Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Gewerbesteuerpflicht eines Wasserverbandes.
Normenkette
GewStG § 2; GewStDV § 2
Tatbestand
Der beschwerdeführende Verband ist nach § 1 Abs. 2 seiner Satzung ein Wasserverband im Sinne der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände vom 3. September 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 933).
Streitig ist, ob die Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für die Jahre II/1948 und 1949 mit Recht erfolgt ist.
Nach § 3 a der Satzung hat der Beschwerdeführer (Bf.) die Aufgabe,
"1. den Wasserabfluß in Wasserläufen zu verbessern und zu regeln,
Gebrauchswasser für Versorgungszwecke und zusätzliches Wasser zur Anreicherung von Wasserläufen bereitzustellen,
Grundstücke vor Hochwasser zu schützen,
Grundstücke zu bewirtschaften,
Fischerei zu betreiben".
Zur Durchführung dieser Aufgaben hat der Bf. nach § 3 b der Satzung ein Sammelbecken sowie zwei Ausgleichsweiher zu betreiben und zu unterhalten "zur besseren Ausnutzung sowohl der Triebkräfte des Wasserlaufs der A als auch ihres Wassers überhaupt, zur Versorgung des B-Kreises mit Gebrauchswasser und zur Hebung des Wasserspiegels der C in den trockenen Jahreszeiten zwecks Versorgung der dem C-Talsperrenverein angehörenden Wasser- und Triebwerke".
Der Bf. hat gemäß § 3 b Abs. 2 der Satzung das A- Tal nach Möglichkeit vor Hochwasser dadurch zu schützen, daß er in niederschlagsreichen Zeiten die über den gewöhnlichen Zulauf zufließende Wassermenge nach den Betriebsvorschriften auffängt und in dem Talsperrenraum zurückhält. Der Bf. hat ferner das das Sammelbecken umgebende, in seinem Eigentum befindliche Gelände (Schutzstreifen) zu bewirtschaften, um das gestaute Wasser, das hauptsächlich der Trinkwassergewinnung dient, vor Verunreinigung zu schützen. Diese Unternehmen gelten als Nebenzwecke des Verbandes. Gemäß § 25 der Satzung verteilt sich die Beitragslast auf die Mitglieder im Verhältnis der Vorteile, die sie von den Aufgaben des Verbandes haben.
Der Verband war der Auffassung, daß er Hoheitsbetrieb und deshalb gemäß § 1 Abs. 2 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes (GewStDV) gewerbesteuerfrei sei. Seine Hauptaufgabe bestehe in dem Schutz der Bevölkerung vor Hochwasser, sowie deren Versorgung mit Trinkwasser und der damit zusammenhängenden Regulierung der Flußläufe. Es handle sich hierbei um polizeiliche Angelegenheiten, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor drohenden Gefahren. Die Grundstücksbewirtschaftung, der Fischereibetrieb, die Abgabe von Wasser an Anlieger seien Nebentätigkeiten von untergeordneter Bedeutung. Sie seien lediglich die Auswirkung der im Interesse der Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben notwendigen Anlagen (Talsperren, Schutzstreifen usw.) und im Interesse einer volkswirtschaftlich richtigen Nutzung geboten.
Nach einem Schreiben des Regierungspräsidenten vom 21. Mai 1951 ist die Talsperre als Trinkwassertalsperre errichtet und zu unterhalten.
Das Finanzamt sah in dem Verband keinen Hoheitsbetrieb, sondern einen Versorgungsbetrieb, der überwiegend die Mitglieder des Wasserverbandes, das Industriewerk X und Y mit Nutz- und Trinkwasser versorge. Die für die Errichtung der Talsperre erforderlichen Geldmittel habe teils der B-Kreis und teils der C-Talsperrenverein zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung habe der Verband dem B-Kreis das Recht eingeräumt "aus dem Sammelbecken gegen einen mäßigen Wasserzins dauernd Wasser zur Versorgung seiner Gemeinden zu entnehmen." Die Gegenleistung gegenüber dem C-Talsperrenverein bestehe in der Verpflichtung, "während der Trockenperiode jeden Jahres bestimmte Wassermengen aus dem Sammelbecken zur Aufhöhung der C-Wasserbestände zur Verfügung zu stellen." Weiterhin bestehe gegenüber dem Industriewerk X die Verpflichtung, täglich bis zu 5.000 cbm Wasser aus der A gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen. Die Einnahmen des Verbandes aus der Wasserwirtschaft betrügen jährlich ca. 70.000 DM, davon rund 30.000 DM vom Industriewerk X, rund 20.000 DM vom B-Kreis und rund 20.000 DM Mitgliederbeiträge. Die Beiträge würden sich auf die Mitglieder im Verhältnis der Vorteile, die sie vom Verband hätten, verteilen. Außerdem habe der Bf. noch rund 4.000 DM jährlich Einnahmen aus Forstwirtschaft, rund 4.000 DM jährlich Mieteinnahmen und rund 2.500 DM Pachteinnahmen. Hieraus ergebe sich deutlich, daß er nicht überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt diene. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser sei eine gewerbliche Betätigung (Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 20/49 U vom 21. Januar 1950, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1950 S. 86).
