Leitsatz (amtlich)
Die Steuerfreiheit für das Halten von Zugmaschinen, die ausschließlich von Schaustellern verwendet werden, erstreckt sich auch auf das Halten von Sattelzugmaschinen.
Normenkette
KraftStG 1972 § 2 Nr. 7; KraftStG 1979 § 3 Nr. 8
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Schausteller. Für ihn wurde im Juni 1972 eine Sattelzugmaschine zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen (amtliches Kennzeichen ..., verkehrsrechtlich zulässiges Gesamtgewicht 9 000 kg, zwei Achsen). Er machte geltend, das Halten des Fahrzeugs sei gemäß § 2 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) von der Steuer befreit, denn er verwende das Fahrzeug ausschließlich im Rahmen seines Schaustellergewerbes (zur Beförderung eines Kinderkarussels).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte zunächst dieser Ansicht und erteilte am 20. Juni 1972 einen Freistellungsbescheid. Später, als das vorübergehend abgemeldet gewesene Fahrzeug am 17. Januar 1973 erneut für den Kläger zugelassen worden war, hielt das FA die Voraussetzungen der begehrten Steuerfreiheit nicht mehr für gegeben und setzte durch Bescheid vom 28. März 1973 die Kraftfahrzeugsteuer auf 1 215 DM fest (bei jährlicher Entrichtung der Steuer); den Einspruch wies es zurück. Es war inzwischen zu der Ansicht gelangt, daß unter die Befreiungsvorschrift nur das Halten "echter Zugmaschinen", nicht auch das Halten von "Sattelzugmaschinen" falle. Zwischen beiden Fahrzeugen bestehe ein Unterschied: Die "echte" Zugmaschine sei nach ihrer Bauart zur Fortbewegung von Lasten durch "Ziehen" bestimmt und geeignet, während die Sattelzugmaschine die zu befördernde Last nicht nur "ziehe", sondern auch wesentlich mit "trage".
Das Finanzgericht (FG) hat den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Es hat unter Hinweis auf Egly (Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 2. Aufl., 1964, S. 180) die Ansicht vertreten, unter § 2 Nr. 7 KraftStG fielen "Zugmaschinen jeder Art und Geschwindigkeit, jedoch mit der Personenbezogenheit auf Schausteller". Unerheblich sei, "welche Art von Anhänger auf welche Weise gezogen" werde. Schausteller benötigten verschiedenartige Anhänger, so daß hier (anders als im Bereich der Land- und Forstwirtschaft) "eine technische Differenzierung mit der Folge unterschiedlicher Besteuerung zu einer Benachteiligung einzelner führen und damit dem gesetzlichen Zweck" der Vorschrift zuwiderlaufen würde. Es hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 2 Nr. 7 KraftStG. Es beantragt.
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat die Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 7 KraftStG 1972 richtig angewendet. Nach dieser Vorschrift (jetzt § 3 Nr. 8 KraftStG 1979) ist von der Steuer befreit "das Halten von ... Zugmaschinen, solange sie ausschließlich von Schaustellern verwendet werden". Der Begriff "Zugmaschinen" ist im Kraftfahrzeugsteuerrecht nicht näher bestimmt. Im Verkehrsrecht, an das anzuknüpfen ist, versteht man unter Zugmaschinen ausschließlich oder überwiegend zum Ziehen von Anhängern gebaute Kraftfahrzeuge (Kfz); "Sattelzugmaschinen sind Zugmaschinen, die eine Aufsattelvorrichtung zum Mitführen von Sattelanhängern haben" (vgl. die Benennungen und Begriffe in der Norm DIN 70010 "Kraftfahrzeuge, Anhängefahrzeuge, Züge", die der Fachnormenausschuß Kfz-Industrie im Deutschen Normenausschuß im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, dem Kraftfahrtbundesamt und dem Technischen Überwachungs-Verein aufgestellt hat, Ausgabe Juli 1968). Sattelzugmaschinen gehören demnach begrifflich zu den Zugmaschinen, so daß die Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 7 KraftStG 1972 sich auch auf sie erstreckt. Dem vom FA hervorgehobenen Unterschied zwischen "echten" Zugmaschinen und Sattelzugmaschinen hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang keine Bedeutung beigemessen. Das ist daraus zu erkennen, daß § 2 Nr. 7 KraftStG 1972 - anders als die Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 6 KraftStG 1972 - hinter dem Wort Zugmaschine nicht den einschränkenden Zusatz enthält "(ausgenommen Sattelzugmaschinen)".
