Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Sonstiges Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an dem Urteil V z 11/56 U vom 23. November 1956 nicht mehr fest.
Der Begriff des Zollwerts kann als ein international gebundener Begriff des Wertzollrechtes nur nach zollrechtlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Zollwert nur die Besteuerungsgrundlage für die Erhebung der Ausgleichsteuer bildet.
Normenkette
UStG § 6 Abs. 1, § 15/2, § 1/1/3, § 11; AStO § 4 Abs. 1; ZG §§ 53, 53a
Tatbestand
Streitig ist die Frage, welcher Zollwert als Steuerwert der Berechnung der Ausgleichsteuer zugrunde zu legen ist für urheberrechtlich geschützte Bücher, die eine inländische Verlagsfirma (Beschwerdegegnerin - Bgin. -) auf Grund von ihr erworbener Verlagsrechte bei einer ausländischen Druckerei, die selbst das Material stellte, hat drucken und binden lassen. Die Bgin. und auch das Finanzgericht stehen unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V z 11/56 U vom 23. November 1956 (BStBl 1957 III S. 62, Slg. Bd. 64 S. 164) auf dem Standpunkt, daß als Zollwert für die Berechnung der Ausgleichsteuer der Rechnungspreis der ausländischen Druckerei zu gelten habe, der neben den Material-, Druck- und Bindekosten nur den Unternehmergewinn des ausländischen Druckers einbezieht. Demgegenüber vertritt die Verwaltung (Hauptzollamt und der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen) die Auffassung, daß der Rechnungspreis nicht als Zollwert für die von der Bgin. eingeführten Bücher anerkannt werden könne, da er nicht den Voraussetzungen des § 53 des Zollgesetzes (ZG) in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Zollgesetzes, des Zolltarifgesetzes und des Mineralölsteuergesetzes (Drittes Zolländerungsgesetz) vom 9. August 1956 (Bundesgesetzblatt - BGBl - 1956 I S. 735, Bundeszollblatt - BZBl - 1956 S. 594) entspreche und wesentliche Wertanteile, die dem Zollwert zuzurechnen seien, nicht enthalte.
Die gleiche Frage hat der damals für Zölle und Verbrauchsteuersachen zuständige V. Senat des Bundesfinanzhofs in seinem bereits erwähnten Urteil im Sinne der Bgin. entschieden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage für das Wertzollrecht hat die Verwaltung das Problem im vorliegenden Rechtsstreit sowie in einer Reihe weiterer ähnlich gelagerter Fälle erneut zur Entscheidung gestellt. Der nunmehr für Zölle und Verbrauchsteuern zuständige erkennende Senat hat daher die strittige Rechtsfrage unter Berücksichtigung aller von seiten der Parteien vorgebrachten Gründe und der dem früheren Urteil des Bundesfinanzhofs und der Vorentscheidung zugrunde liegenden Erwägungen nochmals an Hand der ihm gleichzeitig zur Entscheidung vorliegenden Fälle im Zusammenhang eingehend geprüft.
Entscheidungsgründe
I. -
Die von der Bgin. am 18. Februar 1957 eingeführten gedruckten und gebundenen Bücher sind nach der Tarifnr. 4901 - B - 2 der damals geltenden Fassung des Zolltarifs 1951 zollfrei, unterliegen aber der Ausgleichsteuer mit 4 v. H. ihres Wertes. Dieser Wert ist nach den Vorschriften über die Wertverzollung zu ermitteln (ß 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und § 7 Abs. 4 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1951 in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 14. November 1951 - BGBl 1951 I S. 885, BZBl 1951 S. 565 - in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie § 5 Abs. 1 der Ausgleichsteuerordnung - AStO - 1952). Damit gilt kraft Gesetzes als Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Ausgleichsteuer der Zollwert. Dieser richtet sich im Streitfall nach den §§ 53 und 53a ZG in der oben genannten Fassung.
Der erkennende Senat hat zu der Grundsatzfrage des Wertzollrechts, ob nämlich die Rechnungspreise aus Werklieferungsverträgen über urheberrechtlich geschützte Waren als Zollwert anerkannt werden und daher als Bemessungsgrundlage gelten können (ß 53 b ZG), in dem zur Veröffentlichung bestimmten Grundsatzurteil VII 102, 114, 115/58 S vom heutigen Tage (BStBl 1959 III S. 183) ausführlich Stellung genommen.
