Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pauschalierung des Nutzungswerts bei Nutzungsüberlassung auf sachenrechtlicher Grundlage; Übernahme der Verzinsung und Tilgung von Darlehen als Entgelt für die Nutzungsüberlassung
Leitsatz (NV)
1. Der Nutzungswert der dem Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassenen Wohnung in einem Einfamilienhaus ist auch dann nicht pauschaliert, sondern durch Abzug der Werbungskosten vom Mietwert zu ermitteln, wenn die Nutzungsüberlassung nicht auf schuldrechtlicher, sondern auf sachenrechtlicher Grundlage beruht.
2. Übernimmt der Nutzungsberechtigte die Verzinsung und Tilgung von Darlehen als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung, ist diese Überlassung (insoweit) nicht unentgeltlich.
3. Hat die Übernahme der Verzinsung und Tilgung dagegen ihren Rechtsgrund in der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung von Ehegatten, betrifft sie die Vermögens sphäre und ist für die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unerheblich.
Normenkette
EStG §§ 21, 21a
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1965 mit der Beteiligten zu 2 verheiratet. Aus der Ehe stammt die Beteiligte zu 1.
Die Eheleute lebten zunächst im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Mit Ehevertrag vom 19. März 1979 vereinbarten sie den Güterstand der Gütertrennung (§ 1414 BGB). Zum Ausgleich eines etwaigen Zugewinns übertrug der Kläger der Beteiligten zu 2 seinen Miteigentumsanteil an dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück X und verpflichtete sich im Innenverhältnis, der Beteiligten zu 2 Ansprüche der Grundpfandrechtsgläubiger "von der Hand zu halten" und die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Valuten nebst Kosten und Zinsen gegenüber den Gläubigern als Alleinschuldner zu tilgen. Die Beteiligte zu 2 übertrug ihrerseits dem Kläger ihren Miteigentumsanteil an einem anderen Grundstück.
Nachdem die Eheleute bereits seit 1982 getrennt gelebt hatten, schlossen sie 1983 einen Scheidungsfolgenvergleich. U. a. gewährte die Beteiligte zu 2 dem Kläger und der Beteiligten zu 1 als Gesamtgläubigerin (§ 428 BGB) das "unentgeltliche" Nutzungsrecht an dem in ihrem Alleineigentum stehenden Grundstück X einschließlich des Einfamilienhauses "unter Ausschluß der Eigentümerin". Sie beantragte und bewilligte die Eintragung des Nutzungsrechts im Grundbuch. Für die Dauer des Nutzungsrechts sollten der Kläger und die Beteiligte zu 1 die laufenden Grundstückskosten und die öffentlichen Abgaben allein tragen und die Beteiligte zu 2 insoweit von allen Ansprüchen freistellen. Der Kläger verpflichtete sich, die im Grundbuch eingetragenen Belastungen des Grundstücks allein zu tragen, und zwar auch nach der zum ... 1991 vereinbarten Übertragung des Eigentums auf die Beteiligte zu 1.
Im Streitjahr (1985) nutzten der Kläger und die Beteiligte zu 1 das Grundstück X zu eigenen Wohnzwecken. Sie stellten in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einem je zur Hälfte auf sie entfallenden Mietwert von 12 000 DM dem Kläger zuzurechnende Werbungskosten von 54 865 DM gegenüber und ermittelten hieraus einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 42 865 DM. Die Werbungskosten setzen sich zusammen aus Finanzierungskosten von 51 101 DM sowie sonstigen Aufwendungen von 3 764 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte mit Bescheid vom 27. Januar 1987 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Grundstücksgemeinschaft auf 10 118 DM fest und rechnete diese Einkünfte mit 4 118 DM dem Kläger und mit 6 000 DM der Beteiligten zu 1 zu. Der Einspruch blieb erfolglos.
Während des Klageverfahrens ergänzte das FA den angefochtenen Feststellungsbescheid dahin, daß die Beteiligte zu 2 nicht an der Erzielung von Einkünften der Gemeinschaft (Kläger und Beteiligte zu 1) beteiligt sei, und gab der Beteiligten zu 2 eine Ausfertigung des ergänzten Bescheids und der Einspruchsentscheidung bekannt. Ferner zog das FA die Beteiligte zu 1 nachträglich zum Einspruchsverfahren hinzu und gab ihr die Einspruchsentscheidung bekannt. Die Beteiligten haben die Einspruchsentscheidung nicht angefochten. Auf Antrag des Klägers wurde der geänderte Bescheid Gegenstand des Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage auf Ansatz des erklärten Werbungskostenüberschusses bei den dem Kläger zuzurechnenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung insoweit statt, als es dem Kläger Einkünfte in Höhe von 0 DM zurechnete. Die der Beteiligten zu 1 zugerechneten Einkünfte ließ es unverändert. Zur Begründung führte es u. a. aus, die Beteiligte zu 2 habe dem Kläger und der Beteiligten zu 1 das Nutzungsrecht an dem Grundstück unentgeltlich zugewendet. Der Nutzungswert sei in entsprechender Anwendung des § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschaliert zu ermitteln.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 21 Abs. 2, § 21 a EStG. Nach seiner Auffassung sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Gegenüberstellung des Mietwerts und der Werbungskosten (einschließlich Zins und Tilgung der Darlehen) zu ermitteln.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat den Nutzungswert (§ 21 Abs. 2 EStG) zwar zu Unrecht nach der Pauschalierungsregelung des § 21 a EStG ermittelt. Die Vorentscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 126 Abs. 4 FGO).
1. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück sind nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG und nicht nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 i. V. m. § 21 a EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu ermitteln.
Nach § 21 Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus (1. Alternative) oder der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung (2. Alternative).
a) Der Nutzungswert einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus sowie der Nutzungswert einer Wohnung in einem eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, ist pauschaliert zu ermitteln (§ 21 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG).§
21 Abs. 2 Alternative 1 und § 21 a EStG knüpfen mit der Bezugnahme auf die Wohnung "im eigenen Haus" grundsätzlich an das Eigentum am Hause an. Die Vorschriften gelten darüber hinaus, wenn ein Objekt i. S. von § 21 a EStG vom Steuerpflichtigen aufgrund eines Vorbehaltsnießbrauchs oder eines vorbehaltenen dinglichen Wohnungsrechts genutzt wird. Durch den dinglichen Vorbehalt des Nutzungsrechts bleibt hinsichtlich der Nutzung zwischen Veräußerer und Erwerber grundsätzlich alles unverändert (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627; vom 15. Dezember 1992 IX R 131/90, BFHE 170, 165, BStBl II 1993, 492 m. w. N.).
b) Ist dagegen die Wohnung in einem Einfamilienhaus (Objekt i. S. des § 21 a EStG) dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassen und ist ihm daher deren Nutzungswert nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen, ist dieser durch Gegenüberstellung des Mietwerts und der Werbungskosten zu ermitteln. Die Pauschalierungsregelung des § 21 a EStG ist insoweit nicht anwendbar. Für ein schuldrechtlich eingeräumtes Nutzungsrecht hat der Senat dies bereits im Urteil in BFHE 170, 165, BStBl II 1993, 492 entschieden. Für ein Nutzungsrecht auf sachenrechtlicher (dinglicher) Grundlage, das dem Steuerpflichtigen wie im Streitfall zugewendet wurde, gilt nichts anderes. Anders als bei einem vorbehaltenen Nutzungsrecht kann bei einem zugewendeten dinglichen Nutzungsrecht nicht an früheres Eigentum des Steuerpflichtigen an diesem Objekt angeknüpft werden. Auch in diesem Fall nutzt der dinglich Nutzungsberechtigte das Grundstück nicht vergleichbar einem Eigentümer (BFH-Urteil in BFHE 170, 165, BStBl II 1993, 492).
2. Die Vorentscheidung erweist sich im Ergebnis dennoch als zutreffend. Der begehrte Werbungskostenüberschuß kann dem Kläger nicht zugerechnet werden, weil die streitigen Finanzierungskosten nicht als Werbungskosten abgezogen werden können. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger das Nutzungsrecht entgeltlich oder unentgeltlich erhalten hat.
a) Hat der Kläger die Verzinsung und Tilgung der Darlehen als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung übernommen, ist ihm ein Nutzungswert nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG nicht zuzurechnen. Die Vorschrift setzt eine ganz oder teilweise unentgeltliche Überlassung der Wohnung voraus. Auch die Übernahme von Verbindlichkeiten als Gegenleistung für die Wohnungsüberlassung ist Entgelt i. S. des § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG (zur Übernahme von Verbindlichkeiten als Entgelt vgl. BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4--6/89, unter C.II.3., BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Ist die Verzinsung und Tilgung der Darlehen Gegenleistung für die Überlassung der Wohnung, handelt es sich um nicht abziehbare Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 1 EStG; vgl. zur Miete BFH-Urteil vom 29. März 1979 IV R 137/77, unter II., BFHE 128, 196, BStBl II 1979, 700).
b) Ist die Übernahme der Verzinsung und Tilgung der Darlehen nicht als Gegenlei stung für die Nutzungsüberlassung zu beurteilen, sondern hat sie ihren Rechtsgrund in der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Ehegatten, betrifft sie die Vermö genssphäre und ist für die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unerheblich (Senatsurteile vom 8. Dezember 1992 IX R 68/89, BFHE 170, 134, BStBl II 1993, 434; vom 11. Mai 1993 IX R 25/89, BFHE 171, 445, BStBl II 1993, 751). Bei der Ermittlung des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG sind dann von dem Mietwert in Höhe von 6 000 DM, der dem Kläger zuzurechnen ist, nur die Aufwendungen als Werbungskosten abzuziehen, die mit der Nutzung objektiv in Zusammenhang stehen und die der Kläger subjektiv zur Förderung der Selbstnutzung gemacht hat (Senatsurteil vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453). Diese Voraussetzungen erfüllen allenfalls die neben den Finanzierungskosten geltend gemachten sonstigen Aufwendungen von 3 764 DM (zur einkommensteuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen naher Angehöriger über die Verteilung der Ausgaben vgl. Senatsurteil vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890). Ein Werbungskostenüberschuß ergibt sich nicht.
Soweit der Kläger Leistungen auf die Darlehen erbracht haben sollte, weil er von Anfang an Darlehensnehmer gewesen war, fehlt der für einen Werbungskostenabzug bei den gesondert und einheitlich festgestellten Einkünften der Gemeinschaft aus Vermietung und Verpachtung erforderliche Zusammenhang mit der Nutzung des Hauses aufgrund des Nutzungsrechts.
Fundstellen
Haufe-Index 419787 |
BFH/NV 1995, 14 |