Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslösung der Buchführungspflicht
Leitsatz (NV)
Die Buchführungspflicht für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb wurde bzgl. eines Wirtschaftsjahres, das nach dem 31. Dezember 1973 begann, bis zum Inkrafttreten der AO 1977 für einen Gewinn nach Maßgabe der §§ 161 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. e AO, 1 Abs. 2 LwBuchfV unter Berücksichtigung der in § 141 Abs. 1 Nr. 5 AO 1977 a.F. genannten Grenze von 15 000 DM ausgelöst.
Normenkette
AO § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e; LwBuchfV § 1 Abs. 2, 4; AO 1977 a.F. § 141 Abs. 1 Nr. 5; EGAO § 19
Verfahrensgang
Tatbestand
Der ledige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewirtschaftet einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, den ihm sein Vater durch Übergabevertrag vom 30. Mai 1973 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergeben hat. Ebenso wie der Übergeber führte der Kläger keine Bücher. In den Einkommensteuererklärungen 1973 und 1974 vermerkte der Kläger zur Gewinnermittlung: ,,nach Durchschnittsätzen", in der Einkommensteuererklärung 1975: ,,nach Schätzung". Zu den Einkommensteuererklärungen 1973 bis 1977 gab der Kläger jeweils die in allen Teilen ausgefüllte ,,Anlage L" (für nichtbuchführungspflichtige oder nichtbuchführende Land- und Forstwirte) ab. Bei Erstellung der Steuererklärungen für 1974 bis 1977 hat der Bayerische Bauernverband mitgewirkt. In der Einkommensteuererklärung 1973 ist die entsprechende Rubrik nicht ausgefüllt. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1973 hatte aber eine Steuerbevollmächtigtensozietät Einspruch eingelegt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging bereits seit der Einkommensteuerveranlagung 1973 vom Bestehen einer Buchführungspflicht aus und ermittelte die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft nach den Schätzungsrichtlinien der Oberfinanzdirektion (OFD) München, die auf § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) beruhen und von Schätzungsgrundbeträgen je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ausgehen (sog. Bayerisches Schätzungsverfahren). Danach ergaben sich folgende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft:
Wirtschaftsjahr Gewinn DM Veranlagungszeitraum Einkünfte DM
1973/74 23 058 1973 13 322
1974/75 28 136 1974 25 597
1975/76 37 399 1975 32 737
1976/77 32 979 1976 35 160
1977/78 38 236 1977 35 607.
Die entsprechenden Einkommensteuerveranlagungen 1973 bis 1976 sind bestandskräftig. Der Einkommensteuerbescheid 1976 erging am 31. März 1978. In der Anlage waren erstmals die der Schätzung zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen mitgeteilt. Der Einkommensteuerbescheid 1977 erging am 29. September 1978 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In der Anlage waren ebenfalls die der Schätzung zugrunde liegenden Werte mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 17. November 1978 wies das FA den Kläger darauf hin, daß er nach den Unterlagen des FA mit seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb buchführungspflichtig sei, jedoch noch keine Eröffnungsbilanz vorgelegt habe, und forderte ihn zur Abgabe einer Anfangsbilanz auf den 1. Juli 1979 bis zum 20. Juli 1979 auf. Die hiergegen erhobene Beschwerde ist erfolglos geblieben. Die OFD wies in ihrer Beschwerdeentscheidung vom 22. Dezember 1980 u.a. darauf hin, daß der Schätzungsgewinn nach dem Einkommensteuerbescheid 1976 35 160 DM betragen habe.
Noch während des Beschwerdeverfahrens gelangte das FA auf den Änderungsantrag des Klägers bezüglich des Einkommensteuerbescheids 1977 zur Auffassung, daß die vom Kläger für den Veranlagungszeitraum 1977 zu berücksichtigenden Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln seien. Unter Aufhebung des bestehenden Vorbehalts der Nachprüfung erließ es am 2. Dezember 1980 einen entsprechenden Änderungsbescheid, in dem es die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft mit 13 036 DM (Gewinn der Wirtschaftsjahre 1976/77 und 1977/78 je 13 036 DM) berücksichtigte.
