Leitsatz (amtlich)
Die Errichtung und der Betrieb eines Regionalflughafens durch eine GmbH begründet nicht deren Freistellung von der Gewerbesteuerpflicht wegen Gemeinnützigkeit.
Normenkette
GewStG § 3 Nr. 6; StAnpG § 17; GemV § 4; GemV § 11; GemV § 13
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gemäß § 3 Nr. 6 GewStG als gemeinnützig von der Gewerbesteuer befreit ist.
Die Klägerin ist mit notariellem Vertrag vom 13. Oktober 1969 von den Landkreisen ... zu dem Zweck gegründet worden, im Raume ... einen Regionalflughafen zu errichten und das dazu erforderliche Gelände zu erwerben. Die Klägerin ist nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages gemeinnützig; ihr Zweck ist "nicht auf den Betrieb eines Gewerbes zur Gewinnerzielung ausgerichtet". Nach § 21 des Vertrages sind von dem sich aus der Bilanz ergebenden Reingewinn mindestens 10 v. H. einer Rücklage zuzuführen, bis diese 50 v. H. des Stammkapitals erreicht hat. Die Rücklage soll der Deckung etwaiger, sich aus der Bilanz ergebender Verluste dienen; sie ist im Falle ihrer Inanspruchnahme alsbald wieder aufzufüllen. Darüber hinausgehende Gewinne dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden. Nach § 22 des Gesellschaftsvertrages erhalten die Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft höchstens ihre eingezahlte Stammeinlage zurück. Im übrigen ist bei der Auflösung der Gesellschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zweckes das vorhandene Vermögen einer gemeinnützigen Einrichtung zuzuführen. Beschlüsse darüber, wie das Vermögen der Gesellschaft im Falle ihrer Auflösung oder bei Wegfall des bisherigen Zweckes zu verwenden ist, dürfen nur mit Zustimmung des Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) ausgeführt werden.
Der Flughafenbetrieb wurde inzwischen im September 1971 aufgenommen.
Mit Bescheid vom 6. März 1970 setzte das FA den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für die Erhebungszeiträume 1970 und 1971 für Zwecke der Gewerbesteuervorauszahlung auf je 120 DM fest. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin erfolglos Beschwerde erhoben. Gegen die Beschwerdeentscheidung richtet sich die zum FG erhobene Klage, die das FG mit folgender Begründung abwies:
Die Tätigkeit der Klägerin gelte gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG kraft Rechtsform als Gewerbebetrieb. Auf die Art ihrer unternehmerischen Betätigung komme es nicht an (Urteil des BFH vom 13. Dezember 1960 I 245/60 U, BFHE 72, 177, BStBl III 1961, 66); gemeinnützigen Zwekken diene sie nach ihrer Satzung nicht, da sie weder ausschließlich noch unmittelbar die Allgemeinheit fördere (§ 10 GewStDV, § 17 StAnpG).
Die Errichtung und der Betrieb eines Regionalflughafens komme unmittelbar nur einem relativ kleinen Personenkreis zugute, nämlich den Luftverkehrsgesellschaften und solchen Privatpersonen, die sich eigene Flugzeuge hielten. Dieser Kreis könne nicht als Allgemeinheit im Sinne von § 17 Abs. 1 StAnpG angesehen werden (§ 17 Abs. 4 StAnpG). Soweit die Klägerin demgegenüber meine, vermittels ihrer Betätigung der gesamten Bevölkerung wirtschaftliche und soziale Vorteile zu bringen, verkenne sie, daß es insoweit am Moment der Unmittelbarkeit fehle (§ 11 Abs. 1 der GemV). Um eine Verbesserung der Wirtschafts- und Infrastruktur in ... zu erreichen, bedürfe es des Zusammenwirkens einer Vielzahl von Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen; die Besserstellung der in diesem Raume lebenden Bevölkerung erfolge erst auf einer weiteren Entwicklungsstufe, werde indes durch die Betätigung der Klägerin (selbst oder ihrer Hilfspersonen) unmittelbar nicht bewirkt (§ 11 Abs. 2 GemV). Die anderslautende Rechtsprechung des RFH (Urteile vom 23. Oktober 1928 I A 549/28, Steuer und Wirtschaft II 1929 Nr. 148; vom 20. Dezember 1929 III A 37/28, RStBl 1930, 140, und vom 16. Oktober 1930 III A 70/29, RStBl 1931, 858) sei noch in einer Zeit ergangen, in der der Flugverkehr noch nicht entwickelt gewesen sei und die Erschließung des Luftraumes für den Verkehr als eine dem allgemeinen Besten nutzende Betätigung angesehen werden mochte (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1952 III 271/51 S, BFHE 56, 280, BStBl III 1952, 112).
