgekehrt) verwendet wird (§ 15 Abs. 2, 3 UStG 1980).
Ob die Verwendungsumsätze den Vorsteuerabzug ausschließen oder zulassen, ist nach zutreffender rechtlicher Beurteilung, nicht aber nach einer dieser widersprechenden Behandlung der Verwendungsumsätze durch die Beteiligten zu entscheiden. Eine Bindung an eine frühere rechtliche Beurteilung des Umsatzes, durch den das Wirtschaftsgut verwendet worden ist, besteht grundsätzlich nicht. Daraus folgt, daß bei gleichbleibender Verwendung eine Änderung der dafür maßgebenden Rechtslage durch Gesetzesänderung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Mai 1992 V R 79/87, BFHE 168, 462, BStBl II 1992, 983) zu einer Vorsteuerberichtigung führen kann. Dafür reicht aber eine geänderte rechtliche Beurteilung in der Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis nicht aus (vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Juni 1991 V R 106/86, BFHE 165, 304, BStBl II 1991, 860).
2. Das FG hat zu Recht erkannt, daß eine Änderung der Verhältnisse i.S. von § 15a UStG 1980 in den Streitjahren 1984 bis 1987 nicht deswegen vorliegt, weil an die Stelle des ersten vom FA anerkannten Zwischenmietverhältnisses ein neues vom FA gemäß § 42 AO 1977 nicht anerkanntes Zwischenmietverhältnis getreten ist. Da die tatsächlichen Umstände beider Zwischenmietverhältnisse im wesentlichen gleich waren, war die gewählte Gestaltung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931) von Anfang an umsatzsteuerrechtlich nicht relevant. Die danach verbleibenden Vermietungsumsätze an den Endmieter schlossen den Vorsteuerabzug sowohl im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung als auch in den Folgejahren aus. Das FA hat in den Streitjahren die fehlerhafte rechtliche Beurteilung des Vorsteuerabzugs im Kalenderjahr der erstmaligen rechtlichen Verwendung aufgedeckt. Es will den Rechtsanwendungsfehler durch Berichtigung des Vorsteuerabzugs für den restlichen Berichtigungszeitraum korrigieren. Dazu ist es aber nach § 15a Abs. 1 UStG 1980 nicht berechtigt. Bei zutreffender sachlicher Beurteilung hat sich die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers durch die Verwendung der Wohnung im ersten Kalenderjahr und in den Streitjahren nicht geändert.
3. Der Kläger verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches), wenn er sich zur Abwehr des Vorsteuerberichtigungsanspruchs auf die unzutreffende Beurteilung des Vorsteuerabzugs im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung beruft. Treu und Glauben verpflichten den Steuerpflichtigen, sich nicht mit früherem Verhalten in Widerspruch zu setzen. Der Kläger verhält sich nicht widersprüchlich in diesem Sinne. Er will seine Mietumsätze folgerichtig weiterhin der Besteuerung unterwerfen. Nach dem Klageantrag, über den das Gericht nicht hinausgehen darf (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), begehrt er nur die Änderung der Steuerbescheide im Umfang der durchgeführten Vorsteuerberichtigung. Er hat keine weitergehende Änderung der Steuerfestsetzungen auch hinsichtlich der steuerfreien Mietumsätze beantragt.
4. Ob eine Berichtigung der Vorsteuerbeträge durch Änderung der Steuerfestsetzungen nach Vorschriften der Abgabenordnung erfolgen könnte, in denen sie abgezogen worden sind, kann dahinstehen. Dies könnte nur rückwirkend, aber nicht für die Streitjahre 1984 bis 1987 geschehen.
Fundstellen
Haufe-Index 418967 |
BFH/NV 1994, 348 |