Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines Rechtsstreites um Sonderausgaben (z. B. einer Rentenlast) sind nicht selbst Sonderausgaben.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist die Absetzung von Gerichts- und Anwaltskosten, die in einem Zivilprozess des Beschwerdeführers (Bf.) mit seiner geschiedenen Ehefrau über die Höhe der Unterhaltsrente entstanden wären.
Der Bf. hat auf Grund notariellen Vertrages an seine seit dem Jahre 1928 von ihm geschiedene Ehefrau eine Monatsnettorente von 600 DM zu zahlen. Die Rente ist für das Jahr 1951 durch ein rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts als Sonderausgabe anerkannt worden. Die geschiedene Ehefrau erhielt in einem gegen den Bf. gerichteten Zivilprozess Ersatz der auf dem Rentenstammrecht ruhenden Vermögensteuer zugesprochen. Dem Bf. wurden die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten mit insgesamt 1.246,01 DM auferlegt. Er beantragte unter Bezugnahme auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 576/37 vom 6. Oktober 1937 (Slg. Bd. 42 S. 214, Reichssteuerblatt - RStBl - 1938 S. 103), diesen Betrag bei der Einkommensteuerberechnung 1953 als Sonderausgabe abzusetzen, weil es sich um Kosten der versuchten Abwehr weiterer Sonderausgaben handele. Der Bf. hat sich nach der Scheidung wieder verheiratet und wurde mit seiner jetzigen Ehefrau nach § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusammen veranlagt. Das Finanzamt lehnte bei der Einkommensteuerveranlagung 1953 den Antrag des Bf. auf steuerliche Berücksichtigung der Prozeßkosten ab. Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, daß das EStG als Sonderausgaben nur einen ganz bestimmten Kreis von Ausgaben in § 10 EStG anerkenne, zu denen Aufwendungen zur Ersparung von Sonderausgaben nicht gehörten.
Mit der Rechtsbeschwerde macht der Bf. geltend, daß Prozeßkosten zur Ersparung von Sonderausgaben, Betriebsausgaben oder Werbungskosten eine Erhöhung abzugsfähiger Ausgaben verhüteten und deswegen abzugsfähig seien. Die zur Abwehr erhöhter Rentenleistungen gemachten Aufwendungen seien "wie Werbungskosten oder als Sonderausgaben" abzusetzen.
Der Bf. hat nach Ergeben eines Bescheides gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) die Anberaumung der mündlichen Verhandlung beantragt. In ihr trug er unter besonderer Heranziehung der Ausführungen von Becker, "Die Grundlagen der Einkommensteuer" (ß 280) vor, daß die hier streitigen Prozeßkosten einer Erhöhung abzugsfähiger Ausgaben hätten vorbeugen sollen. Derartige Abwehrkosten seien daher ebenfalls wie abzugsfähige Ausgaben zu behandeln, ohne daß für Sonderausgaben eine Ausnahme gemacht werden dürfe.
Weiter hat der Bf. in der mündlichen Verhandlung beantragt, den Rechtsstreit an das Finanzamt zurückzuverweisen, da er in dem streitigen Jahre mit seiner jetzigen Ehefrau zusammen veranlagt sei, obwohl das Bundesverfassungsgericht § 26 EStG 1951 für nichtig erklärt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde führt wegen der Frage der Zusammenveranlagung der Ehegatten zur Zurückverweisung an das Finanzamt; soweit die Rechtsbeschwerde auf die steuerliche Berücksichtigung der Prozeßkosten gerichtet ist, ist sie unbegründet.
Der Prozeß, dessen Kosten der Bf. als Sonderausgaben oder wie Werbungskosten abgezogen haben will, ging wirtschaftlich um eine Erhöhung des Rentenstammrechts; denn in ihm wurde darüber gestritten, ob der Bf. auf Grund des Unterhaltsvertrages nicht nur zur Zahlung einer monatlichen Rente von 600 DM, sondern auch zur Tragung der auf dem Rentenstammrecht ruhenden Vermögensteuer verpflichtet ist. Es handelte sich nicht darum, ob bestimmte einzelne Rentenleistungen vom Bf. ordnungsgemäß erfüllt waren, sondern es war streitig, ob überhaupt in dem Rentenstammrecht die Verpflichtung des Bf. zur übernahme der darauf ruhenden Vermögensteuer enthalten ist. Der Rechtsstreit bewegte sich daher auf dem Gebiete des Vermögens und nicht auf dem des Einkommens des Bf. (siehe dazu auch Becker, "Die Grundlagen der Einkommensteuer", § 280, letzter Abs.). Bereits aus diesem Grunde scheidet eine Berücksichtigung der Kosten des Prozesses, der eine Erhöhung des Wertes des Rentenstammrechts der geschiedenen Ehefrau und damit eine Minderung des Vermögens des Bf. verhindern sollte, bei der Einkommensteuer aus.
