Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschreibungen auf einen erworbenen Praxiswert
Leitsatz (NV)
1. Der von einem Freiberufler erworbene Praxiswert kann einer laufenden Abschreibung unterliegen.
2. Wird in einer freiberuflichen Praxis ein neuer Gesellschafter aufgenommen, ohne daß die bisher an der Praxis beteiligten Personen ausscheiden, so kann allerdings auf den von dem neuen Gesellschafter erworbenen Praxiswertanteil keine laufende Abschreibung vorgenommen werden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beigeladenen zu 1 und 2, die gemeinsam eine Steuerberaterpraxis betrieben, nahmen durch Verträge vom Juli 1977 die Kläger und Revisionskläger (Kläger zu 1 und 2) in ihre Praxis als Sozien auf. In einem der zu diesem Zweck abgeschlossenen Verträge, der als ,,Kaufvertrag" bezeichnet ist, veräußerten der Beigeladene zu 1 die Hälfte seines Anteils an der Praxisgemeinschaft (also 25 v. H.) an den Kläger zu 1 und der Beigeladene zu 2 die Hälfte seines Anteils an den Kläger zu 2. Der von den Klägern zu 1 und 2 hierfür zu entrichtende ,,Kaufpreis" betrug je . . . DM. Die Verfahrensbeteiligten sehen übereinstimmend in den von den Beigeladenen gezahlten Beträgen den Gegenwert für den Erwerb von Anteilen an dem Praxiswert.
In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für 1977 machten die Kläger auf die von ihnen erworbenen Anteile an dem Praxiswert Abschreibungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von je 20 v. H. geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den geltend gemachten Abzug. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht angenommen, daß eine Abschreibung auf die von den Klägern erworbenen Praxisanteile unter den gegebenen Umständen nicht gerechtfertigt ist.
1. Die Zahlungen, die die Kläger an die früheren Inhaber der Sozietät (die Beigeladenen) geleistet haben, sind von den Beteiligten zu Recht als Aufwendungen für einen Praxiswert angesehen worden.
Die Beigeladenen haben mit dem als ,,Kaufvertrag" bezeichneten Vertrag vom Juli 1977 jeweils die Hälfte der ihnen zustehenden ,,Anteile" an der - bis dahin nur aus ihnen bestehenden - Gesellschaft an die Kläger veräußert. Die Anteilsveräußerung bedeutet, daß jeweils ein Teil der Mitgliedschaftsrechte an der bisher bestehenden Sozietät auf die Kläger übertragen werden sollte. Welche Vermögenswerte mit dieser Mitgliedschaft verbunden waren und worauf sich demzufolge der Erwerb der Kläger im einzelnen bezog, ist im Vertrag nicht ausdrücklich gesagt. Dem Vertrag ist jedoch zu entnehmen, daß die Höhe des ,,Kaufpreises" nach dem in der bisherigen Praxis erzielten Umsatz bemessen wurde und daß eine Minderung dieses Kaufpreises eintreten sollte, wenn Großkunden (Kunden, auf die mehr als 10 000 DM Umsatz entfallen) in den Jahren 1977 und 1978 ,,weniger als 50 v. H. des für den Kaufpreis zugrunde gelegten Umsatzes" erbringen. Aus dieser Abhängigkeit der Höhe des ,,Kaufpreises" von dem Praxisumsatz läßt sich schließen, daß die von den Klägern als ,,Kaufpreis" geleisteten Beträge als Abgeltung für die den Klägern übertragenen Anteile an Mandantenbeziehungen gedacht waren. Da die Beziehungen zu den Mandanten einen wesentlichen Faktor des Praxiswerts ausmachen, ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon auszugehen, daß die als ,,Kaufpreis" bezeichneten Beträge Aufwendungen für Praxisanteile gewesen sind.
2. Dem FG ist darin beizupflichten, daß die von den Klägern erworbenen Praxiswertanteile unter den gegebenen Umständen nicht abgeschrieben werden konnten.
a) Der Senat geht dabei davon aus, daß zwar der von einem Freiberufler erworbene Praxiswert - im Gegensatz zu dem von einem Gewerbetreibenden erworbenen Geschäftswert - einer laufenden AfA unterliegen kann (ständige Rechtsprechung; vgl. BFHE 115, 102, BStBl II 1975, 381; BFH-Urteil vom 1. April 1982 IV R 2 - 3/79, BFHE 136, 83, BStBl II 1982, 620). Daß Praxiswerte im Unterschied zu den gewerblichen Geschäftswerten für grundsätzlich abschreibbar angesehen werden, wird damit begründet, daß der Wert einer freiberuflichen Praxis im wesentlichen auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber beruht, das nach dessen Ausscheiden zwangsläufig endet, so daß sich der Praxiswert verhältnismäßig rasch verflüchtigt. Vollziehen sich allerdings in einer freiberuflichen Praxis Veränderungen, ohne daß die bisher tätigen Personen ausscheiden, so besteht das für den Praxiswert maßgebliche persönliche Vertrauensverhältnis weiter fort. Demgemäß hat der erkennende Senat wiederholt entschieden, daß sich die Aufnahme eines Sozius in die Praxis eines freiberuflich Tätigen für die Praxis eher förderlich auswirke und deshalb nicht angenommen werden könne, der Praxiswert verflüchtige sich wegen der Bildung einer Sozietät schneller (BFHE 115, 102, BStBl II 1975, 381; BFHE 136, 83, BStBl II 1982, 620). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
b) Die Besonderheiten des Streitfalls sprechen nicht für die Annahme der Kläger, durch die personellen Veränderungen in der Sozietät hätten sich die von ihnen erworbenen Praxiswertanteile verflüchtigt. Nach den Feststellungen des FG sind die beiden bisherigen Praxisinhaber (die Beigeladenen zu 1 und 2) aus der Praxisgemeinschaft nicht ausgeschieden. Auch wenn sie sich nach Aufnahme der Kläger in die Sozietät nicht mehr in der gleichen Weise betätigt haben, sind sie doch nach wie vor Mitinhaber der Praxis. Wie das FG hierzu festgestellt hat, ist der Beigeladene zu 1 weiter in vollem Umfang tätig und übt entscheidenden Einfluß auf die Praxisgemeinschaft aus. Der Beigeladene zu 2, der bisher als atypischer stiller Gesellschafter an der Sozietät beteiligt war, ist ebenfalls weiterhin an der Geschäftsführung beteiligt. Da mithin von einem Ausscheiden der beiden bisherigen Praxisinhaber keine Rede sein kann, muß auch davon ausgegangen werden, daß sich der bisherige Praxiswert nicht verflüchtigt hat. Eine Abschreibung auf den von den Klägern erworbenen Praxiswertanteil kommt deshalb nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 60850 |
BFH/NV 1985, 31 |