Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zu Fragen der Auskunftsverweigerung im Steueraufsichtsverfahren.
Normenkette
AO §§ 201-202, 175-176, 410
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Komplementär der Firma Albert A. Söhne KG, die seit 1950 die bis dahin als Einzelunternehmen geführte Firma Albert A. fortgeführt hat. Als der Steuerberater der Firma bei den Abschlußarbeiten für die Jahresbilanz 1950 feststellte, daß Umsatz, Unkosten und Wareneinkauf in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander standen, machte er die Gesellschafter auf diese Unstimmigkeiten und die strafrechtlichen Folgen einer etwaigen Umsatzverkürzung aufmerksam. Nachdem die Gesellschafter den Abschluß und die Durchführung von Ohne- Rechnungs-Geschäften zugegeben hatten, veranlaßte der Steuerberater, daß Selbstanzeige erstattet und für das Jahr 1950 ein nicht versteuerter Umsatz in Höhe von rd. 47.000 DM nachgemeldet wurde. Das in der bisherigen franz. Zone gelegene Finanzamt sah sich auf Grund dieser Selbstanzeige zur Durchführung einer Betriebsprüfung veranlaßt, bei der außer den von der Firma nachgemeldeten Umsätzen noch weitere nicht versteuerte Umsätze ermittelt wurden, die sich für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 auf insgesamt rd. 30.000 DM, für den Veranlagungszeitraum 1950 auf rund 10.000 DM belaufen.
Ein Strafverfahren ist wegen dieser Umsatzsteuerverkürzungen bisher nicht eingeleitet worden. Wohl aber forderte das Finanzamt gegen Ende der Prüfung den Bf. durch Beamte des Steuerfahndungsdienstes auf, die Namen derjenigen Geschäftsfreunde bekanntzugeben, mit denen das Unternehmen Ohne-Rechnungs-Geschäfte getätigt hat. Als der Bf. es ablehnte, dieser Aufforderung Folge zu leisten - die außer an ihn selbst auch an seinen Vater als den Inhaber der früheren Einzelfirma wegen der Ohne-Rechnungs- Geschäfte aus den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 gerichtet worden war -, wiederholte das Finanzamt sein Verlangen für die Veranlagungszeiträume 1950 und 1951 schriftlich unter gleichzeitiger Androhung einer Erzwingungsgeldstrafe in Höhe von 200 DM.
Gegen diese Verfügung des Finanzamts - an der der Bf. formell bemängelt, daß sie keinen Hinweis auf die Rechtsgrundlage des Auskunftsbegehrens enthalte - erhob er bei der Oberfinanzdirektion Beschwerde, weil nach seiner Ansicht das Auskunftsverlangen des Finanzamts mit den Grundsätzen von Recht und Billigkeit nicht vereinbar ist. Nach seinen Ausführungen wäre angesichts der schlechten Liquidität des Unternehmens die Existenz der Firma gefährdet, wenn sie zur Erfüllung des Auskunftsverlangens gezwungen würde, weil in diesem Falle kein Kunde mehr bei ihr kaufen und kein Lieferant mehr Kredit gewähren würde. Im übrigen hält der Bf. es für ungesetzlich, von ihm als dem Täter einer strafbaren Handlung, der lediglich durch persönlichen Strafausschließungsgrund (Selbstanzeige) geschützt sei, die Namhaftmachung seiner "Mittäter" zu erzwingen. Abgesehen von drei Kunden, mit denen die Firma nicht mehr in Geschäftsverbindung steht, verweigert der Bf. auch weiterhin die Angabe der Namen derjenigen Geschäftspartner, mit denen das Unternehmen Ohne- Rechnungs-Geschäfte getätigt hat.
