Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Erbbauberechtigten übernommene Erschließungskosten als Anschaffungskosten des Erbbaurechts; zur AfA auf das Erbbaurecht
Leitsatz (NV)
1. Verpflichtet sich ein Erbbauberechtigter, das Erbbaurecht an einem von ihm noch zu erschließenden Grundstück gegen Zahlung eines Festpreises zu übertragen, so stellen diese Aufwendungen des Erwerbers Anschaffungskosten des Erbbaurechts dar (wie BFH-Urteil vom 23. November 1993 - IX R 84/92, StE 1994, 107).
2. Wird im Jahre 1986 ein Erbbaurecht an einem Grundstück nebst einem darauf zu errichtenden Einfamilienhaus gekauft und dieses nach Fertigstellung im April 1987 bezogen, so kommen im Veranlagungszeitraum 1986 AfA auf das Erbbaurecht als vorab entstandene Werbungskosten in Betracht.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 3; HGB § 255 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger erwarben im Jahre 1986 mit notariell beurkundetem Vertrag von einem Wohnungsunternehmen das seit dem Jahre 1980 bestehende Erbbaurecht an einem Grundstück nebst einem auf dem Grundstück zu errichtenden Einfamilienhaus zu einem (Fest-)Kaufpreis von 273000 DM. Das Einfamilienhaus wird von den Klägern seit der Fertigstellung am 1. April 1987 bewohnt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1986 (Streitjahr) machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 45402 DM geltend, wovon 35642 DM auf Erschließungskosten entfielen. Zum Nachweis legten sie eine Bescheinigung des Wohnungsunternehmens vor, nach der die Zahlung der im Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten in Höhe von 35642 DM mit der ersten Kaufpreisrate am 20. Oktober 1986 erfolgt ist. Nachdem das Finanzamt (FA) zunächst eine unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellte, erklärungsgemäße Veranlagung für das Streitjahr durchgeführt hatte, änderte es die Steuerfestsetzung im Oktober 1988 und ließ die Erschließungskosten unberücksichtigt.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die im Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten seien den Anschaffungskosten des Erbbaurechts zuzurechnen. Anders als im Falle ihrer Übernahme im Verhältnis zum Eigentümer seien die Erschließungskosten im Streitfall nicht als Entgelt für die Nutzung des Grundstücks und damit als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern als Teil des Entgelts für den Erwerb des Nutzungsrechts anzusehen.
Mit der Revision rügen die Kläger sinngemäß eine Verletzung von Bundesrecht. Zu Unrecht habe das FG die in dem Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten als Anschaffungskosten des Erbbaurechts behandelt; da für die Nutzung des Grundstücks ein Erbbauzins zu entrichten sei, habe keine Veranlassung bestanden, für die Übertragung des Erbbaurechts ein Entgelt zu bezahlen. Vielmehr seien dem Wohnungsunternehmen als Erschließungsträger die von vornherein feststehenden Erschließungskosten erstattet worden, die kalkulatorisch als durchlaufende Posten in dem Festpreis enthalten gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hat zwar zutreffend die Erschließungskosten als Anschaffungskosten des Erbbaurechts qualifiziert; es hat jedoch zu Unrecht nicht untersucht, ob insoweit Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.
1. Die Frage nach der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten ist in der Rechtsprechung des BFH unterschiedlich beurteilt worden.
Ursprünglich sind - im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - solche Erschließungskosten zu den Anschaffungskosten des Erbbauberechtigten für das Erbbaurecht gerechnet worden, die - wie andere einmalige Aufwendungen für den Erwerb eines Erbbaurechts (z.B. Notariats-, Vermessungs- und Gerichtskosten - vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1964 VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187; oder auch Grunderwerbsteuer und Maklerprovision - vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 X R 136/87, BFHE 165, 349, BStBl II 1992, 70) - im Wege der AfA auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 1967 VI 295/65, BFHE 88, 285, BStBl III 1967, 417).