Der wegen des Eintritts der Buchführungspflicht ab 1. Juli 1979 erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben und den Verwaltungsakt vom 17. November 1978 sowie die Beschwerdeentscheidung der OFD München aufgehoben. Es fehle an einer Feststellung der Finanzbehörde nach § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AO 1977.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Das Schreiben des FA vom 17. November 1978 stellt im Hinblick auf die Buchführungspflicht des Klägers keinen Hinweis nach § 141 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 dar, der als eigene Regelung i.S. von § 118 Satz 1 AO 1977 anzusehen wäre (vgl. zu letzterem z. B. BFH-Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 3/82, BFHE 138, 521, BStBl II 1983, 768). Denn der Kläger ist bereits im zeitlichen Geltungsbereich des § 161 AO bzw. § 1 LwBuchfV buchführungspflichtig geworden. Auf diese schon bestehende Buchführungspflicht wollte das Schreiben vom 17. November 1978 hinweisen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus seinem Wortlaut.
Gemäß § 1 Abs. 2 LwBuchfV sind Land- und Forstwirte buchführungspflichtig geworden, die nach den Feststellungen des FA eine der in § 161 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a oder c oder e AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllt haben. Nach § 1 Abs. 4 LwBuchfV galt diese Feststellung dann als getroffen, wenn der Bescheid, der diese Feststellung enthält (z. B. der Steuerbescheid, der Feststellungsbescheid, der Berichtigungsbescheid oder die Rechtsmittelentscheidung), bekanntgegeben worden ist. Die Rechtsprechung des BFH machte den erstmaligen Eintritt in die Buchführungspflicht bei steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen wegen der zu vermutenden steuerlichen Unerfahrenheit dieses Personenkreises nach dem Grundsatz von Treu und Glauben noch zusätzlich davon abhängig, daß das FA einen entsprechenden Hinweis erteilte (vgl. m.w.N. BFH-Urteile vom 25. April 1985 IV R 92/82, BFHE 143, 404, BStBl II 1985, 486; vom 28. Juni 1984 IV R 118/82, BFHE 141, 457, BStBl II 1984, 782). Im Streitfall war aber der Kläger in der fraglichen Zeit steuerlich vertreten.
Nach diesen Grundsätzen wurde mit der Einkommensteuerveranlagung 1973 beim Kläger die Buchführungspflicht ausgelöst. Denn in der Einkommensteuerfestsetzung für 1973 war die in § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AO für den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft genannte Grenze überschritten (wegen der Gleichsetzung von ,,Gewinn" i.S. von § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AO mit Einkünften vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 161 AO Tz. 2). Das gleiche gilt bezüglich der Einkommensteuerfestsetzung für 1974. Die Übergangsregelung gemäß Art. 97 § 19 (jetzt: Abs. 1) des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 - EGAO 1977 - (BGBl I 1977, 3341, BStBl I 1977, 667, 694), zuletzt geändert durch Art. 3 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) führt zu keinem anderen Ergebnis (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1981 IV R 214/79, BFHE 134, 347, BStBl II 1982, 161). Denn die vom FA in den Einkommensteuerbescheiden 1973 und 1974 festgestellten Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft überschritten die in § 141 Abs. 1 Nr. 5 AO 1977 a.F. genannte Grenze von 15 000 DM ganz erheblich. Lediglich diese Grenze war nach der Übergangsregelung zu beachten. Auch nach Inkrafttreten der AO 1977 dauerte diese Buchführungspflicht nach § 161 Abs. 1 AO fort (vgl. Urteil in BFHE 141, 457, BStBl II 1984, 782). Sie endet erst aufgrund einer entsprechenden Feststellung mit dem zeitlichen Verzögerungseffekt gemäß § 141 Abs. 2 Satz 2 AO 1977.
Das FA hat diesem Befund entsprechend im Schreiben vom 17. November 1978 den Kläger nicht auf das Entstehen der Buchführungspflicht zum 1. Juli 1979 hingewiesen, sondern ihm nur mitgeteilt, daß er nach den Unterlagen des FA mit seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb buchführungspflichtig ist. Soweit hierin in der Beschwerdeentscheidung der OFD München vom 22. Dezember 1980 ein Hinweis auf den Beginn der Buchführungspflicht ab 1. Juli 1979 und mithin eine selbständige Regelung i.S. von § 118 Satz 1 AO 1977 gesehen wurde, ist dies gegenstandslos.
Fundstellen
Haufe-Index 415399 |
BFH/NV 1988, 278 |