Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortbestehen einer Baugenehmigung nach Bauherrenwechsel
Leitsatz (NV)
Die Beschäftigungszulage nach § 4b InvZulG 1982 steht dem Pächter eines Grundstücks für ein im Begünstigungszeitraum errichtetes Gebäude nicht zu, wenn das Baugenehmigungsverfahren noch vom Verpächter vor Beginn des Begünstigungszeitraumes eingeleitet worden ist.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Jahren 1981 bis 1983 einen Großhandel auf einem gepachteten Betriebsgrundstück in . . . Die Eigentümerin und Verpächterin V hatte bereits am 21. Dezember 1981 einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau einer weiteren Halle auf dem verpachteten Gelände gestellt. Am 27. August 1982 war die Baugenehmigung erteilt worden. Das Bauvorhaben war jedoch zurückgestellt worden. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1982 stellte V der Klägerin die Baugenehmigung zur Verfügung. Am gleichen Tag bat die Klägerin die zuständige Baubehörde, den Landkreis . . ., um Umschreibung der erteilten Baugenehmigung auf sich. Der vorgenommene Bauherrenwechsel wurde mit Schreiben vom 14. Dezember 1982 von der Baubehörde bestätigt. Am 2. Februar 1983 wandte V sich erneut schriftlich an den Landkreis und teilte mit, daß sie ihr Schreiben vom 7. Dezember 1982 an die Klägerin korrigiere. Da das Bauvorhaben keinesfalls mehr von ihr durchgeführt werden sollte, habe sie die Baugenehmigung zurückziehen wollen. Die Klägerin wandte sich am 2. Februar 1983 ebenfalls schriftlich an den Landkreis und erklärte, mit ihrem Schreiben vom 7. Dezember 1982 habe sie nicht die Umschreibung der Baugenehmigung, sondern eine neue Baugenehmigung beantragen wollen. Sie bat mit Antragseingang 7. Dezember 1982 um Zusendung einer solchen. Mit Schreiben vom 25. Februar 1983 teilte der Landkreis der Klägerin mit, daß er das Schreiben als Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung auf ihren Namen ansehe und die Umschreibung der Baugenehmigung am 14. Dezember 1982 bestätigt habe. Im Laufe des Jahres 1983 wurde das Bauvorhaben - mit geringen Abweichungen - entsprechend der ursprünglichen Planung verwirklicht. Die Herstellungskosten betrugen . . .DM.
Für die Errichtung der Halle und weitere im gleichen Jahr getätigte Investitionen beantragte die Klägerin am 5. September 1984 die Gewährung einer Investitionszulage für das Jahr 1983 nach § 4b des Investitionszulagengesetzes 1982 (InvZulG 1982). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die Investitionszulage für die Halle und setzte mit Bescheid vom 16.Januar 1985 die Investitionszulage für 1983 mit . . .DM fest.
Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 652 veröffentlicht.
Das FG ist der Ansicht, ein Antrag auf Baugenehmigung für ein bestimmtes Bauvorhaben sei auch dann der Beginn der Herstellung i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982, wenn nach erteilter Genehmigung infolge Bauherrenwechsels für dasselbe Vorhaben ein neuer Bauantrag gestellt wird. Die Klägerin habe daher mit der Herstellung der Halle noch im Jahr 1981, also vor Beginn des Begünstigungszeitraums begonnen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 4b InvZulG 1982.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Klägerin durchgeführte Baumaßnahme nicht nach § 4b InvZulG 1982 begünstigt ist.
Die Gewährung einer Investitionszulage nach dieser Vorschrift setzt u.a. voraus, daß die betreffenden Wirtschaftsgüter nachweislich nach dem 31. Dezember 1981 und vor dem 1. Januar 1983 bestellt worden sind oder der Steuerpflichtige in diesem Zeitraum mit der Herstellung oder den nachträglichen Herstellungsarbeiten begonnen hat (§ 4b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982). Nach Absatz 2 Satz 3 gilt bei Baumaßnahmen, zu deren Durchführung eine Baugenehmigung erforderlich ist, als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Danach sind dem Gesetzeswortlaut nach baugenehmigungspflichtige Maßnahmen grundsätzlich nur dann zulagenbegünstigt, wenn der Antrag auf Baugenehmigung innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellt worden ist.
Der Klägerin stünde demnach eine Investitionszulage dann zu, wenn ihr am 7.12. 1982 an den Landkreis . . . gerichtetes Schreiben als Beginn der Herstellung i.S. des § 4b Abs. 2 Satz3 InvZulG 1982 anzusehen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
1. Mit der befristeten Zulagengewährung nach § 4b InvZulG 1982 sollten Anreize für die Investitionstätigkeit der Privatwirtschaft geschaffen werden, um eine gegenwärtige Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft und die damit verbundenen Beschäftigungsprobleme zu beseitigen (vgl. BTDrucks 9/1488, S. 10). Andererseits wollte der Gesetzgeber bereits getroffene Investitionsentschlüsse, die noch nicht zur Ausführung gekommen waren, nicht fördern. So ist z.B. eine dem § 4b Abs. 2 Satz 6 InvZulG 1975 entsprechende Vorschrift, wonach in Fällen, in denen der Antrag auf Baugenehmigung vor dem Beginn des Begünstigungszeitraums gestellt worden war, als Beginn der Herstellung der tatsächliche Beginn der Bauarbeiten galt, bewußt nicht in das Gesetz aufgenommen worden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1990 III R 89/88, BFHE 164, 161, BStBl II 1991, 312).
