Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Werden Grundstücke zu dem Zwecke erworben, sie nach ihrer Bebauung ausschließlich durch Vermietung an unter Sittenkontrolle stehende Dirnen zu nutzen, und wird durch die bauliche Einrichtung der darauf errichteten Häuser und die darin bestehende Organisation die gewerbsmäßige Unzucht der Bewohnerinnen gefördert, so stellt die Vermietung der Zimmer an die Prostituierten insbesondere dann einen gewerblichen Betrieb im Sinne des § 54 BewG dar, wenn unter Ausnutzung des Dirnenverkehrs außergewöhnlich hohe Mieteinnahmen erzielt werden.
Normenkette
BewG §§ 94, 54
Tatbestand
Der Bf. hat in den Jahren 1950 und 1951 zwei Grundstücke in einer mit eisernen Toren von den anderen Straßen der Stadt abgesonderten sog. Bordellstraße erworben und diese Grundstücke im Jahre 1951 und in den darauffolgenden Jahren wiederaufgebaut. Er nutzt diese Grundstücke ausschließlich durch Vermietung von möblierten Einzelzimmern an Dirnen, die unter Sittenkontrolle stehen. Außer den an die Dirnen vermieteten Zimmern befindet sich in den beiden Häusern noch je eine Wohnung, die von den beiden Verwalterinnen oder, wie sie hier genannt werden, "Vizewirtinnen" der beiden Häuser bewohnt werden. Deren Aufgabe ist es, die anfallenden Mieten, Benutzungsgebühren, Heizungs-, Licht- und Wassergelder zu kassieren, wöchentlich mit dem Bf. abzurechnen und die Wochenmiete an ihn abzuliefern. Außerdem sorgen sie für Ruhe und Ordnung in den Häusern und nehmen gegebenenfalls auch für diese Zwecke polizeiliche Hilfe in Anspruch. Die beiden Verwalterinnen halten auch Getränke für die Dirnen und ihre Besucher feil und liefern ihnen Gummischutzmittel. Das eine Haus trägt über der Eingangstür die Bezeichnung ..., das andere die Bezeichnung ....
Streitig ist, ob die Nutzung der beiden Hausgrundstücke durch Vermietung der Räumlichkeiten an Dirnen eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, und ob deshalb für die in Betracht kommenden Stichtage Einheitswertfeststellungen für die Einheitsbewertung gewerblicher Betriebe zu treffen sind.
Das Finanzamt hat dies auf Grund der Feststellungen, die aus Anlaß einer Betriebsprüfung getroffen worden sind, bejaht und auf den 1. Januar 1951, 1. Januar 1952, 1. Januar 1953, 1. Januar 1954 und 1. Januar 1956 Einheitswerte des gewerblichen Betriebes festgestellt, deren Höhe als solche nicht bestritten ist.
Der Bf. vertritt demgegenüber die Auffassung, daß es sich bei seiner Vermietertätigkeit nicht um die Ausübung eines Gewerbebetriebes handele, sondern um eine private Vermögensnutzung durch Vermietung und Verpachtung von Grundstücken oder Grundstücksteilen.
Im Einspruchsverfahren wurde der Einheitswertfortschreibungsbescheid zum 1. Januar 1956 aufgehoben und durch einen gleichartigen Fortschreibungsbescheid zum 1. Januar 1955 ersetzt. In der Grundsatzfrage ist der Einspruch ohne jeden Erfolg geblieben.
Desgleichen ist die Berufung nach Beiziehung weiterer Prozeßakten des Finanzgerichts als unbegründet zurückgewiesen worden. Die Vorinstanz hat sich weitgehend auf die Feststellungen gestützt, die es in der parallel laufenden Berufungssache zur Einkommensteuer 1950 bis 1955 getroffen hatte und die im wesentlichen auf den Bekundungen beruhen, die die beiden Hausverwalterinnen bei ihrer Vernehmung vor dem Finanzgericht gemacht haben. Aus diesen Feststellungen hat das Finanzgericht den Schluß gezogen, der Bf. habe in seinen beiden Häusern einen bordellartigen Betrieb unterhalten, der die Wesensmerkmale eines gewerblichen Betriebes trage. Die Lage der Häuser, deren Benennung, die Höhe der Entgelte, die aufgezogene Organisation und die Art der Verwaltung durch die beiden "Vizewirtinnen" sprächen eindeutig dagegen, daß es sich hier um eine reine Raumvermietung handle. Vielmehr sei das Bestreben des Bf. von Anfang an dahin gegangen, durch die Vermietung an Dirnen ständig erhebliche gewerbliche Einkünfte zu erzielen und sich dadurch am allgemeinen Wirtschaftsleben zu beteiligen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Bf. ist unbegründet.
