Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer. Abgabenordnung. Gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder einer Erbengemeinschaft für Grunderwerbsteuer
Leitsatz (amtlich)
1. § 25 Abs. 2 GrEStG 1969 ist nicht auf Erwerbsvorgänge anwendbar, die vor dem 1.10.1969 rechtswirksam geworden sind. Für eine aufgrund eines rechtswirksamen Erwerbsvorgangs vor diesem Zeitpunkt entfallende Grunderwerbsteuerschuld einer Erbengemeinschaft hafteten ihre Mitglieder gemäß den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der §§ 1967, 2058 ff BGB als Gesamtschuldner. § 113 AO war auf Erbengemeinschaften sinngemäß anzuwenden, denn grunderwerbsteuerrechtlich unterlagen auch die Erbengemeinschaften „als solche” der Besteuerung, sie waren grunderwerbsteuerfähig.
2. Die Bekanntgabe eines Grunderwerbsteuer-(Nacherhebungs-)Bescheides allein an den Erwerber ist ermessensfehlerfrei, wenn das FA zum Zeitpunkt der Bekanntgabe davon ausgehen konnte, daß der Erwerber seine im Kaufvertrag eingegangene Verpflichtung zur Zahlung der Grunderwerbsteuer erfüllen werde.
Normenkette
AO § 113; BGB §§ 1967, 2058; GrEStG 1969 § 25 Abs. 2, § 34 Abs. 1, § 35 S. 1; GrEStDV § 8 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger) sowie die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin) wehren sich gegen ihre Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für eine Grunderwerbsteuerschuld von … DM.
Der Kläger und sein Vater hatten eine Erbengemeinschaft gebildet, zu deren Vermögen ein Grundstück gehörte. Am 27. Februar 1967 hatten sie dieses Grundstück an die X-Bau GmbH & Co. Kommanditgesellschaft (fortan KG) verkauft. Im Kaufvertrag hatte die KG erklärt, sie übernehme eine aufgrund des Kaufvertrags etwa entstehende Grunderwerbsteuer. Die Verkäufer waren von dem beurkundenden Notar darauf hingewiesen worden, „daß sie für etwaige Grunderwerbsteuer mithaften”. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA–) hatte den Erwerbsvorgang zunächst von der Grunderwerbsteuer freigestellt, da die KG ihre Absicht bekundet hatte, auf dem erworbenen Grundstück „ein Gebäude als Dauerbau” zu errichten und Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 2 des Berliner Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau und den Wiederaufbau von Trümmergrundstücken i.d.F. vom 30. Mai 1956 –GrESWG– (Gesetz- und Verordnungsblatt – GVBl– 1956, 541) beantragt hatte. Dem Freistellungsbescheid hatte das FA ein Schreiben beigefügt, worin u.a. darauf hingewiesen war, daß „der Veräußerer ebenso wie der Erwerber Steuerschuldner” ist, „unabhängig davon, wer im Vertrag die Steuer übernommen hat”, und „daß das Steuerschuldverhältnis erst mit der endgültigen Freistellung des Erwerbs oder mit der Zahlung der endgültig festgesetzten Grunderwerbsteuer (einschließlich Zuschlag) und eines festzusetzenden Nacherhebungszuschlags von 20 % erlischt”.
Später, durch Bescheid an die KG vom 5. September 1973, hatte das FA Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM nacherhoben und gleichzeitig einen Zuschlag auf die nachzuentrichtende Steuer in Höhe von … DM erhoben, weil die KG das Grundstück nicht innerhalb von fünf Jahren seit seinem Erwerb zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet hatte. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die KG zahlte die Grunderwerbsteuer nicht. Über ihr Vermögen wurde das Konkursverfahren eröffnet. Das FA meldete seine Steuerforderung zur Konkurstabelle an. Es hielt die Steuerforderung für gefährdet und versuchte deshalb, die Grunderwerbsteuer von den Verkäufern zu erhalten. Es nahm an, die Erbengemeinschaft bestehe noch, allerdings nunmehr aus dem Kläger und der Alleinerbin seines Vaters, der Klägerin. Es setzte durch Bescheid vom 21. Januar 1975 die Grunderwerbsteuer für die Erbengemeinschaft auf … DM fest und stellte ihn jedem der Kläger zu. Über deren Einsprüche hat es noch nicht entschieden. Es hat die Vollziehung des angefochtenen Bescheids ausgesetzt bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Einspruchsentscheidung. Während des Einspruchsverfahrens teilten die Kläger dem FA mit, „daß die Erbengemeinschaft nach Veräußerung des Grundbesitzes und Verteilung des Veräußerungserlöses beendet worden” sei und „ein förmliches Auseinandersetzungsverfahren … nicht stattgefunden” habe.
Nunmehr erließ das FA am 9. Juli 1975 gegen jeden der beiden Kläger einen auf § 113 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheid; die Einsprüche wies es zurück. Mit ihren Anfechtungsklagen haben die Kläger begehrt, die Haftungsbescheide und die Einspruchsentscheidungen aufzuheben. Es sei ermessensfehlerhaft gewesen, sie, die Kläger, „ungefähr 8 Jahre nach Abschluß des Kaufvertrages und 3 Jahre nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist in Anspruch zu nehmen”.