Die Oberfinanzdirektion hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen, weil nach ihrer Ansicht die Interessen der Allgemeinheit an der Aufklärung der Ohne-Rechnungs-Geschäfte in der ------------- Industrie, die nur auf dem Wege der geforderten Auskunftserteilung möglich sei, höher zu bewerten sind als die gegenteiligen Interessen des Bf. Sein weiteres Vorbringen, daß es ungesetzlich sei, von ihm die Angabe seiner "Mittäter" zu verlangen, hält die Oberfinanzdirektion für unbeachtlich, weil die Auskunft weder in einem Steuerermittlungsverfahren noch in einem Strafverfahren verlangt werde, das sich gegen den Bf. selbst richte. Es handle sich vielmehr um ein "Steueraufsichtsverfahren gegen seine noch unbekannten Lieferanten und Abnehmer".
Der Bf. hat die Entscheidung der Oberfinanzdirektion mit der Rechtsbeschwerde angegriffen, wobei er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens ergänzend darauf hinweist, daß in Anbetracht der bei der Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen auch ihm selbst noch immer die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung drohe und daß dabei die von ihm verlangte Auskunft unter Umständen gegen ihn selbst verwertet werden könnte.
Gemäß § 305 Abs. I der Reichsabgabenordnung (AO) ist die Rechtsbeschwerde an den Bundesfinanzhof gegen Beschwerdeentscheidungen der Oberfinanzdirektion unter anderem dann gegeben, wenn diese ein Verfahren gegen die Androhung eines Zwangsmittels nach § 202 AO zum Gegenstand haben. Das Finanzgericht Stuttgart hat in einer am 9. Juni ergangenen Entscheidung - II 556/53, mitgeteilt im "Der Betriebs-Berater" 1954 S. 828 - allerdings zum Ausdruck gebracht, daß dieser Rechtsschutz durch den Bundesfinanzhof nicht mehr genüge, weil der nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gewährleistete gerichtliche Rechtsweg gegen Verwaltungsakte aller Art auch eine gerichtliche Nachprüfung des Tatbestandes und damit die vorgängige Entscheidung des Finanzgerichts bedinge. Ob diese Ansicht des Finanzgerichts Stuttgart zutrifft, bedarf im vorliegenden Streitfalle nicht der Erörterung, da der Senat von einer Verweisung der Sache an das zuständige Finanzgericht jedenfalls schon deshalb absehen zu können glaubt, weil der Tatbestand für eine abschließende Entscheidung hinreichend geklärt erscheint und der Bf. durch den Verlust der gerichtlichen Tatsacheninstanz keine Rechtsnachteile hat.
Entscheidungsgründe
Denn die vom Bf. erhobene Rechtsbeschwerde ist begründet.
Allerdings kann über den formalen Mangel der angefochtenen Verfügung des Finanzamts hinweggesehen werden, der in der Unterlassung der Bezeichnung der gesetzlichen Grundlagen des Auskunftsbegehrens besteht. Da der Vertreter des Bf. aus dem Inhalt der angefochtenen Verfügung die nicht ausdrücklich angeführten gesetzlichen Bestimmungen, auf die sie gestützt wurde, zutreffend erkannt hat, ist die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion insoweit nicht zu beanstanden.
Es wird der Vorinstanz auch darin beizupflichten sein, daß das Finanzamt gemäß den §§ 201, 175 AO grundsätzlich berechtigt ist, im Steueraufsichtswege von einem Steuerpflichtigen Auskunft über die Geschäftspartner der von ihm getätigten Ohne-Rechnungs- Geschäfte zu verlangen (vgl. dazu Gutachten des Reichsfinanzhofs VI D 1/32 vom 10. März 1932, Slg. Bd. 30 S. 233, und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 337/50 U vom 22. November 1951, Slg. Bd. 56 S. 65 ff., Bundessteuerblatt 1952 III S. 27 ff.). Wenn der Bf. dem entgegenhalten will, daß die Erfüllung des Auskunftsverlangens mit Rücksicht auf die damit verbundene Gefährdung des von ihm geleiteten Unternehmens nicht zumutbar sei, so kann er sich zur Begründung seiner Auffassung jedenfalls nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 337/50 U berufen. Denn in dieser Entscheidung ist lediglich die Art und Weise der Durchführung des Auskunftsverlangens im Hinblick auf die damit verbundene übermäßige Arbeitsbelastung des beteiligten Steuerpflichtigen für nicht zumutbar erklärt worden, während das Auskunftsverlangen an und für sich in dem damals entschiedenen Streitfall für zulässig erachtet worden ist. Die damalige Entscheidung hat daher für den jetzigen Streitfall insoweit keine richtunggebende Bedeutung, da sich der Bf. hier weniger gegen die Durchführung des Auskunftsverlangens, die ihn weder mit Arbeit noch mit Kosten übermäßig belasten würde, als vielmehr gegen das Auskunftsverlangen als solches wendet.