Diesem Auslegungsergebnis steht nicht etwa die Tatsache entgegen, daß an anderer Stelle des Gesetzes, nämlich in der die Besteuerungsgrundlage regelnden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG 1972 hinter dem Wort Zugmaschine der erweiternde Zusatz eingefügt ist "(einschließlich der Sattelzugmaschinen)", der Gesetzgeber hier also von einem engeren Begriff "Zugmaschinen" ausgegangen zu sein scheint als in den Befreiungsvorschriften der Nummern 6 und 7 des § 2 KraftStG 1972. Der scheinbare Widerspruch im Sprachgebrauch des Gesetzgebers löst sich auf, wenn man die Gesetzesentwicklung berücksichtigt.
Durch Abschn. I Art. 1 Nr. 3 des Verkehrsfinanzgesetzes vom 6. April 1955 (BGBl I 166, BStBl I 155) hatte die Vorschrift des § 10 (Besteuerungsgrundlage) ihre neue Fassung erhalten. Später, durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 19. Dezember 1960 (BGBl I 1005, BStBl I 992), wurde die Vorschrift des § 2 (Ausnahmen von der Besteuerung) neu gefaßt, wobei die Befreiungstatbestände Nrn. 6 und 7 neu eingefügt wurden. In ihnen war der Begriff "Zugmaschinen" ohne Klammerzusatz gebraucht. Es lag deshalb zu jener Zeit nahe, aus dem Zusammenhang der bezeichneten drei Vorschriften den Schluß zu ziehen, der Gesetzgeber habe den Begriff "Zugmaschinen" in einem engen (Sattelzugmaschinen ausschließenden) Sinne verstanden, denn sonst hätte es in § 10 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG nicht mehr des erweiternden Klammerzusatzes bedurft. In diesem Sinne hat der Bundesfinanzhof (BFH) gefolgert, unter die Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 fielen "nur echte Zugmaschinen", nicht auch "Sattelzugmaschinen" (Urteil vom 30. Januar 1963 II 69/62 U, BFHE 76, 524, BStBl III 1963, 191, betreffend die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung eines Langholz-Spezialfahrzeugs). Diese Auslegung des Begriffs "Zugmaschinen" durch den BFH hat den Finanzausschuß des Deutschen Bundestages (BT) im Mai 1963 zunächst veranlaßt, im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraffahrzeugsteuergesetzes "die Einbeziehung der Sattelzugmaschinen und der Sattelanhänger" in die Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 ausdrücklich vorzusehen (BT-Drucksache IV/1281 S. 2 rechte Spalte). Später jedoch, im Dezember 1963, schlug er vor, "abweichend von der Fassung in Drucksache IV/1281 ... Sattelzugmaschinen und Sattelanhänger von der Steuerbefreiung" auszuschließen, da die Vorschrift "nach ihrem Sinn und Zweck so weit wie nur möglich auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft beschränkt bleiben" solle (BT-Drucksache IV/1690 S. 2). Daraufhin wurde durch das Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 17. März 1964 (BGBl I 145, BStBl I 243) die Nr. 6 des § 2 KraftStG 1961 neu gefaßt und dabei hinter dem Wort "Zugmaschinen" in Klammer eingefügt "ausgenommen Sattelzugmaschinen". Dies läßt den Schluß zu, daß die gesetzgebenden Körperschaften inzwischen von einem (auch Sattelzugmaschinen einschließenden) Begriff "Zugmaschinen" ausgegangen sind; denn sonst hätte es des einschränkenden Klammerzusatzes in § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 nicht bedurft. In Anbetracht dessen, daß das Kraftfahrzeugsteuergesetz den Begriff "Zugmaschinen" an mehreren Stellen unterschiedlich verwendet (bald mit erweiterndem Zusatz, bald ohne Zusatz, bald mit einschränkendem Zusatz) und diese Stellen jeweils aus verschiedenen Zeiten herrühren, hat der erkennende Senat für die Auslegung des Begriffs "Zugmaschinen" derjenigen Stelle den Vorzug gegeben, welche die jüngste ist, nämlich der des § 2 Nr. 6 KraftStG 1972. Denn es ist anzunehmen, daß ihr die neueste verkehrsrechtlich maßgebende Bestimmung des Begriffs "Zugmaschinen" zugrunde liegt, zumal diese übereinstimmt mit der in dem erwähnten Normblatt DIN 70 010 enthaltenen Bestimmung des Begriffs "Zugmaschinen" und sich im wesentlichen deckt mit den Erläuterungen zum damaligen "Brüsseler Zolltarifschema" (Tarifnummer 87.01 "Zugmaschinen").
Fundstellen
Haufe-Index 73592 |
BStBl II 1980, 604 |
BFHE 1980, 559 |