Das Finanzgericht (FG) hat beide Klagen verbunden und sie abgewiesen. Es sei nicht ermessensfehlerhaft gewesen, daß das FA die Kläger „als Haftungsschuldner der Grunderwerbsteuer für das von der inzwischen beendeten Erbengemeinschaft veräußerte Grundstück” in Anspruch genommen habe, sondern dies sei geboten gewesen aufgrund von § 15 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1940 (GrEStG 1940) i.V.m. § 7 des früheren Steueranpassungsgesetzes (StAnpG). Von den Klägern werde nicht geleugnet, „daß sie als an der inzwischen beendeten Erbengemeinschaft Beteiligte oder Gesamtrechtsnachfolger eines der Beteiligten nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen für diese Steuerschuld der Gemeinschaft haften (§ 113 Reichsabgabenordnung …)”. Es hat sich u.a. gestützt auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 1976 II R 187/72 (BFHE 119, 188, BStBl II 1976, 579). Der Steueranspruch sei nicht verwirkt gewesen. Auch sei es nicht fehlerhaft gewesen, daß das FA den Bescheid über die Nacherhebung zunächst nur der Erwerberin bekanntgegeben habe, denn es habe zum damaligen Zeitpunkt noch davon ausgehen können, daß die KG ihre –auch gegenüber der Veräußerin im Kaufvertrag– eingegangene Verpflichtung zur Zahlung der Grunderwerbsteuer erfüllen werde. Entgegen der Ansicht der Kläger habe das FA die Zahlungsunfähigkeit der KG nicht schon früher erkennen können. Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung des § 8 Abs. 2 der Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung (GrEStDV). Sie beantragen, das Urteil des FG, die Haftungsbescheide vom 9. Juli 1975 und die Einspruchsentscheidungen vom 11. August 1975 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO–).
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß das FA berechtigt war, die Kläger als gesamtschuldnerisch Haftende für die Grunderwerbsteuerschuld der Erbengemeinschaft in Anspruch zu nehmen. Das Recht hierzu folgte aus dem damals geltenden § 113 AO. Nach jener Vorschrift galten in Fällen, „wo Gesellschaften, Vereine oder Genossenschaften als solche der Besteuerung” unterlagen, „für die persönliche Haftung der einzelnen Gesellschafter und Mitglieder sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts”. Erbengemeinschaften waren zwar in § 113 AO nicht erwähnt. Auf sie war aber die Vorschrift sinngemäß anzuwenden, denn grunderwerbsteuerrechtlich unterlag auch die Erbengemeinschaft „als solche” der Besteuerung, sie war grunderwerbsteuerfähig (im gleichen Sinne Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., 1963, § 113 Anm. 4; vgl. ferner Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., 1982, § 15 Tz. 18 c, 18 h). Für deren Grunderwerbsteuerschuld hafteten die Kläger gemäß den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der §§ 1967, 2058 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Gesamtschuldner. Die Erbengemeinschaft schuldete Grunderwerbsteuer in der festgesetzten Höhe, weil sie ihr Grundstück verkauft, die Käuferin es aber nicht fristgerecht zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet hatte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 13, § 15 Nr. 1 GrEStG 1940 in der in Berlin geltenden Fassung, § 4 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG).
Die Vorschrift des § 25 Abs. 2 GrEStG 1969, durch welche in Fällen dieser Art „die Anspruchnahme des Veräußerers als Steuerschuldner ausgeschlossen” wurde, war nicht anwendbar, weil der Erwerbsvorgang (Kaufvertrag vom 27. Februar 1967) vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift (1. Oktober 1969) rechtswirksam geworden war (§ 34 Abs. 1, § 35 Satz 1 GrEStG 1969) und es die Regelungsabsicht des Gesetzgebers gewesen ist, sicherzustellen, daß Steuerfälle dieser Art „noch nach den bisher geltenden Vorschriften des Grunderwerbsteuerrechts abgewickelt werden können”; dies sei „insbesondere … wegen einer etwaigen Nacherhebung der Steuer … notwendig” (Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin, V. Wahlperiode, Nr. 472, 27, rechte Spalte mitte).
Die Kläger wenden ein, das FA nehme sie zu Unrecht als Haftende für die Grunderwerbsteuerschuld der Erbengemeinschaft in Anspruch. Bei der Steuerfestsetzung am 5. September 1973 habe das FA sein ihm durch § 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStDV eingeräumtes Ermessen dadurch verletzt, daß es nicht „einen einheitlichen Steuerbescheid, der sich an den Erwerber und den Veräußerer als Gesamtschuldner richtet”, erlassen habe, sondern nur einen Steuerbescheid gegen die KG (Erwerber). „Spätestens aber in dem Zeitpunkt …, als Liquiditätsschwierigkeiten der Erwerberin durch die Stundungsanträge offenbar” geworden seien, sei „eine Bekanntgabe an die Kläger … geboten gewesen”. Ihre „Inanspruchnahme … zu einem späteren Zeitpunkt, als die Realisierung der Steuer durch Inanspruchnahme der Erwerberin unmöglich geworden war”, sei ermessensfehlerhaft. Diese Einwendungen sind unbegründet.
Das FG hat mit zutreffenden Gründen sowohl die Inanspruchnahme der beiden Kläger als Haftende für die Grunderwerbsteuerschuld der (beendeten) Erbengemeinschaft als auch die Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbescheids vom 5. September 1973 allein an die KG als ermessensfehlerfrei beurteilt.
Fundstellen