Leitsatz (amtlich)
Scheidet ein Vorstandsmitglied einer AG infolge Zeitablaufs aus dem Dienst der AG aus und erhält es, ohne daß Versorgungsleistungen vereinbart waren, anläßlich des Ausscheidens einen größeren Betrag, so liegen die Voraussetzungen für eine Verteilung dieser Zuwendung nach § 34 Abs. 3 EStG auf künftige Jahre nicht vor. Das gilt auch, wenn nach dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds dieses mit der AG über monatliche Rentenzahlungen verhandelt und schließlich die Zahlung einer einmaligen Zuwendung vereinbart hat.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde 1956 zum Vorstandsmitglied einer AG bestellt. Mit Ablauf des zweiten Bestellungszeitraums (§ 84 Abs. 1 AktG) schied er Ende Oktober 1966 aus dem Vorstand der AG aus, ohne eine andere Stellung in der Gesellschaft einzunehmen. Nach längeren Verhandlungen zahlte die AG dem Kläger 1967 einen Betrag von 180 000 DM aus, der nach dem Vortrag des Klägers anstelle einer monatlichen Rente von 3 000 DM und deshalb geleistet wurde, weil ihm die Gesellschaft eine Wiederbestellung als Vorstandsmitglied bis zur Erreichung des Pensionsalters zugesagt habe. Der Kläger beantragte bei der Einkommensteuerveranlagung 1967, die 180 000 DM als Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG anzusehen und sie nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigt zu versteuern. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) verneinte den Entschädigungscharakter der Zahlung der AG an den Kläger und führte auch keine Verteilung des Betrags zum Zweck der Einkommensteuerveranlagung auf drei Jahre durch (§ 34 Abs. 3 EStG).
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG vertrat die Ansicht, daß die Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch Zeitablauf eingetreten sei. AG und Kläger hätten ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, so daß kein Raum für die Annahme eines Schadens und entsprechend auch nicht für eine Entschädigung sei. Der Behauptung des Klägers, allein die Tatsache der Zahlung beweise eine Verpflichtung der Gesellschaft, weil diese sonst wirtschaftlich sinnlos sei, könne nicht gefolgt werden. Die Erfahrung zeige, daß derartige Vorgänge nicht selten seien. Die Leistungen müßten einkommensteuerlich regelmäßig als nachträgliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit behandelt werden. Zwar sei eine Verteilung des Betrags gemäß § 34 Abs. 3 EStG auf drei Jahre in Erwägung zu ziehen. Diese Besteuerung liege jedoch offensichtlich wegen der Höhe der Vorjahreseinkünfte nicht im Interesse des Klägers; denn dieser habe sich trotz Aufforderung des Gerichts nicht zu der Frage der Verteilung geäußert.
Der Kläger, der seinen Antrag auf Besteuerung der 180 000 DM nach §§ 24 Nr. 1 a, 34 Abs. 1 EStG in der Revisionsinstanz fallengelassen hat, rügt mit der Revision Nichtbeachtung des § 34 Abs. 3 EStG durch das FG und begehrt die Verteilung der 180 000 DM auf die Jahre 1967, 1968 und 1969. Nach dem Urteil des BFH vom 16. September 1966 VI 381/65 (BFHE 86, 760, BStBl III 1967, 2) sei der Hinweis des Steuerpflichtigen, daß nach seiner Auffassung eine vom allgemeinen Steuertarif abweichende Besteuerung für bestimmte Einkünfte in Betracht käme, als ausreichende Anregung für eine Prüfung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG von Amts wegen anzusehen. Wenn das FG in seinem Schreiben vom 5. Oktober 1971 auch auf die Möglichkeit der Verteilung hingewiesen habe, so könne das nicht als ausreichende Prüfung angesehen werden. Die Ausführungen im FG-Urteil seien um so unverständlicher, weil er sowohl in seinem Schriftsatz vom 25. Oktober 1971 als auch in der mündlichen Verhandlung die Frage der Verteilung angesprochen habe. Allerdings habe er die Ansicht vertreten, daß die 180 000 DM nicht den Vorjahren, sondern den Jahren 1967, 