Auch das Merkmal der Ausschließlichkeit sei nicht erfüllt, weil die Klägerin mit ihrem Bestreben, die Attraktivität des ... Raumes zu heben (auch) andere als steuerbegüngstigte Zwecke verfolge (§ 4 Abs. 1 GemV). Ob darüber hinaus auch eine steuerschädliche Gewinnerzielungsabsicht vorliege, könne dahinstehen. Schließlich fehle es auch an der Verwirklichung der Vermögensbindung (§ 13 Abs. 2 GemV).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom FG zugelassene form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, sie unter Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Beschwerdeentscheidung sowie des Steuerbescheides vom 6. März 1970 von der Steuerpflicht freizustellen. Zur Begründung trägt sie vor:
Zu Unrecht habe das FG verneint, daß ihre Betätigung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit fördere. Sie habe dem FG unter ausführlicher Schilderung der schlechten Wirtschafts- und Verkehrs-Infrastruktur des ... Raumes dargelegt, daß erst der durch ihr Unternehmen ermöglichte regionale Flugverkehr mit seinen Anschlußmöglichkeiten an das nationale und internationale Flugnetz für die dort ansässigen Unternehmen die Voraussetzung geschaffen habe, angesichts wesentlicher Zeitersparnis neue und verstärkte Geschäftsbeziehungen anzuknüpfen, verstanden als ersten Schritt zu Produktionssteigerungen, erhöhten Investitionen und Kapazitätsausweitungen, die - auf lange Sicht - im Verein mit der Ansiedlung neuer Industrien und der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu Einkommenssteigerungen und sozialer Besserstellung der gesamten Bevölkerung führten. Wenn das FG ihrem Unternehmen die Gemeinnützigkeit nur deshalb versagt habe, weil zur Erreichung ihres Zweckes eine Vielzahl von Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen mitwirken müsse, so sei dies eine einseitige und formalistische Betrachtungsweise. Die vom FG vorgenommene willkürliche Grenzziehung zwischen einer Tätigkeit, die die Allgemeinheit unmittelbar fördere, und einer solchen, die sie nur mittelbar fördere, entspreche kaum dem Sinn und Zweck des Gesetzes.
Der vom FG angezogene Fall des BFH-Urteils III 271/51 S behandele offensichtlich einen Flughafen in Großstadtnähe und könne deshalb als Vergleichsfall nicht dienen. Der hier in Rede stehende Raum sei kein Ballungszentrum, vielmehr noch nicht einmal mit herkömmlichen Verkehrsmitteln hinreichend erschlossen und deshalb vorwiegend landwirtschaftlich strukturiert. Ihr Ziel, die hier bestehende Lücke im Luftverkehr zu schließen, sei bis heute noch keineswegs erreicht.
Wenn im Gesellschaftsvertrag, wie vom FG beanstandet, die Vermögensbindung fehle, so deshalb, weil der Flughafen nur mit öffentlichen Mitteln erheblichen Umfangs habe weiter ausgebaut und unterhalten werden können.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat zutreffend dargelegt, daß eine an sich gewerbliche Betätigung nur dann als gemeinnützig anerkannt werden kann, wenn durch sie "ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wird" (§ 17 Abs. 1 StAnpG). Dabei ist eine Förderung der Allgemeinheit nach dem Gesetz nur dann anzunehmen, wenn die in Frage stehende Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nützt (§ 17 Abs. 2 StAnpG), ohne daß es im einzelnen auf die Resonanz ankommt, die diese Tätigkeit bei den durch sie angesprochenen, betroffenen oder an ihr interessierten Personen findet (BFH-Urteil vom 20. Januar 1972 I R 81/70, BFHE 104, 534, BStBl II 1972, 440).
