Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der nach § 10 Abs. 3 GewStG 1957 umzurechnende Gewerbeertrag ist weder um außerordentliche Gewinne zu kürzen noch um außerordentliche Verluste zu erhöhen.
§ 10 Abs. 3 GewStG 1957 dient der Ermittlung der nach § 11 Abs. 2 GewStG anzuwendenden Meßzahlen und des maßgebenden Jahresertrages selbst. Die Umrechnung auf einen Jahresertrag darf nicht unterbleiben.
Normenkette
GewStG § 10 Abs. 3
Tatbestand
Wirtschaftsjahr der Bfin., einer KG, war bis einschließlich 1957 das Kalenderjahr. Im Jahre 1958 stellte die Bfin. das Wirtschaftsjahr auf die Zeit vom 1. April bis 31. März um. Für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 31. März 1958 ergab sich ein Gewerbeertrag von 163.531 DM, den das Finanzamt bei der Ermittlung des Meßbetrags auf einen Jahresbetrag von 654.124 DM umrechnete.
Hiergegen machte die Bfin. geltend, im Gewinn der Monate Januar bis März 1958 sei durch den Rückfluß eines Darlehens an die Lastenausgleichsbank (ß 7 f des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1953) ein außerordentlicher Ertrag von 100.000 DM enthalten, der bei der Umrechnung in sinngemäßer Anwendung des Abschnitts 67 Abs. 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1958 außer Ansatz bleiben müsse und erst dem sich dann ergebenden Jahresbetrag zugerechnet werden dürfe. Die Auffassung des Finanzamts verstoße gegen den Willen des Gesetzgebers und verletze den Gleichheitssatz. äußerstenfalls müsse ihr im Billigkeitswege geholfen werden.
Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Nach § 10 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sei der gesamte Gewerbeertrag des Rumpfzeitraumes auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Außerordentliche Gewinne seien davon nicht ausgenommen. Eine Lücke im Gesetz, die durch eine Ergänzung des Abschnitts 67 GewStR geschlossen werden müsse, liege nicht vor. Auch der Sinn des Gesetzes rechtfertige keine andere Entscheidung. Durch die Umrechnung solle ein Jahresergebnis mit der darauf entfallenden Meßzahl für die Gewerbesteuer erfaßt werden. Deshalb könne auch von einer Verletzung des Gleichheitssatzes keine Rede sein. Härtefällen könne die Verwaltung nach § 131 AO abhelfen. Doch seien dafür nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 101/60 S vom 9. Januar 1962 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1962 III S. 238, Slg. Bd. 74 S. 641) die Gemeindebehörden zuständig.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Bfin. unrichtige Rechtsanwendung und macht geltend, die in § 10 Abs. 3 GewStG für die Anwendung der Steuermeßzahlen angeordnete Umrechnung auf einen Jahresbetrag erhalte ihren Sinn allein aus der Progression der Meßzahlen im § 11 GewStG. Dann seien aber nur Gewerbeerträge umzurechnen, die sich innerhalb der Staffelung bewegten. Andernfalls würden Gewinne erfaßt, die gar nicht erzielt worden seien. Der 3/4 - Jahreszeitraum vom 1. April bis 31. Dezember 1958 werde doppelt herangezogen, einmal für das Jahr 1958 durch die Umrechnung des Rumpfzeitraums und dann durch die Heranziehung des Gewerbeertrags vom 1. April 1958 bis 31. März 1959 zur Gewerbesteuer 1959. Dieses Ergebnis werde vermieden, wenn man nur zur Feststellung der Progression umrechne. Da aber im Streitfall der Ertrag des Rumpfwirtschaftsjahres die Progressionszone des § 11 Abs. 2 GewStG übersteige, habe es für den Meßbetrag 1958 bei dem nicht umgerechneten Gewerbeertrag dieses Zeitraums zu verbleiben. Als Hilfsantrag wiederholt die Bfin. ihr früheres Vorbringen über die beschränkte, die 100.000 DM zunächst unberücksichtigt lassende Umrechnung. Hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit für Billigkeitsentscheidungen sei der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 101/60 S (a. a. O.) nicht zu folgen, die nicht zwischen Billigkeitsmaßnahmen aus persönlichen und aus sachlichen Gründen unterscheide. Bei den