Leitsatz (amtlich)
1. Der von den Hauseigentümern an die Gemeinde zu zahlende Kanalbaubeitrag (Kanalanschlußgebühr) gehört zu den Aufwendungen auf den Boden und nicht zu den Herstellungskosten des Hauses. - Der Senat hält an seinem entgegenstehenden Urteil VI 249/64 U vom 6. August 1965 (BFH 83, 317, BStBl III 1965, 615) insoweit nicht fest.
2. Die Aufwendungen der Hauseigentümer für die Herstellung der Zuleitungsanlagen von dem Haus zu dem öffentlichen Kanal (Hausanschlußkosten) einschließlich der sogenannten Kanalanstichgebühr gehören dagegen zu den Herstellungskosten des Gebäudes.
Normenkette
EStG 1963 §§ 7, 7b, 9, 21
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen sind Eigentümer eines Mietwohnhauses, das im Jahre 1959 fertiggestellt und im Jahre 1963 an das Kanalnetz der Stadtgemeinde angeschlossen wurde. Bis dahin hatten sie die Abwässer in eine Sickergrube geleitet. Außer den Kosten für die Kanalanschlußarbeiten auf ihrem Grundstück von 3 439 DM zahlten die Steuerpflichtigen gemäß der städtischen Kanalsatzung an die Stadt eine Kanalanschlußgebühr von 1 813 DM. In diesem Betrag war die Kanalanstichgebühr mit 24 DM enthalten.
Die Steuerpflichtigen verlangten, die Kanalanschlußgebühr als Teil der Herstellungskosten des Hauses zu behandeln und dafür die erhöhte Absetzung gemäß § 7b EStG mit 3 v. H. für das Streitjahr 1964 zuzulassen. Das Finanzamt (FA) entsprach dem nicht. Es sah in der Kanalanschlußgebühr einen nichtabschreibungsfähigen Aufwand auf den Boden.
Das FG gab der Klage statt und führte aus, zwischen den von den Steuerpflichtigen getragenen Kosten für die Anschlußarbeiten auf ihrem Grundstück und den Kanalanschlußgebühren bestehe ein so enger wirtschaftlicher Zusammenhang, daß beide Arten von Kosten steuerlich nicht verschieden behandelt werden könnten. Auch die Kanalanschlußgebühren gehörten darum zu den Herstellungskosten des Hauses. Im Gegensatz zu den Straßenanliegerbeiträgen, die in erster Linie der Erschließung des Bodens dienten, seien die Kosten des Anschlusses an das Kanalnetz ein Teil der Herstellungskosten des Gebäudes selbst. Es komme dabei nicht darauf an, ob durch den Anschluß an das Kanalnetz auch der Wert des Bodens gestiegen sei.
Der BdF war dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. Der Senat hatte in dem Beitrittsersuchen ausgeführt, daß nach § 127 des Bundesbaugesetzes (BBauG) vom 23. Juni 1960 (BGBl I, 341) zwar die an die Gemeinde zu entrichtenden Erschließungsbeiträge (früher Straßenanliegerbeiträge) zu den Anschaffungskosten für den Boden gehörten, weil sie allgemein den Wert des Bodens erhöhten. Nach § 127 Abs. 4 BBauG gehörten aber die Beiträge für den Anschluß an Versorgungsanlagen nicht zu den Erschließungsbeiträgen. Der Senat habe deshalb im Urteil VI 249/64 U vom 6. August 1965 (BFH 83, 317, BStBl III 1965, 615) diese Aufwendungen zu den Herstellungskosten des Gebäudes gerechnet, weil Versorgungsanlagen notwendig zur Nutzung eines modernen Gebäudes gehörten. Davon sei auch das FG ausgegangen. Der IV. Senat des BFH habe dagegen im Urteil IV 290/63 vom 3. August 1966 (BFH 86, 710, BStBl III 1967, 600) Beiträge für die gemeindliche Kanalisation zu den Aufwendungen auf den Boden gerechnet. Das Urteil behandele allerdings einen Sonderbeitrag an die Gemeinde für eine vorzeitige Erstellung des Abwasserkanals. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats habe bisher nicht zwischen Aufwendungen für Anlagen auf dem eigenen Grundstück und für solche außerhalb des Grundstücks unterschieden. Ebenso würden wohl in Abschnitt 58 Abs. 3 Satz 2 EStR 1965 die Anschlußgebühren für die Kanalisation zu den Herstellungskosten im Sinn des § 7b EStG gerechnet. Ebenso lasse § 82a EStDV 1965 in Verbindung mit Anlage 7 Nr. 8 zu, daß auf Kosten für "Anschlüsse an die Kanalisation" bei Altgebäuden erhöhte AfA gemacht würden.