Es ist zwar zutreffend, daß die reine Vermietung von Grundstücken, Gebäuden und Gebäudeteilen, soweit sie den Rahmen einer allgemeinen Vermögensverwaltung nicht überschreitet, nicht als Ausübung eines Gewerbebetriebes anzusehen ist. Es müssen zu der bloßen Vermietung besondere Umstände oder Einrichtungen hinzukommen, um die Tätigkeit des Vermietens zu einer gewerblichen Tätigkeit werden zu lassen. So kann z. B. die Vermietung von Räumen in größeren Bürohäusern dann einen Gewerbebetrieb darstellen, wenn erhebliche Sonderleistungen des Vermieters, ein besonders schneller, sich aus der Natur des Mietverhältnisses ergebender Wechsel der Mieter und damit verbunden eine gegenüber der Anlage eigenen Vermögens in den Vordergrund tretende spekulative Absicht vorliegen (vgl. hierzu Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz, Anm. 5 zu § 54 BewG).
Auch bei der Vermietung von Wohnräumen an Dirnen, die der gewerbsmäßigen Unzucht nachgehen, wird man deshalb eine gewerbliche Tätigkeit des Vermieters regelmäßig dann annehmen müssen, wenn dieser durch organisatorische Maßnahmen den Dirnenverkehr erleichtert und fördert, um aus dem Dirnenbetrieb und den fortlaufend dabei erzielten erhöhten Mieteinnahmen einen besonders hohen Nutzen und Gewinn zu ziehen. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Bf. nicht entscheidend darauf an, ob der Steuerpflichtige einen Bordellbetrieb im polizeilichen Sinne unterhält, bei dem die Dirnen in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zum Bordellinhaber stehen. Es genügt vielmehr, daß in einem Hause zur gleichen Zeit einer Anzahl weiblicher Personen zum Zwecke der Ausübung der Unzucht Wohnung und Unterkunft gewährt wird, wenn gleichzeitig durch die besondere Organisation des Hauses der Dirnenverkehr ermöglicht und gefördert wird.
Eine solche Organisation ist nach den Feststellungen der Vorinstanz vorhanden. Diese Feststellung, die die besonders kennzeichnende Benennung der Häuser, die Höhe der Entgelte, die besondere Organisation und Ausgestaltung der Häuser sowie die Art der Verwaltung betreffen, rechtfertigen den Schluß, daß das Bestreben des Bf. von vornherein darauf gerichtet war, durch die besondere Art der ausschließlichen Zimmervermietung an unter Sittenkontrolle stehende Dirnen nachhaltig besonders hohe Einnahmen zu erzielen und sich dadurch in spekulativer Absicht am allgemeinen Wirtschaftsleben zu beteiligen.
Wenn der Bf. einwendet, die beiden "Vizewirtinnen" hätten nur den Auftrag gehabt, die Sauberhaltung zu überwachen, die Zentralheizung zu bedienen, die polizeilichen An- und Abmeldungen zu erledigen und die Zimmermieten zu kassieren und abzurechnen, daß sie aber über diese zur reinen Vermögensverwaltung zu rechnenden Tätigkeiten hinaus keine weiteren Aufträge von ihm gehabt hätten, so ist dies nur bedingt richtig. Es mag sein, daß der Bf. den beiden "Vizewirtinnen" darüber hinaus vielleicht keine weiteren ausdrücklichen Aufträge erteilt hat. Es liegt aber im Wesen und in der Natur der Tätigkeit derartiger Hausverwalterinnen und ist, wie auch der Bf. einräumen muß, in der Regel üblich, daß sie im Hause für Ordnung sorgen, Streitigkeiten schlichten und gegebenenfalls die Polizei herbeirufen, um Ordnung und Ruhe im Hause wiederherzustellen. Ebenso entspricht es bei einem derartigen Betriebe den Gepflogenheiten, daß solche Verwalterinnen Getränke für die Dirnen und ihre Besucher feilhalten und sie mit Schutzmitteln beliefern. Vgl. hierzu Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 61/49 vom 25. November 1949 in Steuer und Wirtschaft 1950 Rechtsspruch 28. Dem Bf., der seine Häuser von vornherein und zweckbewußt als Dirnenbehausungen eingerichtet und mit besonderen Empfangszimmern, Schleusen etc. ausgestattet hat, kann es nicht unbekannt gewesen sein, daß sich der Betrieb nach Einsetzung der Vizewirtinnen und nach Aufnahme der Vermietertätigkeit an die Dirnen so abspielen würde, wie es geschehen ist. Er hat daher auch die Tätigkeitsentfaltung der "Vizewirtinnen", wenn nicht ausdrücklich angeordnet, so doch stillschweigend geduldet und gebilligt. Er hat damit die der Förderung des Dirnenbetriebes dienende Organisation geschaffen und auch in allen ihren Auswirkungen gutgeheißen. Die Angriffe, die insoweit gegen die der Nachprüfung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich entzogene Tatsachenfeststellung der Vorinstanz gerichtet werden, sind daher unbegründet.
