Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze für die Nachsichtgewährung bei einem Versehen im Büro eines Rechtsanwaltes (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 130/54 S vom 10. September 1954, BStBl 1954 III S. 350, Slg. Bd. 59 S. 363) sind auf Steuerbevollmächtigte anwendbar.
Bei der Hingabe eines zinslosen Darlehens durch eine KG an eine von ihrem Komplementär beherrschte Kapitalgesellschaft darf eine Abschreibung bei dem Darlehen wegen der Zinslosigkeit nicht zu einer Gewinnminderung bei der KG führen, wenn die Hingabe bzw. das Stehenlassen des Darlehens nicht durch den Betrieb der KG veranlaßt ist, sondern auf gesellschaftsrechtlichen Erwägungen des Komplementärs beruht.
Normenkette
AO § 86; EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2, § 7c
Tatbestand
Streitig ist, ob eine von der Bfin. vorgenommene Abzinsung eines zinslosen Darlehens zulässig ist.
Die beschwerdeführende KG, an der der Gesellschafter F zu 90% und seine Mutter zu 10% beteiligt sind, hatte in den Jahren 1951 bis 1953 § 7c-Darlehen von insgesamt 350 000 DM an die Wohnungs-Gesellschaft K mbH (GmbH gewährt. Von dem Stammkapital der GmbH haben der Gesellschafter F 75% Anteile und seine Ehefrau die restlichen 25% inne. Die Darlehen dieser Jahre waren unter der Bedingung hingegeben worden, daß für die Arbeiter und Angestellten der Bfin. Wohnungen geschaffen wurden. An Stelle der ursprünglich vorgesehenen Anzahl wurden jedoch dreizehn Wohnungen weniger errichtet, weil ein geplantes sechsgeschossiges Gebäude bauamtlich nur fünfgeschossig genehmigt wurde.
Die Bfin. beließ der GmbH die darauf entfallenen Darlehnsbeträge in Höhe von 91 000 DM. In den Bilanzen 1954 bis 1956 wies sie diese als zinslose Darlehen aus und kürzte dementsprechend den in den Vorjahren gemäß § 7c EStG gebildeten Gewinnabzug um diesen Betrag. Wegen der Zinslosigkeit des Darlehens nahm sie gleichzeitig eine Abzinsung nach einer Laufzeit von 24 Jahren vor und bildete folgende passive Wertberichtigungsposten:
zum 31. Dezember 1954 ------------ 65 000 DM, zum 31. Dezember 1955 ------------ 64 000 DM, zum 31. Dezember 1956 ------------ 62 000 DM.Nach einer Betriebsprüfung wurden die einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide geändert; dabei wurde die Abzinsung nicht anerkannt. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanzen sind der Ansicht, da die Darlehnsbeträge ausdrücklich zum Zwecke des Bauens von Wohnungen hingegeben worden seien, habe die Bfin. wegen Wegfalls der Vertragsgrundlage die Darlehen in Höhe von 91 000 DM zurückfordern, zumindest unter Abänderung des Vertrages einen angemessenen Zinssatz vereinbaren können. Dieses Verlangen habe die Bfin. aber nicht gestellt, weil der mit 90% an der Bfin. beteiligte Komplementär F zugleich zusammen mit seiner Ehefrau das gesamte Stammkapital der GmbH innehabe. Einer fremden Person gegenüber hätte die Bfin. sich sicherlich nicht so verhalten.
Wegen der Möglichkeit der Rückforderung des Darlehens sei die Rechtslage nicht anders zu beurteilen, als ob die Bfin. der von ihr beherrschten GmbH im Jahre 1954 ein zinsloses Darlehen gewährt habe. In derartigen Fällen komme eine Teilwertabschreibung beim Darlehnsgeber nicht in Betracht.
Mit der um einen Tag verspätet eingelegten Rb. wird vorgetragen, die Absendung der Rb. am letzten Tage vor dem Fristablauf und der dadurch verursachte verspätete Eingang sei gegen die ausdrückliche Anweisung des Bevollmächtigten durch das Büropersonal verschuldet worden.
Ein Erwerber des Unternehmens würde für das unverzinsliche Darlehen nicht den Nennbetrag, sondern nur den niedrigeren Teilwert bezahlen. Dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts stehe es nicht entgegen, wenn der Gläubiger es in der Hand habe, die Unverzinslichkeit zu beseitigen oder vorzeitige Rückzahlung des Darlehens zu veranlassen. Der Gesellschafter einer GmbH sei berechtigt, seiner Gesellschaft günstigere Bedingungen zu gewähren als er sie fremden Gläubigern gewähren würde. Die KG habe es darum in der Hand, die Bedingungen für das gescheiterte § 7c-Darlehen so zu stellen, wie es nach ihrem Ermessen für die Vertragspartner am zuträglichsten sei. Der GmbH sei es aber auch unmöglich gewesen, das Darlehen zurückzuzahlen oder zu verzinsen. Der Gesellschafter F sei zu dauernden finanziellen Hilfen über eine Reihe von Jahren (bis 1958) gezwungen gewesen. Die Darlehnshingabe sei eine "vollendete Fehldisposition" gewesen, die KG habe keine Vorteile von der Darlehnshingabe gehabt. Für die Darlehnsforderung der KG gegenüber der GmbH falle ein Zinsertrag als Entgelt für die überlassung des Geldbetrages aus. Das bedeute, daß die entsprechende Forderung die Ertragslage der KG negativ beeinflusse und deshalb für diese nur einen geminderten Wert habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist zulässig, aber unbegründet.