letztgenannten, aus dem steuerlichen Tatbestand selbst hervorgehenden Gründen, wie sie hier zuträfen, habe § 131 AO den Charakter einer subsidiären Maßnahme bei der Gesetzesanwendung und Gesetzesauslegung. Darum seien insoweit die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte für die Entscheidung zuständig. Bei ihren Anträgen zur Rb. verwertet die Bfin. einen Einheitswert ihres Betriebes zum 1. Januar 1958, während bisher den Berechnungen ein solcher zum 1. Januar 1957 zugrunde liegt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1957 ist Erhebungszeitraum der Gewerbesteuer das Kalenderjahr. Für die Berechnung der Steuer ist der Gewerbeertrag des Erhebungszeitraums maßgebend, für den der einheitliche Meßbetrag festgestellt wird (ß 10 Abs. 1 GewStG 1957). Grundsätzlich decken sich also Bemessungszeitraum und Erhebungszeitraum. Eine Besonderheit tritt ein, wenn das Wirtschaftsjahr sich mit dem Erhebungszeitraum nicht deckt, wenn der Steuerpflichtige also auf einen anderen Tag als den 31. Dezember abschließt. Nach § 10 Abs. 2 GewStG 1957 gilt bei abweichendem Wirtschaftsjahr der Gewerbeertrag als in dem Zeitraum bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Dann wird das volle Ergebnis des abweichenden Wirtschaftsjahres dem Erhebungszeitraum angerechnet, in dessen Verlauf sein Ende fällt. Als Folge dieser gesetzlichen Regelung können bei der Umstellung eines Wirtschaftsjahres sich Gewerbeerträge ergeben, die einen längeren oder kürzeren Zeitraum als den eines Kalenderjahres umfassen. Stellt z. B. ein Unternehmer sein vom 1. April bis 31. März laufendes Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr um, so enden im Kalenderjahr der Umstellung zwei Wirtschaftsjahre, nämlich ein volles Wirtschaftsjahr und ein Rumpfwirtschaftsjahr. Nach § 10 Abs. 2 GewStG 1957 würde dann der Erhebungszeitraum der Umstellung den Ertrag von 21 Monaten umfassen. Bei der Bfin. tritt der gegenteilige Fall ein: Nach der Regelung des § 10 Abs. 2 GewStG 1957 fällt in den Erhebungszeitraum 1958 nur der Ertrag der Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1958; der Ertrag der folgenden Monate des Jahres 1958 rechnet schon zum Erhebungszeitraum 1959. Da aber mit der Gewerbesteuer jeweils das Ergebnis eines Jahresertrages erfaßt werden soll, ist im § 10 Abs. 3 GewStG 1957 für die Anwendung der Meßzahlen des § 11 GewStG 1957 die Umrechnung auf einen Jahresertrag angeordnet.
Aus dem § 10 Abs. 3 GewStG 1957 ergibt sich zunächst, daß die Umrechnung grundsätzlich nach dem unveränderten Gewerbeertrag zu geschehen hat. "Der" mehr oder weniger als 12 Monate umfassende Gewerbeertrag ist umzurechnen. Das Ergebnis eines Wirtschaftszeitraumes wird von zahlreichen Vorgängen beeinflußt, die den Ertrag erhöhen und mindern. Kein Einzelvorgang, auch wenn er außerordentlich ist, wird bei der Umrechnung ausgenommen. Von einer Lücke im Gesetz kann bei der genauen Ausdrucksweise des § 10 Abs. 3 Satz 1 GewStG 1957 keine Rede sein. Die Bfin. beruft sich zu Unrecht auf Abschnitt 67 Abs. 3 der GewStR 1958. Diese Verwaltungsanweisung behandelt gewisse Zurechnungen und Kürzungen bei dem gemäß § 7 GewStG 1957 die Grundlage des Gewerbeertrags bildenden Gewinn, die nach dem Gesetz bereits Jahresbeträge sind (§§ 8 Ziff. 9, 9 Ziff. 1 Satz 1 und 9 Ziff. 5 GewStG 1957). Die 100.000 DM sind aber Bestandteil des laufenden Betriebsgewinns und nicht etwa eine besondere Zurechnung. Daß der Schluß der Bfin. aus Abschnitt 67 Abs. 3 der GewStR 1958 nicht zutrifft, ergibt sich auch daraus, daß inzwischen Art. 6 Ziff. 7 des Steueränderungsgesetzes (StändG) 1961 vom 13. Juli 1961 (BStBl 1961 I S. 444) den Inhalt der Richtlinien als Satz 2 in den § 10 Abs. 3 GewStG eingefügt hat, ohne den Satz 1 zu ändern. Die Formulierung des Satzes 2 a. a. O. "von der Umrechnung nach Satz 1 sind ausgenommen" ergibt deutlich, daß weitere Ausnahmen von der Umrechnung des Satzes 1 nicht gemacht werden sollen.
