Leitsatz (amtlich)
Werden Anzahlungen durch Hingabe eines Schecks geleistet, so sind sie in dem Zeitpunkt aufgewendet, in dem dem Lieferanten (Leistungsberechtigten) die Schecksumme tatsächlich zufließt.
Normenkette
EStG 1975 § 7a Abs. 2 S. 5; InvZulG 1975 § 4b Abs. 3-4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bestellte im Juni 1975 einen PKW bei der X-AG. Den Vertrag vermittelte die Firma A, die als Handelsvertreterin für die X-AG tätig ist. Nach dem Vertretervertrag hatte die Vertreterin bis auf Widerruf Vollmacht zum Inkasso des Kaufpreises. In der dem Kläger von der X-AG übersandten Auftragsbestätigung war dagegen vermerkt, daß zur Annahme etwaiger Vorauszahlungen ausschließlich die Werke und eigenen Niederlassungen der AG berechtigt seien. Am 28. Juni 1976 übergab der Kläger der Firma A einen Scheck über den Kaufpreis (ohne Mehrwertsteuer), der seinem Konto am 29. Juni 1976 belastet wurde. Die Firma A behielt den gutgeschriebenen Betrag zunächst für sich und glich den Rechnungsbetrag erst nach Lieferung des Wagens im September 1976 gegenüber der X-AG aus.
Dem Antrag des Klägers, ihm für die Anschaffung des PKW eine Investitionszulage gemäß § 4b des Investitionszulagengesetzes 1975 - InvZulG 1975 - (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) zu gewähren, lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt FA) mit der Begründung ab, der Kläger habe die Anzahlung erst nach dem 30. Juni 1976 aufgewendet. Der Scheck sei nämlich der X-AG nach diesem Zeltpunkt gutgeschrieben worden. Außerdem habe die Firma A keine Zahlungen mit befreiender Wirkung annehmen können. An eine der Firma A gegebene Auskunft sah sich das FA nicht gebunden, weil es irrtümlich von einer unbeschränkten Inkassoberechtigung dieser Firma ausgegangen sei. In dieser Auskunft hatte das FA die Auffassung vertreten, die Frist des § 4b Abs. 4 InvZulG 1975 könne auch durch Zahlungen an die Firma A gewahrt werden.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 359 (EFG 1979, 359) veröffentlichten Gründen stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA mit der es Verletzung des § 4b InvZulG 1975 rügt. Es ist der Ansicht, daß Anzahlungen nur zwischen den Vertragspartnern geleistet werden können. Daran fehle es aber im Streitfall.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision fuhrt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 4b Abs. 4 Satz 1 InvZulG 1975 wird für Wirtschaftsgüter, bei denen die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 1 vorliegen, die aber keine Wirtschaftsgüter i. S. des Abs. 2 Sätze 3 und 4 sind und die nach dem 30. Juni 1976 und vor dem 1. Juli 1977 geliefert worden sind, eine Investitionszulage von 7, 5 v. H. der vor dem 1. Juli 1976 aufgewendeten Anzahlungen auf Anschaffungskosten gewährt.
1. Anzahlungen auf Anschaffungskosten i. S. dieser Vorschrift sind Vorleistungen auf ein zu einem späteren Zeitpunkt vollzogenes Anschaffungsgeschäft. Insoweit gelten die Grundsätze, die der Senat in seinem zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) ergangenen Urteil vom 2. Juni 1978 III R 48/77 (BFHE 125, 243, BStBl II 1978, 475) aufgestellt hat, entsprechend.
a) Der Umstand, daß Vorleistungen auf ein Anschaffungsgeschäft bilanzrechtlich Anzahlungen darstellen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs BFH vom 17. Januar 1973 I R 17/70, BFHE 108, 329, BStBl II 1973, 487), genügt entgegen der Auffassung des FG für sich allein gesehen noch nicht, den Investitionszulageanspruch zu begründen. Vielmehr muß noch hinzukommen, daß die fraglichen Aufwendungen in Erfüllung des Anschaffungsgeschäftes vor dem 1. Juli 1976 aufgewendet worden sind. Die Frage der Bilanzierung ist von der Frage zu trennen, zu welchem Zeitpunkt und wem eine Anzahlung zugeflossen sein muß, um eine Investitionszulage hierfür beanspruchen zu können.
b) Für die Entscheidung, ob eine Anzahlung rechtzeitig erfolgt ist, ist entgegen der Ansicht des FG § 4b i. V. m. § 4b Abs. 3 InvZulG 1975 und § 7a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG 1975) maßgebend. Nach § 7a Abs. 2 Sätze 4 und 5 EStG sind Anzahlungen durch Hingabe eines Schecks in dem Zeitpunkt aufgewendet, in dem dem Lieferanten durch Einlösung des Schecks das Geld tatsächlich zufließt.