Die Fristversäumnis kann im vorliegenden Fall als entschuldigt angesehen werden, weil nach den Erklärungen der Beteiligten hier ein Verschulden der Bürovorsteherin angenommen werden kann, die die telefonisch angeordnete sofortige Absendung verzögerte. Ein solches Verschulden des Personals ist beim Rechtsanwalt (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 130/54 S vom 10. September 1954, BStBl 1954 III S. 350, Slg. Bd. 59 S. 363) und Steuerberater (Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 123/56 U vom 13. September 1956, BStBl 1956 III S. 327, Slg. Bd. 63 S. 341) ein Grund zur Nachsichtgewährung, sofern kein Mangel in der Organisation des Büros oder in der überwachung des Personals die Fristversäumnis verursacht hat. Der Senat hat keine Bedenken, diese Grundsätze auch auf Steuerbevollmächtigte anzuwenden (ebenso Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 465/59 vom 3. März 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 86, Rechtsspruch 51). Da nach dem Akteninhalt weder ein Organisationsfehler noch ein Mangel in der überwachung feststellbar ist, steht einer Nachsichtgewährung nichts im Wege.
Die Rb. ist aber unbegründet. Der erkennende Senat hat im Urteil I 207/55 U vom 9. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 382, Slg. Bd. 63 S. 484) ausgeführt, daß ein Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaues, für das die Steuervergünstigung des § 7c EStG zu versagen ist, nach den allgemeinen bilanzsteuerlichen Grundsätzen zu behandeln ist. Es ist darum der Bfin. darin zuzustimmen, daß es bei der Bewertung des nunmehr unverzinslich stehengebliebenen Darlehens nicht darauf ankommt, wer den "Mangel" an der § 7c-Vergünstigung zu vertreten hat, sondern allein darauf, wie das Darlehen nunmehr steuerlich zu bilanzieren ist. Das Urteil des Bundesfinanzhofs I 207/55 U, a. a. O., hat ausgeführt, daß die Zinslosigkeit des Darlehens nicht ohne weiteres einen niedrigeren Teilwert begründet, weil ein Kaufmann gewöhnlich für einen Gegenstand nur so viel aufwendet, wie ihm der Gegenstand für den Betrieb wert ist. Im Zeitpunkt der Darlehnshingabe entsprach auch hier der Wert des Darlehens dem Nennbetrag.
Mag auch der Bfin. ohne nähere Prüfung zugegeben werden, daß das Darlehen möglicherweise für die KG einen niedrigeren Teilwert hatte, weil sie keine Vorteile besonderer Art aus dem Darlehen beanspruchen konnte, so kann aber nicht anerkannt werden, daß das zinslose Stehenlassen des Darlehens eine Betriebliche Maßnahme der KG war; dies entsprach vielmehr den persönlichen Interessen des Gesellschafters, der zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH ist. Das zinslose Stehenlassen beruht darum auf gesellschaftsrechtlichen überlegungen des Gesellschafters; in diesem Falle ist es für die Besteuerung ohne Bedeutung, wenn der Steuerpflichtige nach handelsrechtlichen Grundsätzen in der Bilanz auf einen niedrigeren Wert für das Darlehen herabgehen muß. Es kann jedenfalls nicht gebilligt werden, daß steuerlich der KG durch die Abschreibung des Darlehens eine Vermögenseinbuße und damit eine Minderung des Gewinnes (Aufwand) aufgebürdet wird, die nicht ihren eigenen Interessen entspricht. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die GmbH-Anteile zu Recht im Betriebsvermögen der KG nicht aufgeführt sind; denn bei der Personengleichheit des mit 90% v. H. beteiligten Komplementärs der KG und des mit 75 v. H. (mit seiner Ehefrau zusammen mit 100 v. H.) an der GmbH beteiligten Gesellschafters kann die KG die Vertragsbedingungen für ihre Geschäfte mit der GmbH nicht "nach ihrem Ermessen" stellen mit der Folge, daß ihr Gewinn mit der Abzinsung belastet wird. Die Herabsetzung des Darlehens auf einen niedrigeren Teilwert darf darum nicht zu Lasten des Gewinns der KG, sondern nur zu Lasten des Gesellschafters gebucht werden.
Die Vorinstanzen haben darum mit Recht eine Gewinnminderung der KG abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 410736 |
BStBl III 1963, 184 |
BFHE 1963, 500 |
BFHE 76, 500 |
BB 1963, 1290 |
BB 1963, 377 |
DB 1963, 573 |
DStR 1962/63, 342 |