Der Senat hat dort entschieden, daß in den Fällen, in denen dem Lieferer nicht auch das Vertriebsrecht an den geschützten Waren zusteht, die Rechnungspreise aus den Werklieferungsverträgen nicht als Zollwert anerkannt werden können, weil sie im Sinne des Wertzollrechts nicht als Verkaufspreise unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs angesehen werden können; denn die jeweils eingeführten Waren, um deren Bewertung es im Einzelfalle geht, könnten infolge der auf ihnen ruhenden Urheberrechte vom Lieferer-Verkäufer nicht an jeden beliebigen Käufer im Wege eines Verkaufs auf dem freien Markt vertrieben werden. Es handelt sich dabei nicht um die auf dem Werklieferungsvertrag selbst beruhenden Bindungen obligatorischer Art zur übereignung der hergestellten Waren an den Auftraggeber, sondern um die Auswirkungen der auf den jeweiligen konkreten Waren ruhenden absoluten Schutzrechte, die den Verkäufer rechtlich hindern, die geschätzten Waren als solche an einen anderen als den Inhaber der Vertriebsrechte zu veräußern.
Die nach Ansicht des erkennenden Senats zum Wesen des Zollwertbegriffs gehörende Voraussetzung, daß die den Gegenstand des Kaufgeschäfts bildende, zu bewertende Ware an jeden beliebigen Käufer absetzbar sein muß, ohne daß bei diesem irgendwelche besonderen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Verkauf an ihn rechtlich zulässig ist, kann auch nicht im Wege der Anerkennung der besonderen Handelsumstände ausgeschaltet werden. Denn nur insoweit, als das der Einfuhr zugrunde liegende Geschäft die Voraussetzungen erfüllt, die das Gesetz für den den Normalpreis bestimmenden Verkaufsbegriff festgelegt hat, können bei der Anerkennung eines Rechnungspreises als Normalpreis handelsmäßige Umstände eines solchen "Verkaufs unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs" berücksichtigt werden. Der erkennende Senat hat daher in seinem oben angeführten Grundsatzurteil vom heutigen Tage der Auslegung des § 1 Abs. 2 der Wertzollordnung (WertZO) 1951, wie sie dem Urteil vom 23. November 1956 zugrunde liegt, nicht folgen können.
Es kommt im vorliegenden Rechtsstreit also nicht darauf an - worüber die Parteien sich zunächst eingehend auseinandergesetzt haben -, ob ein Werklieferungsvertrag auch wertzollrechtlich als Kaufvertrag angesprochen werden kann, sondern es ist ausschließlich von Bedeutung, ob die auf Grund eines solchen Vertrages hergestellte Ware vom Lieferer-Verkäufer an jeden beliebigen Käufer frei verkauft werden könnte oder nicht. Da dies bei urheberrechtlich geschützten Waren dann nicht der Fall ist, wenn dem Verkäufer nicht auch das Vertriebsrecht an den Waren zusteht, kann in Fällen wie dem vorliegenden, in dem dies nicht gegeben ist, der Rechnungspreis nicht als Zollwert anerkannt werden.
Auf die Einzelheiten der ausführlichen Begründung des oben erwähnten Grundsatzurteils zu der wertzollrechtlichen Frage wird Bezug genommen.
Es bleibt daher hier noch zu prüfen, ob diese wertzollrechtliche Entscheidung auch dann zu gelten hat, wenn - wie im vorliegenden Falle - der Zollwert ausschließlich als Bemessungsgrundlage der Ausgleichsteuer dient.
II. - Im Gegensatz zu sonstigen zollrechtlichen Vorschriften, die gemäß § 15 Abs. 2 UStG sinngemäß auf die Erhebung der Ausgleichsteuer Anwendung finden, gelten die zollrechtlichen Vorschriften über den Zollwert unmittelbar. Sie haben daher auch dann Anwendung zu finden, wenn dies im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die unter Umständen dem Sinn und Zweck der Ausgleichsteuer nicht voll entsprechen. Der durch den Gesetzgeber infolge der unmittelbaren Verkoppelung des Bemessungsmaßstabes für die Ausgleichsteuer mit dem Zollwert geschaffenen Rechtslage muß Rechnung getragen werden. Jedenfalls kann nicht durch Erwägungen, die ihren Ursprung in vermeintlichen Ungereimtheiten bei der Anwendung des Wertzollrechts auf die Erhebung der Ausgleichsteuer haben, der Begriff des Zollwerts umgedeutet werden.