Eine mit § 7a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 EStG im Wortlaut fast vollständig übereinstimmende Regelung war bereits durch das Steueränderungsgesetz 1973 (StÄndG 1973) in § 1 Abs. 5 InvZulG 1973 aufgenommen worden (vgl. dazu Deutscher Bundestag, Drucksache 7/591, S. 11). Zweck dieser Regelung war es, zu vermeiden, daß die Investitionszulagegewährung für Anzahlungen auf Anschaffungskosten durch bloße Hingabe eines Wechsels oder eines Schecks in ein Wirtschaftsjahr vorverlagert werden konnte, in dem Zahlungen tatsächlich noch nicht geleistet wurden (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 7/592, S. 9). Mit der Übernahme dieser Regelung in das Einkommensteuergesetz sah es der Gesetzgeber als ausreichend an, in § 1 Abs. 5 und § 4b Abs. 3 und 4 InvZulG 1975 auf die Vorschrift des § 7a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 EStG 1975 zu verweisen. Die Änderung des Investitionszulagengesetzes hatte insoweit nur redaktionelle Bedeutung, eine sachliche Änderung war damit nicht verbunden (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 7/2722, S. 10, 26 und 28 sowie Drucksachen 7/2979 S. 4 und 7/3010, S. 6). Darüber hinaus ist durch die Einfügung der Zahl "1975" hinter dem Wort "Einkommensteuergesetzes" in § 4a Abs. 3 Satz 3 InvZulG, dem späteren § 4b Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1975, klargestellt, daß § 7a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 EStG 1975 bereits ab 1. Dezember 1974 anwendbar ist, obwohl das Einkommensteuergesetz 1975 erst am 1. Januar 1975 in Kraft trat (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 7/3010, S. 9 und 14, zu § 4a des Gesetzentwurfs).
2. a) Aufgewendet sind Anzahlungen auf Anschaffungskosten gemäß § 4b Abs. 3 und 4 InvZulG 1975 i. V. m. § 7a Abs. 2 Satz 3 EStG 1975 grundsätzlich im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung. Werden Anzahlungen durch Hingabe eines Schecks geleistet, so sind sie erst - in dem Zeitpunkt aufgewendet, in dem dem Lieferanten, d. h. dem Leistungsberechtigten, durch Einlösung des Schecks das Geld tatsächlich zufließt (§ 4b Abs. 3 und 4 InvZulG 1975 i. V. m. § 7a Abs. 2 Sätze 4 und 5 EStG 1975). Diese Auslegung steht in Einklang sowohl mit dem Wortlaut als auch der Zielsetzung des § 7a Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG. Bei Hingabe eines Schecks ist die Anzahlung damit grundsätzlich in dem Zeitpunkt aufgewendet, in dem die Bank dem Lieferanten den Scheck auszahlt oder den Gegenwert gutschreibt.
b) ist ein Dritter vom Lieferanten bevollmächtigt, in dessen Namen und für dessen Rechnung Anzahlungen entgegenzunehmen, so reicht es zur Fristwahrung aus, wenn die Schecksumme bis zum Ablauf der Frist dem Dritten ausgezahlt oder dessen Konto gutgeschrieben wird.
3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen hat der Kläger zwar am 28. Juni 1976 der Firma A einen Scheck über den Kaufpreis übergeben, der seinem Konto bereits am 29. Juni 1976 belastet worden ist. Diese Vorleistung wäre aber nach den vorstehenden Grundsätzen nur dann zulagebegünstigt. wenn die X-AG die Firma A zur Annahme der Anzahlung bevollmächtigt hatte. Die vom FG hierzu getroffenen Feststellungen ermöglichen es dem Senat jedoch nicht, abschließend zu befinden. Das FG hat die Inkassovollmacht zwar aufgrund des vom Kläger vorgelegten Rundschreibens der X-AG vom 23. Mai 1975 verneint, weil in ihm lediglich auf die Anzahlungsmöglichkeit hingewiesen sei. Das Rundschreiben kann jedoch nicht für sich allein gesehen werden. Es ist vielmehr im Zusammenhang mit dem Schreiben der X-AG an das FA vom 13. Dezember 1977 zu beurteilen, wonach diese ihren Kunden in Abweichung von den im ursprünglichen Kaufvertrag getroffenen Vereinbarungen ermöglichen soll, Anzahlungen zu leisten, die auch gegenüber den Vertretern mit befreiender Wirkung haben erbracht werden können. in die Beurteilung ist ferner die Aussage des Zeugen B in der mündlichen Verhandlung vor dem FG einzubeziehen. Danach hat die Firma A auf Aufforderung der Bezirksleitung der X-AG die Kunden einzeln angeschrieben und sie auf die Möglichkeit der Leistung von Anzahlungen hingewiesen. Dies alles konnte zwar für eine Inkassovollmacht sprechen, es bedarf jedoch insoweit noch weiterer Aufklärung durch das FG. Die Sache war daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, das die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird.
Fundstellen
BStBl II 1981, 179 |
BFHE 1981, 175 |