Im Berufungsverfahren machte der Verband noch geltend, das Finanzamt habe in seiner Einspruchsentscheidung verschiedene Zahlen über die Einkünfte des Verbandes aus seinem Nebenzweck mitgeteilt. Würde die Höhe dieser Einkünfte mit dem Vermögen des Verbandes verglichen, so ergebe sich schon aus dieser Gegenüberstellung, daß der Zweck des Verbandes nicht auf die Erzielung von Einnahmen, also auf Gewinn gerichtet sein könne. Das Anlagevermögen betrage über eine Million DM. Die Ausgaben überstiegen jeweils die Einnahmen, so daß sich von II/1948 bis 1951 Verluste ergeben hätten.
Das Finanzgericht sah die Berufung als nicht begründet an. Es stützte sich hierbei auf die in Sachen des Verbandes bereits ergangenen Entscheidungen des Reichsfinanzhofs V 98/40 vom 6. Dezember 1940 und III 112/40 vom 13. Februar 1941, Reichssteuerblatt - RStBl - S. 350. Wie in der Entscheidung III 112/40 zum Ausdruck komme, handle es sich nicht um eine Hoheitsverwaltung. Der Verband habe hoheitsrechtliche Aufgaben und Befugnisse, aber sie seien nicht überwiegend. Seine Hauptaufgabe bestehe darin, an seine Mitglieder Wasser zum Antrieb ihrer Triebwerke oder industriellen Werke als Gebrauchswasser gegen Zahlung eines angemessenen Entgeltes abzugeben. Diese Tätigkeit stelle keine Hoheitsaufgabe dar, wie in der Umsatzsteuersache 1938 (Urteil des Reichsfinanzhofs V 98/40 vom 6. Dezember 1940 zum Ausdruck komme. Der Verband diene dem Nutzen seiner Mitglieder.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt das Vorbringen bei den Vorbehörden. Sie ist der Auffassung, daß es sich um einen Hoheitsbetrieb oder doch zumindest um einen gemeinnützigen Betrieb handle.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Die Vorbehörden sind zu der Auffassung gekommen, daß die hoheitlichen Aufgaben des Verbandes hinter den privatwirtschaftlichen zurücktreten. Sie sind der Ansicht, daß die Talsperre in erster Linie der Versorgung der Industrie und der Gemeinden mit Gebrauchswasser diene. Die Vorbehörden konnten zu dieser Auffassung kommen. Ein Rechtsirrtum im Sinne des § 288 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) ist nicht gegeben.
Dient ein Betrieb einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft sowohl hoheitlichen als auch gewerblichen Zwecken, so ist die überwiegende Zweckbestimmung des ganzen Betriebs das entscheidende Merkmal dafür, ob der Betrieb in seinem ganzen Umfang steuerfrei oder steuerpflichtig ist (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 419/39 vom 25. Juni 1940, RStBl. S. 827, Slg. Bd. 49 S. 45).
Die Rb. muß deshalb in diesem Punkte ohne Erfolg bleiben.
Der Bf. behauptet, gemeinnützigen Zwecken zu dienen. Während normalerweise die Wasserverbände ihr Wasser zu 5 und 8 Pf. pro cbm abgäben, betrage der Wasserpreis beim Wasserverband nur rund 2 bis 2 1/2 Pf. pro cbm.
Das Finanzgericht hat die Gemeinnützigkeit verneint. Nach § 4 Abs. 1 der Wasserverbandsverordnung vom 3. September 1937 diene der Verband dem öffentlichen Wohl "und dem Nutzen seiner Mitglieder". Dieser Gedanke finde auch in den §§ 24 bis 26 der Satzung des Verbandes vom 4. April 1941 seinen Ausdruck, wo bestimmt sei, daß sich die Beitragslast auf die Mitglieder im Verhältnis der Vorteile verteile, die sie von den Aufgaben des Verbandes hätten. Das Finanzamt ist in seiner Stellungnahme zur Rb. der Ansicht, daß die Verluste des Verbandes im wesentlichen durch die hohen Abschreibungen auf die Sperrmauer und durch die niedrigen Beiträge der Genossen entstanden seien. Die niedrigen Beiträge seien kein äquivalent für die Nutzungen, die die Mitglieder durch die Ausbeutung der Wasserkraft erzielten.