Ebenso ist dem § 10 Abs. 3 GewStG 1957 nicht zu entnehmen, die Umrechnung bezwecke lediglich, die Höhe der Meßzahl nach § 11 a. a. O. zu ermitteln. Dem steht schon die Wortfassung des Gesetzes entgegen, die die Umrechnung schlechthin "für die Anwendung" der Steuermeßzahlen des § 11 GewStG vorsieht, und nicht etwa nur "zur Ermittlung des nach § 11 anzuwendenden Vomhundertsatzes". § 10 GewStG 1957 will, wie seine überschrift sagt, den "maßgebenden Gewerbeertrag" regeln, d. h. den Gewerbeertrag, auf den die Meßzahlen des § 11 GewStG anzuwenden sind. Hätte die Umrechnung nur die Bedeutung, die Höhe der anzuwendenden Meßzahl festzustellen, so würde sie als Tarifvorschrift in den § 11 GewStG 1957 gehören. Sie ist jedoch gerade "aus Gründen der besseren Systematik" als Abs. 3 in den § 10 übernommen worden (vgl. Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 10 Anm. 5 Abs. 4). § 10 Abs. 3 GewStG 1957 trägt dem Grundgedanken des GewStG Rechnung, die Steuer auf den Erhebungszeitraum, d. h. auf ein Kalenderjahr abzustellen (ß 14 Abs. 2 GewStG 1957). Im Gegensatz zur Einkommensteuer kennt die Gewerbesteuer beim übergang auf ein anderes Wirtschaftsjahr keine "Steuerpause". Umgekehrt verhindert § 10 Abs. 3 GewStG 1957 aber auch, daß in einem einzelnen Erhebungszeitraum mehr als der Ertrag von 12 Monaten erfaßt wird. Im Gegensatz dazu können in den Veranlagungszeitraum der Einkommensteuer gewerbliche Gewinne bis zu 23 Monaten fallen (vgl. Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 2 Anm. 12 S. 190; Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 7. Aufl. § 2 Tz. 54 Beispiel 38 a).
Daß die gegenteilige Rechtsauslegung der Bfin. nicht zutrifft, ergibt sich auch daraus, daß die Umrechnung nach § 10 Abs. 3 GewStG 1957 bei allen Unternehmen keinen Sinn hätte, die gemäß § 11 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG 1957 keinen Anspruch auf den Freibetrag und die Degression in Ziff. 1 a. a. O. haben, bei denen vielmehr allgemein die Meßzahl 5 v. H. Platz greift.
Ebenso trifft es nicht zu, daß durch die Umrechnung der Ertrag in der Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1958 doppelt erfaßt werde. Dieser Zeitraum fällt bereits in das folgende, am 31. März 1959 endende Wirtschaftsjahr und gilt deshalb nach § 10 Abs. 2 GewStG 1957 als Ertrag des Erhebungszeitraums 1959. Eine doppelte Erfassung kann nicht eintreten. Würde etwa die Steuerpflicht der Bfin. am 31. März enden, so wäre gemäß § 11 Abs. 5 GewStG 1957 der Meßbetrag zu kürzen, d. h. die Bfin. hätte entsprechend der Dauer der Gewerbesteuerpflicht nur ein Viertel einer vollen Jahressteuer zu zahlen. Wollte man andererseits dem Vorschlag der Bfin. folgen, so würde sie unter Verletzung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung für den Erhebungszeitraum 1958 eine um 3/4 gekürzte Steuer zahlen, obwohl ihre Gewerbesteuerpflicht während des ganzen Jahres bestanden hat.
Der Bfin. ist auch in ihrer Auslegung des § 131 AO nicht zu folgen. Allerdings kann sich die Unbilligkeit der Steuereinziehung im Einzelfall aus persönlichen oder aus sachlichen Gründen ergeben. In beiden Fällen müssen über die Billigkeitsmaßnahmen die Verwaltungsbehörden nach pflichtmäßigem Ermessen entscheiden. In dem hier zuständigen Land Württemberg-Baden ist aber die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer durch die Verordnung vom 31. März 1948 (Regierungsblatt 1948 S. 64) den Gemeinden übertragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steht in solchen Fällen das Recht, Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 AO zu treffen, nicht den Finanzbehörden, sondern den Gemeinden zu. Siehe z. B. die Entscheidungen I 101/60 S (a. a. O.); IV 162/62 S vom 8. November 1962 (BStBl 1963 III S. 143, Slg. Bd. 76 S. 390); I 328/61 vom 4. Dezember 1963 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 339). Siehe auch den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts VII B 56/57 vom 9. Oktober 1957 (Der Betriebs-Berater 1957 S. 1211). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die Unterscheidung zwischen Erlaßanträgen aus sachlichen und persönlichen Gründen ändert nichts daran, daß Billigkeitsmaßnahmen aus § 131 AO angestrebt werden. Der Senat kann deshalb in diesem Verfahren zu der von der Bfin. aufgeworfenen Frage, ob zu ihren Gunsten eine Billigkeitsmaßnahme geboten ist, nicht Stellung nehmen.
Den Anträgen ihrer Rb. legt die Bfin. einen Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1958 zugrunde. Ein solcher Einheitswertbescheid ist in den Akten nicht enthalten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bfin. nach den §§ 296 Abs. 1, 288 AO mit diesem Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch gehört werden kann. Bei einer änderung des maßgebenden Einheitswerts wird der Meßbescheid von Amts wegen und ohne Rücksicht auf seine Rechtskraft nach § 35 b GewStG 1957 durch einen neuen Bescheid ersetzt. Die Vorschrift wiederholt insoweit lediglich aus Gründen der Klarstellung die Regelung des § 218 Abs. 4 AO (Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 35 b Anm. 1 Abs. 3).
Fundstellen
Haufe-Index 411871 |
BStBl III 1966, 315 |
BFHE 1966, 289 |
BFHE 85, 289 |