Auch wenn man hier den Personenkreis, den die Klägerin vom Zweck ihrer Betätigung her angesprochen wissen will (die Gesamtbevölkerung des ... Raumes), als Allgemeinheit gelten lassen kann (vgl. zur Frage der Anerkennung der kaufmännischen und technischen Angestellten aus Industrie und Handel sowie der selbständigen Kaufleute als Allgemeinheit das BFH-Urteil vom 22. November 1972 I R 21/71, BFHE 108, 96, BStBl II 1973, 251), so muß die Anerkennung der Betätigung der Klägerin als gemeinnützig doch am Fehlen der Unmittelbarkeit und der Ausschließlichkeit ihrer Betätigung in Richtung auf die Förderung der Allgemeinheit durch diese Tätigkeit als Zweckverwirklichung scheitern.
a) Die Klägerin bezweckt - auch nach ihrem Vortrag in der Revisionsinstanz - eine Verbesserung der wirtschaftlichen und verkehrsmäßigen Infrastruktur des ... Raumes und damit die Förderung der Gesamtbevölkerung dieses Raumes als der Allgemeinheit, indem sie durch ihre Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem Gebiete nützt. Wie die Klägerin indes selbst einräumt, fördert sie mit der Schaffung und Unterhaltung eines Regionalflughafens die Allgemeinheit, d. h. die Gesamtbevölkerung des ... Raumes nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar. Der Kreis der durch ihre Tätigkeit unmittelbar geförderten Personen ist - wie das FG zutreffend dargelegt hat - zu klein, um als Allgemeinheit im Sinne des Gesetzes angesehen werden zu können.
Die von der Klägerin beanstandete Grenzziehung zwischen einer Tätigkeit, die die Allgemeinheit unmittelbar fördert, und einer solchen, die sie nur mittelbar fördert, entspricht dem Gesetz (§ 17 Abs. 1 StAnpG, § 11 GemV). Die Voraussetzung der Unmittelbarkeit der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks durch einen Steuerpflichtigen ist nur dann erfüllt, wenn dieser als gemeinnützig anzuerkennende Steuerpflichtige den steuerbegünstigten Zweck in eigener Person oder durch Hilfspersonen verwirklicht, deren Wirken wie eigenes Wirken des Steuerpflichtigen anzusehen ist. Daß die Klägerin mit ihrer Betätigung selbst unmittelbar die von ihr angestrebten Ziele (die Verbesserung der Infrastruktur im ... Raum) nicht erreichen kann, liegt auf der Hand und ist nicht bestritten. Davon aber, daß alle jene Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen, deren Zusammenwirken zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist, als Hilfspersonen der Klägerin im oben dargelegten Sinne gelten könnten (wie z. B. das Personal eines eine Volksküche unterhaltenden gemeinnützigen Vereins), kann keine Rede sein.
b) Der Senat kann es danach dahingestellt lassen, ob die Klägerin - wofür ihr Gesellschaftsvertrag Anhaltspunkte bieten könnte - nicht neben ihren satzungsmäßigen Zwecken auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt (wenngleich eine Gewinnerzielungsabsicht nicht angenommen wird, wenn der Steuerpflichtige mit seinem Betrieb lediglich die Deckung seiner Selbstkosten erstrebt: BFH-Urteil vom 27. Mai 1964 I 226/62 U. BFHE 80, 29, BStBl III 1964, 485), so daß es auch am Merkmal der Ausschließlichkeit (§ 17 Abs. 1 StAnpG, § 4 Abs. 1 GemV) fehlen würde. Dasselbe gilt hinsichtlich des Merkmals der Vermögensbindung (§ 13 GemV; BFH-Urteil vom 20. September 1967 I 62/63, BFHE 90, 177, BStBl II 1968, 24); auf die Gründe des Fehlens dieses Merkmals kommt es nicht an.
Fundstellen
BStBl II 1975, 121 |
BFHE 1975, 100 |