Der erkennende Senat ist dementsprechend nicht nur bei der Auslegung des Begriffs ,,bestellen" in § 4b InvZulG stets davon ausgegangen, daß nur solche Aufträge zu einer zulagenbegünstigten Anschaffung oder Herstellung führen können, die die Wirtschaftstätigkeit erstmals beleben (vgl. BFH-Urteile vom 12. November 1982 III R 124/80, BFHE 136, 570, BStBl II 1983, 29; vom 5. Juli 1991 III R 3/87, BFHE 165, 143, BStBl II 1991, 854). Er hat deshalb die Gewährung der Investitionszulage dann abgelehnt, wenn ein Steuerpflichtiger in einen bereits bestehenden Vertrag eintritt. Von einem Fortwirken der Investitionsentscheidung ist der Senat auch in dem Fall ausgegangen, in dem der Pächter ein Gebäude aufgrund einer Baugenehmigung errichtet hat, die noch dem Verpächter des im Inland belegenen Betriebs erteilt worden war (Urteil in BFHE 164, 161, BStBl II 1991, 312). Der Senat hat den dort zu entscheidenden Fall mit jenem verglichen, in dem ein Steuerpflichtiger ein im Bau befindliches Gebäude erwirbt und es auf eigene Kosten fertigstellt. Unter Hinweis auf die Entscheidung vom 21. September 1984 III R 109/78 (BFHE 142, 94, BStBl II 1985, 17) hat er ausgeführt, daß die Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 dann nicht zu gewähren ist, wenn der Steuerpflichtige in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung des vor dem Begünstigungszeitraums eingeleiteten Genehmigungsverfahrens mit der genehmigten Baumaßnahme begonnen hat.
So liegen die Verhältnisse auch im Streitfall.
a) Ein enger sachlicher Zusammenhang besteht im Streitfall deswegen, weil die Klägerin den Bau der Halle, wie von V am 21. Dezember 1981 beantragt und vom Landkreis . . . am 27. August 1982 genehmigt, durchgeführt hat.
Die Klägerin hat insbesondere kein anderes als das ursprünglich genehmigte Bauvorhaben verwirklicht. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in diesem Zusammenhang eine Identität zwischen dem geplanten und dem tatsächlich errichteten Gebäude nur dann zu verneinen, wenn dieses gegenüber dem in dem ursprünglichen Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern (vgl. Urteile vom 18. Dezember 1986 III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454, und vom 7. Dezember 1990 III R 88/88, BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, führte die Klägerin das Bauvorhaben mit nur geringen Abweichungen von der usprünglichen Planung durch. Die Planung, das Gebäude als Fabrikationshalle zu nutzen statt wie ursprünglich als Lagerhalle, fällt nicht mehr in den Begünstigungszeitraum. Die vorgenommene Änderung der Nutzung bedeutet im übrigen keine nachhaltige Veränderung des Gebäudes in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 163, 282, BStBl II 1991, 378).
b) Auch von einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des Beginns der Baumaßnahmen mit der Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens durch V ist im Streitfall auszugehen. Zwischen der Genehmigung des von der V geplanten Bauvorhabens und der Übernahme der Bauerlaubnis durch die Klägerin liegen nur vier Monate. Hinzu kommt im Streitfall, daß - wie dem Vortrag der Klägerin entnommen werden kann - während des gesamten Zeitraums zumindest bei einigen der Gesellschafter ein Interesse an dem Bau einer zusätzlichen Halle vorhanden war und nach Ausscheiden der sich gegen die Baumaßnahmen stellenden Gesellschafter alsbald mit der Verwirklichung des 1981 geplanten Bauvorhabens begonnen wurde.
2. Angesichts dieser Rechts- und Sachlage kann offenbleiben, ob die Schreiben der Klägerin vom 7. Dezember 1982 und vom 2. Februar 1983 als eigener, noch innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellter Antrag auf Baugenehmigung gewertet werden könnten. Da die beiden Schreiben dieselbe Baumaßnahme auf demselben Grundstück betrafen und nach ihnen keinerlei Änderungen im Vergleich zu dem von V geplanten Vorhaben vorgenommen werden sollten, hätte es sich bei ihnen ohnehin lediglich nur um eine formal-rechtliche Wiederholung des Bauantrags der V gehandelt. Ein derartiger erneuter Antrag kann nicht als Bauantrag i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982 angesehen werden. Denn von ihm geht wie bei der Wiederholung einer Bestellung keine zusätzliche Belebung der Wirtschaftstätigkeit aus. Es wirkt vielmehr der bei der ersten Antragstellung gegebene Impuls fort.
Fundstellen
Haufe-Index 418237 |
BFH/NV 1993, 127 |