Leitsatz (amtlich)
Verwendet der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine Forderung gegen diese als Sacheinlage, erhöht sich der Buchwert der ihm zustehenden Beteiligung um den gemeinen Wert der Forderung.
Normenkette
EStG § 6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahre 1954 sämtliche Geschäftsanteile der T-GmbH im Nennbetrag von 1 Mio. DM zusammen mit einer Forderung der Verkäuferin der Anteile gegen die T-GmbH in Höhe von 800 000 DM. Als Kaufpreis wurden 400 000 DM für die Geschäftsanteile und 600 000 DM für die Forderung vereinbart.
1959 beschloß die Gesellschafterversammlung der T-GmbH eine Erhöhung des Stammkapitals auf 1,6 Mio. DM. Die auf das erhöhte Stammkapital zu leistende Stammeinlage übernahm die Klägerin in der Weise, daß sie von ihrer Darlehensforderung gegen die T-GmbH einen Teilbetrag von 600 000 DM in die T-GmbH einbrachte und an diese abtrat. Mit Schreiben vom gleichen Tage erließ die Klägerin der T-GmbH die Restforderung in Höhe von 200 000 DM zum Ausgleich des Darlehenskontos der T-GmbH.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in dem Erlaß eine Gesellschaftereinlage der Klägerin und rechnete 200 000 DM dem Gewinn der Klägerin zu.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage im ersten Rechtszug statt. Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Entscheidung des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1973 I R 197/70, BFHE 108, 509, BStBl II 1973, 391), das die Klage abwies.
Der BFH habe bereits in seinem Urteil in BFHE 108, 509, BStBl II 1973, 391 dargetan, warum im Streitfall ein Vergleich der Aktiven mit den Passiven der T-GmbH für sich allein nicht ausreiche, von den Anschaffungskosten abweichende Wertansätze zu begründen.
Eine Gewinnminderung aufgrund einer Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert der Beteiligung an der T-GmbH zum 31. Dezember 1959 komme nicht in Betracht. Die Klägerin habe trotz wiederholter Aufforderungen weder Bilanzen noch Verlust- und Gewinnrechnungen noch Geschäftsberichte der T-GmbH vorgelegt. Ohne Kenntnis zumindest dieser Unterlagen sei bei den gegebenen Verhältnissen die Beurteilung der Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung auf die Beteiligung unmöglich.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des materiellen Rechts und Verfahrensmängel. Hilfsweise rügt sie Versagung des rechtlichen Gehörs.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1959 um 102 000 DM zu ermäßigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das FG ist zwar bei der Beurteilung der Vorgänge im Streitjahr zu Recht von einem Buchwert der Beteiligung in Höhe von 400 000 DM und einem Buchwert der erworbenen Forderung in Höhe von 600 000 DM ausgegangen.
Soweit die Klägerin geltend macht, der Ansatz sei deswegen nicht zutreffend, weil beim Erwerb der Anteile und der Forderung 4 Mio. DM aktiven Vermögenswerten der T-GmbH 3 Mio. DM Fremdverbindlichkeiten und 800 000 DM Darlehensforderung der damaligen Gesellschafter gegenübergestanden hätten, kann der Senat hierauf nicht - jedenfalls nicht isoliert - eingehen. Der Senat hat hierzu im ersten Rechtsgang in dem Urteil in BFHE 108, 509, BStBl II 1973, 391 entschieden, daß dieser Umstand für sich allein noch nicht bedeute, daß die Darlehensforderung mit 800 000 DM und die Anteile mit nur 200 000 DM sachlich richtig zu bewerten seien. Hieran ist der Senat gebunden (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 126 Rdnr. 7). Eine Bindung an die Entscheidung im ersten Rechtsgang besteht auch insoweit, als die Klägerin den Ansatz der Forderung mit 800 000 DM mit dem Hinweis begründet, die Anschaffungskosten für ein normal verzinsliches langfristiges Darlehen entsprächen in der Regel dem Nennwert der Forderung und bei einem Gesamtkaufpreis für Forderung und Beteiligung sei vorweg der Nominalwert der Forderung als Anschaffungspreis für diese anzusehen. Der Senat hat im ersten Rechtsgang entschieden, daß angesichts der klar und eindeutig vereinbarten Kaufpreise für die Geschäftsanteile und die Forderung auf den ersten Anschein auch von der sachlichen Richtigkeit der gezahlten und gebuchten Kaufpreise als Anschaffungskosten auszugehen sei und die Klägerin, wenn sie nunmehr andere Bilanzansätze geltend mache, Tatsachen darzutun habe, die die sachliche Unrichtigkeit der bisherigen Ansätze erweisen könnten. Das Vorbringen der Klägerin ist insoweit nicht als Tatsachenvortrag anzusehen. Sie beruft sich vielmehr auf eine Rechtsansicht, über die der Senat im ersten Rechtsgang bereits - wenn auch nicht ausdrücklich - entschieden hat. Wenn nämlich die Ansicht der Klägerin richtig wäre, würde es nicht auf weitere Tatsachen ankommen, die die Ansätze als unrichtig erscheinen lassen.
