Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungszuschlag bei zusammenveranlagten Ehegatten
Leitsatz (NV)
Gegen zusammenveranlagte Ehegatten kann ein einheitlicher Verspätungszuschlag festgesetzt werden, der mit der Steuerfestsetzung im Zusammenveranlagungsbescheid verbunden werden kann. Hierbei kann offenbleiben, ob der Verspätungszuschlag in einem zusammengefaßten Bescheid oder in einem einheitlichen Bescheid festzusetzen ist.
Normenkette
AO 1977 § 3 Abs. 3, § 44 Abs. 1, § 119 Abs. 1, §§ 152, 155 Abs. 3; EStG § 26b
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist verheiratet. Nach erfolgloser Aufforderung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1979 führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) eine Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau im Schätzungswege durch. Im Einkommensteuerbescheid vom 25. Januar 1982 setzte das FA neben der Einkommensteuer in Höhe von 15 482 DM einen Verspätungszuschlag von 80 DM fest.
Die Ehegatten legten gleichzeitig mit ihrem Einspruch gegen die Steuerfestsetzung Beschwerde gegen den im Zusammenveranlagungsbescheid festgesetzten Verspätungszuschlag ein, die die Oberfinanzdirektion (OFD) zurückwies. Die Klage blieb ebenfalls ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 3 veröffentlicht.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht durch. Der Verfahrensrüge fehlt es bereits an einer ausreichenden Begründung i. S. des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Behauptung des Klägers, das FG habe den eingehenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht zur Kenntnis genommen, enthält keine Bezeichnung von Tatsachen, die einen Verfahrensmangel ergeben könnten.
2. Die Festsetzung eines einheitlichen Verspätungszuschlags gegen den Kläger und seine Ehefrau war zulässig.
a) Nach § 152 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung unentschuldbar nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags sind neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, unter anderem das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (vgl. § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).
Wer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, bestimmen nach § 149 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 die Steuergesetze. Gesetze im Sinne dieser Vorschrift sind auch Rechtsverordnungen (vgl. § 4 AO 1977). Die Einkommensteuererklärungspflicht begründen die §§ 56 ff. der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in der für den Streitfall maßgebenden Fassung. Nach § 57 a EStDV sind Ehegatten im Falle der Zusammenveranlagung zur Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung verpflichtet.
b) Geben Ehegatten die nach § 57 a EStDV vorgeschriebene gemeinsame Steuererklärung nicht oder nicht fristgerecht ab, so rechtfertigt diese Pflichtverletzung die Verhängung eines einheitlichen Verspätungszuschlags.
aa) Das in § 57 a EStDV vorgeschriebene Zusammenwirken der Ehegatten bei der Erfüllung ihrer Erklärungspflichten ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Vorschriften zur Zusammenveranlagung. § 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimmt, daß bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammenzurechnen sind und die Ehegatten sodann als ein Steuerpflichtiger zu behandeln sind. Daraus folgt, daß es nur ein Einkommen und eine Einkommensteuer der Eheleute gibt. Der enge Zusammenhang zwischen festgesetzter Einkommensteuer und festgesetztem Verspätungszuschlag, der sich aus der Begrenzung des Verspätungszuschlags auf 10 v. H. der festgesetzten Steuer ergibt (vgl. § 152 Abs. 2 AO 1977), führt dazu, daß in den Fällen, in denen bei Ehegatten nur eine Einkommensteuer festgesetzt wird, auch nur ein Verspätungszuschlag festzusetzen ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Mai 1987 VIII R 39/83, BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590, und vom 9. April 1987 IV R 192/85, BFHE 149, 418, BStBl II 1987, 540).
bb) Die Zulässigkeit eines einheitlichen Verspätungszuschlags folgt auch aus dem Wesen der gemeinsamen Steuererklärungspflicht der Ehegatten als gemeinschaftliche Schuld (vgl. zu diesem zivilrechtlichen Begriff Larenz, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 13. Aufl., § 36 II). Die Verpflichtung zur Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung kann nicht von einem einzelnen, sondern nur von beiden Ehegatten zusammen erbracht werden. Das Erfordernis gemeinsamen Handelns macht die Ehegattengemeinschaft hinsichtlich der Steuererklärungspflicht zu einem selbständigen Pflichtenträger.
Entgegen der in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung bedarf es daher einer individuellen Berücksichtigung der personenbezogenen Umstände des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gerade nicht (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. November 1982 VII 529/78, EFG 1983, 156; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juli 1986 1 K 107/86, EFG 1986, 587). Denn die Versagung der Mitwirkung durch einen Beteiligten, der damit die gemeinschaftlich zu erbringende Leistung verhindern kann, hat grundsätzlich die Ehegattengemeinschaft zu vertreten (vgl. hierzu Larenz, a. a. O.; im Ergebnis ebenso BFH-Urteil IV R 192/85 bestimmt).
