Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Vermutung des § 4 Abs. 1 VwZG gilt auch dann, wenn sich der Zustellungsempfänger seine Post postlagernd zustellen läßt. Er kann sich in diesem Falle zur Widerlegung der Vermutung nicht darauf berufen, das zugestellte Schriftstück sei ihm erst zu dem späteren Zeitpunkt zugegangen, zu dem er es auf dem Postamt abgeholt habe.
Normenkette
VwZG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Mit Urteil des Finanzgerichts vom 12. Mai 1959 war die Berufung des Bf. gegen die Einspruchsentscheidung des Hauptzollamts H. vom 27. August 1958 als unbegründet zurückgewiesen worden. Dieses Urteil ist dem Bf. nach dem vergeblichen Versuch einer Zustellung mit Zustellungsurkunde in seiner Wohnung durch eingeschriebenen Brief an die von ihm angegebene Postanschrift postlagernd zugestellt worden. Der Brief mit der Urteilsausfertigung wurde am 15. Juni 1959 zur Post gegeben. Die Rechtsbeschwerdeschrift mit Datum vom 20. Juli 1959 ging beim Bundesfinanzhof am 22. Juli 1959 ein.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie verspätet ist.
Die Zustellung eines Schriftstückes mittels eingeschriebenen Briefes gilt gemäß § 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit dem dritten Tag nach der Aufgabe des Briefes zur Post als bewirkt, es sei denn, daß das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Dies gilt auch dann, wenn sich der Zustellungsempfänger seine Post postlagernd zustellen läßt.
Der Bf. gibt an, daß er den Brief mit dem Urteil des Finanzgerichts erst am 25. Juni 1959 bei der Post abgeholt habe. Damit ist ihm dieser Brief im Sinne der vorgenannten Bestimmung aber nicht erst im Zeitpunkt der Abholung zugegangen. Wer seine Post stets postlagernd in Empfang nimmt, muß die Folgen tragen, die sich aus einer unregelmäßigen oder verspäteten Abholung der Post ergeben und kann sich nicht darauf berufen, sie sei ihm erst mit der Abholung zugegangen (vgl. auch Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 144 S. 289). Der Empfänger postlagernder Sendungen hätte sonst die Möglichkeit, durch Hinauszögern der Abholung die Wirkungen fristbegründender Schriftstücke beliebig hinauszuschieben. Da vom Bf. weder behauptet ist noch den Umständen nach - der postalische Vorgang vollzog sich innerhalb des Stadtbezirkes H. - anzunehmen ist, daß der Brief nicht innerhalb der dreitägigen Frist nach Aufgabe zur Post beim Abholpostamt zur Empfangnahme bereitgelegen habe, gilt die Zustellung des Urteils des Finanzgerichts im Streitfall daher mit Ablauf des 18. Juni 1959 als bewirkt. Damit endete die Rechtsbeschwerdefrist am 18. Juli 1959 (§ 245 AO) und die am 22. Juli 1959 eingegangene Rechtsbeschwerde ist verspätet.
Fundstellen
Haufe-Index 424609 |
BStBl III 1959, 456 |
BFHE 1960, 529 |
BFHE 69, 529 |