Auch ein derartiges Verlangen muß aber mit den Grundsätzen von Recht und Billigkeit im Einklang stehen, wie der Bundesfinanzhof in dem angeführten Urteil IV 337/50 U, Slg. Bd. 56 S. 70, ausdrücklich hervorgehoben hat. Es kann - auch abgesehen von der Frage einer etwaigen Existenzgefährdung - zweifelhaft sein, ob es mit diesen Grundsätzen vereinbar ist, auch von einem Steuerpflichtigen, der Selbstanzeige nach § 410 AO erstattet hat, die Angabe der Geschäftspartner auf Grund der §§ 201, 175 AO im Steueraufsichtsverfahren zu verlangen. Denn der Stpfl. braucht nach § 410 Abs. 1 AO grundsätzlich nur seine eigenen unrichtigen oder unvollständigen Angaben zu berichtigen. Es erscheint daher auch im Hinblick auf den steuerpolitischen Zweck des § 410 AO zweifelhaft, ob die Finanzämter in solchen Fällen von dem Steuerpflichtigen nach Erstattung der Selbstanzeige unter Anwendung von Zwangsmitteln die Angabe der Geschäftspartner verlangen können, mit denen die Ohne-Rechnungs-Geschäfte getätigt sind, die zu der berichtigten Steuerverkürzung geführt haben.
Im Streitfall kann die Entscheidung dieser Frage dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls kann in einem Steueraufsichtsverfahren, das der Ermittlung etwa von Dritten verkürzter Steuern dient, auch ein Steuerpflichtiger, der grundsätzlich zur Auskunft nach § 175 AO verpflichtet ist, die Auskunft nach § 176 AO dann verweigern, wenn ihre Erteilung ihm selbst oder einem Angehörigen die Gefahr einer Strafverfolgung zuziehen würde; dabei genügt es für das Recht zur Auskunftsverweigerung, daß durch weitere Angaben eine an sich schon bestehende Gefahr vergrößert würde.
Dieser Rechtslage hat die Oberfinanzdirektion nicht Rechnung getragen und ist deshalb in eine nähere Prüfung der Frage, ob der Bf. im Falle der Auskunftserteilung sich selbst oder seine Angehörigen der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde, nicht eingetreten. Zur Prüfung dieser Frage hätte aber um so mehr Veranlassung bestanden, als selbst der Vorlagebericht des Finanzamts vom 31. Januar 1952 die Möglichkeit eines späteren Strafverfahrens gegen den Bf. durchaus offenläßt. Wenn darin gesagt wird, daß ein Strafverfahren gegen den Bf. noch nicht eingeleitet sei, so schließt das jedenfalls die Gefahr einer künftigen Strafverfolgung keineswegs aus. Denn nicht einmal im Falle der vorläufigen Einstellung des Verfahrens oder im Falle eines Freispruchs wegen Mangels an Beweisen würde eine derartige Gefahr endgültig beseitigt sein, da selbst dann noch mit der Möglichkeit einer Neueröffnung bzw. einer Wiederaufnahme des Verfahrens gerechnet werden müßte. Da die Oberfinanzdirektion die im vorliegenden Fall entscheidende Frage, ob dem Bf. ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §§ 176 ff. AO zusteht, für unerheblich gehalten und deshalb außer acht gelassen hat, unterliegt die Vorentscheidung der Aufhebung wegen Rechtsirrtums.