Auch in diesem Punkte muß der Rb. der Erfolg versagt werden. Das Finanzgericht hat mit Recht die Voraussetzungen eines gemeinnützigen Unternehmens nicht als gegeben angesehen. Nach seiner Feststellung des Tatbestands handelt es sich überwiegend um Aufgaben, wie sie Versorgungsbetrieben eigentümlich sind. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität stellt wohl eine bedeutsame wirtschaftliche Aufgabe dar. Es handelt sich aber um keinen gemeinnützigen Zweck, wie dies auch in der Entscheidung des Obersten Finanzgerichts I 20/49 zum Ausdruck kommt, die ebenfalls einen Verband zum Gegenstand hat, der die Mitglieder mit Trink- und Nutzwasser versorgen soll. Gemäß § 17 Abs. 5 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) liegt Gemeinnützigkeit dann nicht vor, wenn eine Tätigkeit nur den Belangen bestimmter Personen oder eines engeren Kreises von Personen dient oder in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.
Das Finanzgericht hat die Frage, ob Gewinnerzielungsabsicht, die Voraussetzung für die Steuerpflicht, vorliegt, nicht ausdrücklich behandelt. Es ist denkbar, daß es von den Bestimmungen des § 1 Abs. 3 der Dritten GewStDV ausgegangen ist, nach der Versorgungsbetriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts stets der Gewerbesteuer unterliegen. Der Oberste Finanzgerichtshof hat diese Vorschrift in seiner Entscheidung I 17/49 S vom 21- Januar 1950, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 I S. 237, nicht als rechtswirksam anerkannt. Sie könne als eine Vermutung gewertet werden, daß bei den Versorgungsbetrieben von Körperschaften des öffentlichen Rechts die Voraussetzungen für das Vorhandensein eines stehenden Gewerbebetriebs erfüllt seien. Gleichzeitig hat er einen Wasserversorgungsverband als steuerfrei angesehen, der lediglich die Selbstkosten verrechnete.
Nach den Ausführungen der Rb. steht im vorliegenden Falle nicht fest, ob Gewinnerzielungsabsicht besteht. Das Finanzamt ist allerdings der Ansicht, daß die Verluste durch unangemessen niedrige Beiträge bedingt seien. Für die Beurteilung der Frage müssen die Grundsätze der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 444/38 vom 14. November 1939, RStBl. 1940 S. 115, beachtet werden; in ihr hat der Reichsfinanzhof ausgesprochen, daß es darauf ankomme, ob den Leistungen des Verbandes an seine Mitglieder angemessene Gegenleistungen der Mitglieder gegenüberstünden. Soweit die Gegenleistungen der Verbandsmitglieder unangemessen niedrig seien, handle es sich um Vorteile, die der Verband seinen Mitgliedern lediglich mit Rücksicht auf ihre Eigenschaft als Mitglieder zuwende. Die Vorteile seien als verdeckte Gewinnausschüttungen in das Erfolgsergebnis einzurechnen. Siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 294/32 vom 9. Dezember 1932, RStBl. 1933 S. 53. Gleichzeitig hat der Reichsfinanzhof anerkannt, daß Gewinnausschlußvereinbarungen bei echten Einkaufs- und Verkaufsgesellschaften auch für das Gebiet der Gewerbesteuer gelten.
Im Streitfalle dürften derartige Gewinnausschlußvereinbarungen vertraglicher Natur nicht vorliegen. Man wird aber die gleichen Grundsätze dort anwenden müssen, wo ein Verband nach seiner Satzung Beiträge nur in einem Ausmaße erhebt, die lediglich die Selbstkosten des Verbandes decken. Siehe auch die Ausführungen unter III der Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 17/49.
Bei der Frage, ob die an einen Verband gezahlten Preise für die Lieferung von Waren angemessen sind, muß beachtet werden, daß die Aufgabe eines Verbandes darin besteht, die Kosten der Verbandsmitglieder beim Bezug der Betriebsmittel zu mindern. Man wird deshalb dort, wo die Leistungen der Mitglieder die Selbstkosten des Verbandes decken, im allgemeinen keine unangemessenen Preise annehmen können. Des weiteren müssen zu den Leistungen der Mitglieder auch die Beiträge gerechnet werden, die wirtschaftlich betrachtet zusätzliche Zahlungen darstellen. Siehe hierzu auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 32/53 vom 21. April 1953, BStBl. III S. 175. Ein Gewinnstreben eines Verbandes könnte auch in der Ansammlung stiller Reserven zum Ausdruck kommen. Es muß deshalb im vorliegenden Falle auch geprüft werden, ob die Verluste nicht die Auswirkung zu hoher Abschreibungen auf die Sperrmauer bilden.
Es erscheint zweckmäßig, die Sache zur nochmaligen Würdigung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407693 |
BStBl III 1953, 226 |
BFHE 1954, 589 |
BFHE 57, 589 |