Das FG hat jedoch seine Entscheidung zu Unrecht nicht von dem gemeinen Wert abhängig gemacht, der der Darlehensforderung zukam, auf die die Klägerin im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung verzichtete. Wird eine gegen eine Kapitalgesellschaft selbst gerichtete Forderung als Sacheinlage verwendet, bemessen sich die Anschaffungskosten der erworbenen Anteile nach dem gemeinen Wert der Forderung. Es liegt ein Tausch von Wirtschaftsgütern vor, bei dem der gemeine Wert der hingegebenen Wirtschaftsgüter maßgebend ist. Dem widerspricht es, das Ausmaß der Gewinnrealisierung durch den Vorgang der Sacheinlage allein davon abhängig zu machen, ob die Summe aus dem bisherigen Buchwert der Beteiligung und dem Nennwert der Forderung, auf die verzichtet wurde, über dem Teilwert der Beteiligung liegt, wie er sich nach dem Verzicht ergibt. Übersteigt nämlich der Teilwert der Beteiligung bereits vor der Sacheinlage deren Buchwert, müßte auf der Grundlage dieser Auffassung unter Umständen der Buchwert der Beteiligung um den vollen Nennwert der eingelegten Forderung erhöht werden, auch wenn deren gemeiner Wert unter deren Nennwert liegt. Dies widerspricht jedoch den dargestellten Grundsätzen über die Sacheinlage.
Beispiel:
Buchwert der Beteiligung 100, Teilwert 150, Nominalwert der Forderung gegen die Kapitalgesellschaft 130, gemeiner Wert der Forderung nur 100, da die Kapitalgesellschaft mit 30 überschuldet ist.
Der Teilwert der Beteiligung kann höher sein, da hierbei auch der Ertragswert der Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen ist.
Die Kapitalgesellschaft beschließt eine Kapitalerhöhung. Die Sacheinlage erbringt der Gesellschafter, indem er auf die Forderung gegen die Kapitalgesellschaft im Nominalwert von 130 (gemeiner Wert 100) verzichtet.
Der Buchwert der Beteiligung kann nicht deswegen um 130 auf 230 aufgestockt werden, weil der Teilwert der Beteiligung nach der Sacheinlage 280 beträgt und damit über 230 liegt. Es ist vielmehr lediglich von einer Erhöhung des Buchwerts der Beteiligung um 100 (gemeiner Wert der Forderung) auf 200 auszugehen.
Soweit der Senat im ersten Rechtsgang eine andere Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht mehr fest. Der Senat ist an diese Auffassung nicht gebunden. Eine Selbstbindung des Senats entfällt insoweit, weil sich die Rechtsprechung inzwischen geändert hat (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 6. Februar 1973 GmS-OGB 1/72, BFHE 109, 206, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1973, 1273). Dies ergibt sich aus der nichtveröffentlichten Entscheidung des erkennenden Senats vom 1. August 1979 I R 174/77, die - wie der Streitfall - eine Kapitalerhöhung betraf, bei der die Sacheinlage in einer Forderung gegen die Kapitalgesellschaft bestand, deren Kapital erhöht wurde. Der Senat hat hierbei ausgeführt:
"Einlagefähig ist auch eine gegen die Gesellschaft selbst gerichtete Forderung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 13. Oktober 1954 II ZR 182/53, BGHZ 15, 52, 60; Landgericht Berlin, Beschluß vom 27. Oktober 1976 - 98 T 30/76, Betriebs-Berater 1977 S. 213; Schilling in Hachenburg, a. a. O., 7. Aufl., § 5 Anm. 44). Liegt eine solche Sacheinlage vor, so sind für die Ermittlung der Anschaffungskosten die Grundsätze des sogenannten Tauschgutachtens des BFH anzuwenden (Gutachten vom 16. Dezember 1958 I D 1/57 S, BFHE 68, 78, BStBl III 1959, 30; Herrmann-Heuer, a. a. O., § 6 EStG Anm. 41 i, 1, S. E 145). Dies gilt auch, wenn ein Ausgabeaufgeld in Form des Verzichts auf eine Darlehensforderung erbracht wird (zur Aktivierungspflicht des Agios, das beim Erwerb neuer Geschäftsanteile aufgrund einer Kapitalerhöhung gezahlt wird, vgl. Herrmann-Heuer, a. a. O., § 5 EStG Anm. 57, Stichwort 'Agio', S. E 271). Nach diesen Grundsätzen sind die Anschaffungskosten mit dem gemeinen Wert der hingegebenen Wirtschaftsgüter zu ermitteln."
Die Auffassung, wie sie in diesem Urteil zum Ausdruck kommt, ist nicht durch das Urteil des VIII. Senats vom 12. Februar 1980 VIII R 114/77 (BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494) überholt. Das Urteil betrifft die Ermittlung des Veräußerungspreises im Rahmen des § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Fall der verdeckten Einlage einer wesentlichen Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 EStG. Es stellt dabei auf die Wertsteigerung ab, welche die Beteiligung an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft durch die Zuführung der verdeckten Einlage erfährt. Das Urteil des VIII. Senats betrifft - anders als der Streitfall - nicht die Gewinnermittlung gemäß § 5 EStG.
Da die Vorentscheidung auf anderer Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG den gemeinen Wert der zur Kapitalerhöhung verwendeten Darlehensforderung nicht geprüft hat. Die Sache geht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Auf die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt an. Diese betreffen das Vorgehen des FG bei der Ermittlung des Teilwerts der Beteiligung. Der Teilwert der Beteiligung wäre nur dann maßgebend, wenn die Klägerin geltend gemacht hätte, der Buchwert der Beteiligung hätte bereits vor der Sacheinlage den Teilwert der Beteiligung überschritten.
Fundstellen
Haufe-Index 74972 |
BStBl II 1984, 422 |
BFHE 1984, 538 |