Bei freier Würdigung des Sachverhalts ist der Rechtsstreit entscheidungsreif. Denn der Tatbestand ist jedenfalls insoweit hinreichend geklärt, als es sich um die Frage des Bestehens eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 176 AO handelt. Das Bestehen eines solchen Rechts ist im Streitfall schon aus dem Grund zu bejahen, weil der Bf. trotz seiner Selbstanzeige noch immer mit einer Strafverfolgung auf Grund der Feststellungen des Finanzamts im Betriebsprüfungsverfahren rechnen muß. Denn es sind, wie der Vertreter des Bf. mit Recht hervorgehoben hat, die Umsätze der KG für das Jahr 1950 um rd. 10.000 DM höher geschätzt worden, als sie vom Bf. in der Selbstanzeige angegeben waren. Trifft diese Schätzung des Finanzamts aber zu, so genießt der Bf. zum mindesten insoweit nicht den Schutz des § 410 AO. In diesem Falle würde er sich bei Erteilung einer wahrheitsgemäßen Auskunft selbst der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen. In noch verstärktem Maße würde dies für die gleichfalls geforderte Auskunftserteilung über die im Jahre 1951 von der Albert A. Söhne KG getätigten Ohne-Rechnungs-Geschäfte zu gelten haben, da insoweit eine Selbstanzeige vom Bf. nicht erstattet ist. Wenn demgegenüber die Oberfinanzdirektion erwähnt, das Auskunftsverlangen könne dahingehend eingeschränkt werden, daß nur diejenigen Geschäftsbeziehungen offengelegt zu werden brauchten, die bei der KG selbst steuerlich erfaßt worden seien, so bedeutet auch eine solche Einschränkung keinen wirksamen Schutz für den Bf. Denn es spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Bf. die Geschäftspartner seiner Ohne-Rechnungs-Geschäfte nicht in größerem Umfang gewechselt hat, sondern daß diese zu einem erheblichen Teil die gleichen geblieben sind. Mit der Angabe der Geschäftspartner derjenigen Ohne-Rechnungs-Geschäfte, die der Bf. in seiner Selbstanzeige nachträglich steuerlich erfaßt hat, würde er infolgedessen zu einem erheblichen Teil auch die Geschäftspartner derjenigen Geschäfte bezeichnet haben, die von seiner Selbstanzeige nicht erfaßt worden sind. Die Möglichkeit einer Aufteilung der Ohne-Rechnungs-Geschäftspartner in solche, deren Geschäftsverkehr vom Bf. in der Selbstanzeige erfaßt worden ist, und in solche, bei denen dies nicht zutrifft, erscheint daher nahezu ausgeschlossen. Hinzu kommt, daß, selbst wenn dies möglich wäre, noch immer der Vater des Bf. durch die vom Bf. zu erteilende Auskunft der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt bliebe. Denn es kann nach den Gesamtumständen als wahrscheinlich gelten, daß dieser, der eine Selbstanzeige nicht erstattet hat, die vom Finanzamt festgestellten Mehrumsätze in den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 zu einem erheblichen Teil mit den gleichen Geschäftspartnern getätigt hat, mit denen sein Sohn die späteren Ohne-Rechnungs-Geschäfte der Firma Albert A. Söhne KG fortsetzte. Daß durch die vom Finanzamt verlangte Auskunftserteilung eine solche Gefahr auch nur für den Vater des Bf. begründet werden könnte, reicht aber nach § 176 AO in Verbindung mit § 10 Ziff. 3 des Steueranpassungsgesetzes aus, um die Auskunftsverweigerung des Bf. zu rechtfertigen.
Unter diesen Umständen war die angefochtene Entscheidung ebenso wie die zugrunde liegende Verfügung des Finanzamts vom 18. Dezember 1951 ersatzlos aufzuhaben. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 309 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 408072 |
BStBl III 1955, 30 |
BFHE 1955, 79 |
BFHE 60, 79 |