Demgegenüber wird bei bilanzierenden Erbbauberechtigten in der Übernahme der Erschließungskosten ein zusätzliches Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks durch den Erbbauverpflichteten gesehen, das in der Bilanz des Erbbauberechtigten als aktiver, in derjenigen des Erbbauverpflichteten als passiver Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen und jeweils auf die Dauer des Erbbaurechts zu verteilen sei (BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398; vom 17. April 1985 I R 132/81, BFHE 144, 213, BStBl II 1985, 617; vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407; vom 18. Oktober 1993 VIII R 87/91, BFHE 172, 376, BStBl II 1994, 109); nach dieser Rechtsprechung ist es gleichgültig, ob der Erbbauberechtigte die Erschließungskosten unmittelbar trägt oder sie dem Grundstückseigentümer erstattet (BFH-Urteil in BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407).
Der erkennende Senat hat es hingegen bislang ausdrücklich offengelassen, inwieweit die zu den Gewinneinkünften entwickelten Grundsätze auf die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung übertragbar sind (Senatsurteil vom 21. November 1989 IX R 170/85, BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310); die Anwendung der für die bilanzierende Erbbauberechtigte geltenden Rechtsprechung im Bereich der Überschußeinkünfte sei deshalb zweifelhaft, weil bei den Überschußeinkünften nicht die Möglichkeit bestehe, ein Nutzungsentgelt auf die Laufzeit des Nutzungsrechts zu verteilen (Senatsurteil vom 23. April 1991 IX R 86/89, BFHE 164, 275, BStBl II 1991, 712).
2. a) Im Streitfall kann die Frage der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der vom Erbbauberechtigten gegenüber dem Grundstückseigentümer übernommenen Erschließungskosten offenbleiben; denn die strittigen Erschließungskosten sind bereits aus anderen Gründen als Anschaffungskosten des von den Klägern erworbenen Erbbaurechts anzusehen.
Gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können.
Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß die Kläger den an das Wohnungsunternehmen gezahlten Betrag für die Übertragung des Erbbaurechts an dem erschlossenen Grundstück geleistet haben.
Den Klägern ist das Erbbaurecht nicht von dem Grundstückseigentümer eingeräumt worden. Vielmehr haben sie es von dem Wohnungsunternehmen - als zwischenzeitlichem Erbbauberechtigten - erworben. Dieses hatte sich verpflichtet, den Klägern das Erbbaurecht an einem erschlossenen Grundstück zu übertragen. Als Gegenleistung hatten die Kläger einen Festpreis an das Wohnungsunternehmen zu zahlen.
Bei dieser Sachlage scheidet ein Zusammenhang zwischen dem von den Klägern für die Erschließung gezahlten Betrag und dem zu dem Grundstückseigentümer bestehenden Nutzungsverhältnis aus, so daß auch die Erschließungskosten nicht als zusätzliches Nutzungsentgelt beurteilt werden können. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger dem Wohnungsunternehmen lediglich die von diesem aufgewendeten Kosten der Erschließung zu erstatten hatten; hiergegen spricht, daß die Kläger einen Festpreis zu zahlen hatten und das Wohnungsunternehmen das Risiko hinsichtlich der tatsächlichen Höhe der Erschließungskosten trug.
Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Kläger - auch nicht aus dem Umstand, daß sie sich in dem Erbbaurechtskaufvertrag zugleich zur Zahlung des laufenden Erbbauzinses an den Grundstückseigentümer verpflichtet haben; denn mit der Pflicht zur Zahlung eines Erbbauzinses im Sinne von § 9 Erbbaurechtsverordnung (ErbbRVO) haben sie lediglich die - bis dahin dem Wohnungsunternehmen obliegende - Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts an dem ursprünglich unerschlossenen Grundstück übernommen.
b) Allerdings hat das FG zu Unrecht nicht untersucht, ob im Streitjahr AfA auf das Wirtschaftsgut Erbbaurecht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 165, 349, BStBl II 1992, 70) als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen waren. Zwar haben die Kläger das Einfamilienhaus erst nach der Fertigstellung am 1. April 1987 und damit nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung zum 31. Dezember 1986 (§ 52 Abs. 21 Satz 1 EStG) bezogen; gleichwohl kommt eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen als Werbungskosten im Streitjahr in Betracht (Senatsurteil vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761).
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat zu den für die Bemessung einer AfA maßgebenden Regelungen der Erbbaurechtsübertragung keine Feststellungen getroffen; insbesondere enthält die Vorentscheidung keine Angaben zum Zeitpunkt der bürgerlich-rechtlichen Übertragung des Erbbaurechts und zu seiner Laufzeit. Die Sache geht daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 419608 |
BFH/NV 1994, 314 |