Wenn somit zur Entscheidung des vorliegenden Falles auch das Vorbringen des Bf. zur Absetzbarkeit von Prozeßkosten, die bei Rechtsstreitigkeiten über die Höhe von Sonderausgaben entstehen, nicht näher eingegangen zu werden braucht, so gibt es doch wegen der grundsätzlichen Natur dem Senat Anlaß, auf dagegen bestehende Bedenken hinzuweisen. Eine Absetzung als Werbungskosten kommt nicht in Betracht, da die Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehefrau und die Prozeßkosten um diese Rente weder unmittelbar noch mittelbar den Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen zugerechnet werden können. Das Finanzgericht dürfte auch zutreffend die Absetzung als Sonderausgabe deshalb abgelehnt haben, weil die Prozeßkosten nicht in der abschließenden Einzelaufstellung der Sonderausgaben in den §§ 10 und 10 a bis c EStG 1953 enthalten sind. Für diese Folgerung spricht u. a. der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG: "Sonderausgaben... sind nur die folgenden". Wenn auch der Reichsfinanzhof in dem vom Bf. angeführten Urteil VI A 576/37 vom 6. Oktober 1937 ausgesprochen hat, daß im Hinblick auf den Grundgedanken des § 7 Abs. 3 EStG 1925 bei der Berechnung des Einkommens Ausgaben, die als Abwehrkosten dazu dienten, eine weitere Verminderung des Einkommens durch Erhöhung abzugsfähiger Ausgaben wie Rentenlasten zu verhüten, zu berücksichtigen und zwar als eine Art Werbungskosten anzusehen seien, so darf bei diesem Urteil nicht übersehen werden, daß es das EStG 1925 betrifft. Nach § 15 EStG 1925 gehörten die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten nicht zu den Sonderleistungen des § 17 EStG 1925, sondern sie standen als Ausgaben selbständig neben den Wertungskosten und Sonderleistungen. Durch die Einreihung auch der Rentenlasten in die Sonderausgaben selbst ab 1934 ist die Rechtslage insofern geändert, als Abwehrkosten nunmehr auch bei Rentenlasten nach der dargelegten gesetzlichen Begriffsbestimmung der Sonderausgaben nicht mehr als abzugsfähig anerkannt werden können.
Eine steuerliche Berücksichtigung der Prozeßkosten nach § 33 EStG entfällt in jedem Falle, ohne daß auf sonstige Zweifelsfragen eingegangen zu werden braucht, da der Prozeß die Vermögenssphäre angeht. Für Vorgänge der reinen Vermögenssphäre einschließlich der zusätzlichen Nebenaufwendungen kommt grundsätzlich eine Berücksichtigung nach § 33 EStG, der von der Belastung des Einkommens ausgeht, nicht in Betracht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 135/55 U vom 11. Oktober 1956 - Slg. Bd. 63 S. 488, Bundessteuerblatt 1956 III S. 383 -).
Obwohl das Vorbringen des Bf. zur steuerlichen Berücksichtigung der Prozeßkosten unzutreffend ist, erfolgt unter Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts Zurückverweisung an das Finanzamt. Der Bf. ist vom Finanzamt in dem Einkommensteuerbescheid 1953 gemäß § 26 EStG zusammen mit seiner jetzigen Ehefrau veranlagt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 26 EStG 1951 - 1 BvL 4/54 - vom 17. Januar 1957 (Bundessteuerblatt 1957 I S. 193) beschlossen, daß § 26 EStG 1951 nichtig ist. Die Vorinstanzen gingen im vorliegenden Falle von der Gültigkeit der gleichlautenden Bestimmung über die Zusammenveranlagung für 1953 aus. Mit Rücksicht auf die zu erwartende, auch das Streitjahr mitumfassende gesetzliche Neuregelung der Veranlagung von Ehegatten wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen, das zunächst die gesetzliche Neuregelung abzuwarten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 408734 |
BStBl III 1957, 191 |
BFHE 1957, 511 |
BFHE 64, 511 |