Wenn der Bf. weiterhin beanstandet, das Finanzgericht habe keine ausreichenden Feststellungen zur Frage der Miethöhe getroffen, so muß dem entgegen gehalten werden, daß die Vorinstanz bis in die Einzelheiten genau ermittelt hat, welche Beträge von den Dirnen täglich für die Gewährung von Unterkunft und sonstigen Leistungen zu erbringen waren. Das Finanzgericht hat dabei festgestellt, daß jede Dirne für ihr Zimmer täglich Beträge von 8 DM bis 10,50 DM abzuführen hatte. Das bedeutet eine monatliche Mieteinnahme von etwa 250 DM bis 300 DM für jedes einzelne Zimmer, also in einer so außergewöhnlichen Höhe, daß das Finanzgericht ohne weiteres davon ausgehen konnte, diese besonders hohen Mieteinkünfte seien nur auf Grund der Organisation des Dirnenbetriebes zu erzielen. Diese Feststellungen sind um so unbedenklicher, als der Bf. selbst einräumen muß, daß sonst durch die Vermietung von Zimmern, insbesondere an Studenten, nur monatliche Mieteinkünfte bis zu 100 DM erzielt werden können. Einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz bedurfte es deshalb insoweit nicht. ähnliches gilt für die Frage, ob die Mietzahlungen von den Dirnen, wie das Finanzgericht angenommen hat, täglich zu erbringen waren oder ob, wie der Bf. behauptet, ein Teil der Dirnen die Mietzahlungen wöchentlich geleistet hat. Selbst wenn das Letztere zutreffend wäre und sich damit eine gewisse Abweichung von dem Tatbestand ergeben sollte, wie ihn das Finanzgericht festgestellt hat, wäre dies für die Entscheidung belanglos. Denn gleichgültig, ob alle Mietzahlungen täglich erfolgten, oder ob ein Teil von ihnen wöchentlich geleistet wurde, in jedem Falle ist der Zeitraum der Mietentrichtung so ungewöhnlich kurz, daß er nur aus den besonderen Umständen und der hier geschaffenen Organisation des Dirnenbetriebes erklärt werden kann.
Die Vorinstanz hat demnach ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß der Bf. schon beim Erwerbe und bei der Bebauung seiner beiden Grundstücke in der Absicht gehandelt hat, sie durch Vermietung an Dirnen zu nutzen, daß die baulichen Einrichtungen und die Organisation des Hauses diesem Vorhaben entsprechend gestaltet worden sind und daß dies zu dem Zwecke geschehen ist, unter Ausnutzung des organisierten Dirnenbetriebes besonders hohe Mieteinkünfte zu erzielen. Die Annahme, daß es sich hierbei, und zwar schon von Anfang an, d. h. mindestens seit 1951, um einen gewerblichen Betrieb gehandelt hat, ist daher gerechtfertigt. Dieser Beurteilung steht das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 112/59 S vom 22. Juni 1962 (BStBl 1962 III S. 465) nicht entgegen, da es sich in dem dort entschiedenen Falle nur um die Frage einer gewerbsmäßigen Betätigung der Dirnen selbst handelt.
Fundstellen
Haufe-Index 424094 |
BStBl III 1963, 322 |
BFHE 1964, 15 |
BFHE 77, 15 |