Eine individuelle Verschuldensprüfung ist im übrigen auch deshalb entbehrlich, weil die schuldhafte Säumnis einem von beiden Ehegatten beauftragten Berater, dessen Säumnis sie sich nach § 152 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 als eigenes Verschulden zurechnen lassen müssen, zur Last gelegt wird.
c) Die Festsetzung des Verspätungszuschlags kann mit der Steuerfestsetzung im Zusammenveranlagungsbescheid verbunden werden.
aa) Sieht man in dem Verspätungszuschlag eine akzessorische Nebenleistung zur Steuer, die in derselben rechtlichen Form wie die Steuerschuld von den Ehegatten geschuldet wird (so BFH-Urteil IV R 192/85), so hindert § 1 Abs. 3 AO 1977 die Festsetzung des Verspätungszuschlags in einem zusammengefaßten Bescheid gemäß § 155 Abs. 3 AO 1977 gleichwohl nicht. Denn die Einschränkung des § 1 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 für die Anwendung des § 155 Abs. 3 AO 1977 auf Verspätungszuschläge würde zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen (vgl. hierzu BFH-Urteil VIII R 39/83).
bb) Wertet man die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung als gemeinschaftliche Schuld der Ehegatten, so ist der Verspätungszuschlag in einem einheitlichen Bescheid festzusetzen, der sich gegen die Ehegattengemeinschaft richtet, und der trotz der Verbindung mit dem Steuerbescheid - der zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefaßte Verwaltungsakte enthält (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 82/84, BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545) - selbständiger Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO 1977 bleibt. Die Zulässigkeit der verfahrensrechtlichen Verbindung zwischen der Festsetzung der Einkommensteuer im Zusammenveranlagungsbescheid und der Festsetzung des Verspätungszuschlags ergibt sich aus § 152 Abs. 3 AO 1977.
In diesem Falle kommt es auf die in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortete Frage der Anwendung des § 155 Abs. 3 AO 1977 auf steuerliche Nebenleistungen, die der Gesetzgeber durch eine entsprechende Ergänzung der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 22 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436, BStBl I, 735) nunmehr entschieden hat, nicht an.
Trotz gemeinschaftlicher Schuld bei der Abgabe der Steuererklärung schulden die Ehegatten den festgesetzten Verspätungszuschlag als Gesamtschuldner. Denn es handelt sich insoweit nach § 44 Abs. 1 AO 1977 um dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis.
d) Die Pflicht zur Abgabe einer gemeinsamen Steuererklärung besteht nur, falls Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. Die Wahl der Veranlagungsart wird im allgemeinen erst in der Steuererklärung getroffen. Werden jedoch bis zum Ablauf der Steuererklärungsfrist die erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben, so rechtfertigt die nach § 26 Abs. 3 EStG unterstellte Wahl der Zusammenveranlagung bereits zu diesem Zeitpunkt die Annahme einer Pflichtverletzung der Ehegattengemeinschaft, falls nicht nachträglich die getrennte Veranlagung gewählt wird.
3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer sind gegeben.
Nach § 149 Abs. 2 AO 1977 in der ab 1. Januar 1980 anzuwendenden Fassung (Art. 1 Nr. 4 und Art. 16 des Änderungsgesetzes vom 26. November 1979, BGBl I 1979, 1953, BStBl I 1979, 654), die bereits für die nach dem 1. Januar 1980 abzugebende Steuererklärung des Streitjahres gilt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 149 AO 1977 Tz. 4), war die Steuererklärung spätestens fünf Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums abzugeben. Soweit die obersten Finanzbehörden der Länder nach § 109 Abs. 1 AO 1977 allgemein Fristverlängerungen für bestimmte Fälle gewährt hatten, sind auch diese Fristen nicht eingehalten worden.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), liegen auch keine Umstände vor, die die Versäumnis als entschuldbar erscheinen lassen. Gegen die Höhe des festgesetzten Verspätungszuschlags ergeben sich ebenfalls keine Bedenken.
4. Die Festsetzung eines einheitlichen Verspätungszuschlags gegen zusammenveranlagte Ehegatten in einem Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. hierzu BFH-Urteil VIII R 39/83 unter 5.). Ob der angefochtene Verwaltungsakt die für sein Verständnis erforderliche Begründung enthält, kann dahinstehen. Denn die Begründung ist jedenfalls in der Beschwerdeentscheidung der OFD nachgeholt worden (vgl. § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO 1977).
Fundstellen
Haufe-Index 415243 |
BFH/NV 1988, 545 |