1968 und 1969 anteilmäßig zugerechnet werden müßten. Das sei nach dem BFH-Urteil vom 17. Juli 1970 VI R 66/67 (BFHE 99, 381, BStBl II 1970, 683) auch zulässig. Der an ihn gezahlte Abfindungsbetrag sei eine Vorauszahlung für zukünftig nicht mehr anfallende Gehaltsbezüge. Der Wile der Beteiligten sei darauf gerichtet gewesen, die sich aus der Ablehnung der Wiederbestellung als Vorstandsmitglied ergebende schlechtere wirtschaftliche Lage des Klägers zu mildern. An die Stelle einer Rentenzahlung, die erst in den Folgejahren zu versteuern gewesen wäre, seien die 180 000 DM getreten. Daraus ergebe sich ihr Charakter als Vorauszahlung. Allein die Verteilung auf die Folgejahre entspreche dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 EStG. Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der vom FG festgestellte Sachverhalt und der Vortrag des Klägers lassen eine Verteilung der 180 000 DM unter Einbeziehung der Jahre 1968 und 1969 nicht zu. Wenn Einkünfte als Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit zufließen, ist es für die Tarifbegünstigung nach dem Urteil des erkennenden Senats VI R 66/67 zwar unbeachtlich, ob die Tätigkeit auch tatsächlich ausgeübt wurde. Nach dieser Entscheidung wäre aber Voraussetzung für die vom Kläger angestrebte Verteilung der 180 000 DM auf die Jahre nach seinem Ausscheiden als Vorstandsmitglied der AG, daß er aufgrund seines Anstellungsvertrags noch Gehaltsansprüche über 1967 hinaus gehabt hätte. Gemäß § 84 Abs. 1 AktG konnte der Kläger höchstens auf die Dauer von fünf Jahren zum Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat bestellt werden. Auch die Verlängerung war nur für fünf Jahre zulässig. Entsprechendes galt nach § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG für den Anstellungsvertrag. Da danach die Bestellung des Klägers als Vorstandsmitglied der AG mit Oktober 1966 auslief, konnten mit den 180 000 DM keine zukünftigen Ansprüche des Klägers abgegolten werden. Die vom Kläger aufgestellte Behauptung, ihm sei bei seiner ersten Bestellung in 1956 die mündliche Zusage erteilt worden, daß er bis zur Erreichung des Pensionsalters Vorstandsmitglied bleiben solle, ist wegen der zwingenden gesetzlichen Regelung in den einschlägigen Bestimmungen des Aktienrechts unerheblich.
Mit dem Urteil vom 23. Juli 1974 VI R 116/72 (BFHE 113, 40, BStBl II 1974, 680) hat der Senat die Verteilung einer Abfindungssumme wegen Kapitalisierung von laufenden Ruhegehaltsbezügen auf die der Auszahlung folgenden Kalenderjahre zwar zugelassen. Dabei war aber u. a. entscheidend, daß die Kapitalabfindung nach Eintritt des Versorgungsfalls geleistet wurde. Eine derartige Abfindung, mit der der Anspruch eines in den Ruhestand tretenden Arbeitnehmers auf laufende Ruhegehaltsbezüge abgegolten wird, ist wie eine Vorauszahlung von Arbeitslohn zu behandeln. Das setzt aber klare Vereinbarungen und ihre Abwicklung voraus, wie sie dem Inhalt des von den Beteiligten geschlossenen Vertrags entspricht. Der Kläger hatte aber weder Anspruch auf laufende Ruhegehaltsbezüge, noch war der Pensionsfall eingetreten; denn das Anstellungsverhältnis endete mit Zeitablauf und bevor der Kläger das Pensionsalter erreicht hatte. Bei einem derartigen Sachverhalt können die dem Kläger gezahlten 180 000 DM nur als Entlohnung für seine bereits in der Vergangenheit geleistete Arbeit angesehen werden, selbst wenn die Gesellschaft zunächst zu monatlichen zukünftigen Zahlungen bereit war.
Da danach nur eine Verteilung der 180 000 DM auf die zurückliegenden Jahre in Betracht käme und der Kläger daran, wie die insoweit mit der Revision nicht angegriffene Entscheidung des FG feststellt, offensichtlich wegen der Höhe seiner Vorjahreseinkünfte kein Interesse hat, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71046 |
BStBl II 1974, 743 |
BFHE 1975, 288 |