Der BdF will zwischen den Kosten des Eigentümers für die Herstellung der Zuleitungsanlagen von seinem Haus zum öffentlichen Kanal (Hausanschlußkosten) und den Gebühren für den Anschluß an den öffentlichen Kanal (Kanalanschlußgebühr) unterscheiden. Die öffentliche Kanalisationsanlage stelle in der Regel die Gemeinde her, die für ihren Aufwand öffentlich-rechtliche Abgaben erheben könne, die rechtlich den Erschließungsbeiträgen (früher Straßenanliegerbeiträgen) verwandt seien, die die Gemeinden nach § 127 BBauG erheben könnten. Der Kanalanschlußgebühr, die ein Beitrag des Eigentümers zu den Herstellungskosten des gemeindlichen Kanals sei, stünden gegenüber die Aufwendung des Eigentümers für den Anschluß an den Kanal (Hausanschlußkosten) und die Gebühr für den Anstich des öffentlichen Kanals. Die Kanalanschlußgebühr werde auch in Abschn. 58 Abs. 3 EStR 1965 zu den nicht nach § 7b EStG absetzungsfähigen Erschließungsbeiträgen im Sinn der §§ 127 ff. BBauG gerechnet. Wesentlich sei, daß die Kanalanschlußgebühr nur einmal verlangt werden könne, auch wenn auf dem Grundstück nacheinander mehrere Gebäude errichtet würden. Die Kanalanschlußgebühr werde oft schon erhoben, bevor das Grundstück bebaut sei. Es könne aber nicht ausschlaggebend sein, ob die Kanalanschlußgebühr vorher oder erst nach der Bebauung des Grundstücks erhoben werde, wie es auch der erkennende Senat für Straßenanliegerbeiträge in den Urteilen VI 138/55 U vom 20. Mai 1957 (BFH 65, 285, BStBl III 1957, 343) und VI 100/63 S vom 18. September 1964 (BFH 81, 233, BStBl III 1965, 85) annehme. Im Gegensatz zu der Kanalanschlußgebühr bestehe bei den Hausanschlußkosten und der Kanalanstichgebühr ein enger Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes. Die Kanalanschlußgebühr gehöre auch nicht zu den Aufwendungen im Sinne von § 82a EStDV; denn auch hier würden erhöhte Absetzungen nur für Aufwendungen für Anlagen auf dem eigenen Grundstück zugelassen, wie der IV. Senat im Urteil IV 290/63 (a. a. O.) zutreffend angenommen habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat hält an den Grundsätzen seines Urteils VI 249/64 U (a. a. O.) nicht fest, soweit er darin die gesamten Kosten der Herstellung einer Abwasserbeseitigungsanlage zu den Herstellungskosten des Hauses gerechnet hat. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des IV. Senats und dem BdF hält der Senat es für geboten, bei den Kosten der Abwasserbeseitigungsanlage eines Hauses zu prüfen, ob die Kosten für Anlagen des Eigentümers auf seinem Grund oder für Anlagen der Gemeinde außerhalb seines Grundstücks entstanden sind. Der unter der Straße gebaute Kanal der Gemeinde steht mit den anliegenden Häusern nicht in unmittelbarem und unlöslichem Zusammenhang. Zu den Herstellungskosten des Hauses muß man indessen die Kosten rechnen, die dem Eigentümer für die Herstellung der Verbindung zum Hauptkanal der Gemeinde entstehen. Diese Kosten hat der Eigentümer selbst zu tragen. Sie sind unumgänglich mit der Herstellung eines modernen Wohnhauses verbunden und sind - im Gegensatz zur Kanalanschlußgebühr - ein verlorener Aufwand, wenn das Haus abgerissen oder grundlegend umgebaut wird, während die Kanalanschlußgebühr ein für allemal den Wert des Bodens erhöht.
Wenngleich die Kanalbaubeiträge in § 127 BBauG nicht besonders genannt sind, so ist dem BdF doch darin zuzustimmen, daß sie nicht anders behandelt werden können wie die Erschließungsbeiträge (Straßenanliegerbeiträge); denn beide dienen der Erschließung des Bodens zum Hausbau, gleichviel, ob bei der Herstellung dieser Anlagen das Haus schon gebaut ist oder nicht und ob das Haus später niedergerissen oder geändert wird. Die Beiträge, die der Eigentümer an die Gemeinde zur Erschließung des Geländes für Bauzwecke geleistet hat, erhöhen, wie gesagt, ein für allemal den Wert des Bodens.
Es trifft zwar zu, daß man ein von der Gemeinde nicht erschlossenes Gelände nicht mit Häusern für moderne Wohnungsansprüche bebauen kann. Aber dieser Zusammenhang allein rechtfertigt nicht, die Erschließungskosten, die der Eigentümer aufbringen muß, zu den Herstellungskosten des Gebäudes zu rechnen; denn nicht alles, was der Eigentümer aufwenden muß, um sein Haus zu bauen, gehört deshalb schon zu den Herstellungskosten des Hauses; andernfalls müßte man auch den Preis für den Boden zu den Herstellungskosten des Hauses rechnen, weil man ohne Boden kein Haus bauen kann. Weil aber Boden und Gebäude bei den AfA (§§ 7 und 7b EStG) steuerlich verschieden behandelt werden, ist in jedem Fall festzustellen, ob ein Aufwand auf den Boden oder auf das Gebäude gemacht ist. Aus den erwähnten Gründen ist es dabei geboten, die Kanalanschlußgebühren, die die Anlieger an die Gemeinde zahlen, zu dem Aufwand auf den Boden zu zählen.
Die an die Gemeinde zu zahlende Kanalanstichgebühr von 24 DM betrachtet der Senat als Teil der Hausanschlußkosten, die zu den Herstellungskosten des Hauses rechnen, weil sie unlösbar mit den Hausanschlußkosten zusammenhängen.
Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Mit dem Anschluß an den öffentlichen Kanal ist die bisherige Abwasseranlage (Sickergrube) wertlos geworden. Das FG muß prüfen, ob die Steuerpflichtigen deswegen eine außerordentliche wirtschaftliche Absetzung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3-EStG vornehmen können und wollen (Urteil des Senats VI 161/60 U vom 23. Juni 1961, BFH 73, 370, BStBl III 1961, 401).
Fundstellen
Haufe-Index 412853 |
BStBl II 1968, 178 |
BFHE 1968, 42 |