Der Zollwert, der als international verbindlicher Begriff für die Signatarstaaten des Brüsseler Abkommens über den Zollwert vom 15. Dezember 1950 (vgl. Gesetz über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiet des Zollwesens vom 17. Dezember 1951, BGBl 1952 II S. 1 ff., und Bekanntmachung über das Inkrafttreten von internationalen Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens vom 7. Juli 1953, BGBl 1953 II S. 256) die Grundlage des Wertzollrechts bildet, kann nur nach zollrechtlichen Gesichtspunkten ausgelegt werden. Die im UStG getroffene Regelung, wonach vom 16. November 1951 an die Ausgleichsteuer nach dem Zollwert zu berechnen ist, verfolgte den Zwecke einer sinnvollen Vereinfachung des Abfertigungsverfahrens. Die Zollstellen sollten im Interesse einer reibungslosen Abwicklung der Zollabfertigung nicht gehalten sein, neben der Ermittlung des Zollwerts noch weitere Ermittlungen über einen etwa von der Höhe des Zollwerts abweichenden Bemessungsmaßstab für die Ausgleichsteuer durchzuführen. Aus diesem Grunde wurde bestimmt, daß nicht mehr der früher in erster Linie maßgebende Erwerbspreis, sondern der von den Zollstellen für wertzollbare Waren sowieso festzustellende Zollwert auch die Grundlage für die Bemessung der Ausgleichsteuer bilden solle. Es kann daraus aber nicht gefolgert werden, daß deshalb dem Begriff des Zollwerts, also einem zollrechtlichen Begriff, aus Erwägungen umsatzsteuerlicher Art ein anderer Inhalt gegeben werden könnte. Das hat auch dann zu gelten, wenn, wie im Streitfall, eine Ware, weil nicht wertzollbar, nur der Ausgleichsteuer unterworfen ist (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 UStG 1951). Es muß daher de lege lata davon ausgegangen werden, daß der Zollwertbegriff eine für alle an dem Brüsseler Abkommen beteiligten Staaten einheitlich festgelegte, in das nationale Recht der Vertragsstaaten übernommene Norm darstellt, die nicht durch Erwägungen rechtlicher Art beeinflußt werden kann, die aus dem Bereich etwa neben dem Zoll noch bestehender innerer nationaler Abgaben hergeleitet werden könnten. Denn jede Umdeutung des Zollwertbegriffs aus nicht auf dem Wertzollrecht beruhenden Gründen würde eine einseitige Verschiebung der Vergleichsmöglichkeiten der Zollbelastungen in den einzelnen Vertragsstaaten nach sich ziehen und damit den Hauptvorteil des Wertzollsystems sowie die gleichmäßige Handhabung der Wertnorm, zu der sich alle Vertragsstaaten verpflichtet haben, in Frage stellen.
Auch die Grundsätze des Genfer Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens vom 30. Oktober 1947 (GATT), dem die Bundesrepublik beigetreten ist (vgl. Gesetz über das Protokoll von Torquay vom 21. April 1951 und den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen vom 10. August 1951, BGBl 1951 II S. 173, Bekanntmachung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens - GATT - vom 5. Oktober 1951, BGBl 1951 II S. 200), und die Havanna-Charta der Vereinten Nationen vom 24. März 1948, deren allgemeine Grundsätze von den GATT-Vertragsstaaten zu berücksichtigen sind, können auf die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit keine unmittelbare Anwendung finden, weil diese internationalen Abkommen nach der herrschenden Meinung zwar die Vertragsstaaten binden, nicht aber Recht schaffen, aus dem der einzelne Staatsbürger unmittelbare Ansprüche herleiten kann.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, kann auch der Umstand, daß im vorliegenden Fall der Zollwert ausschließlich als Bemessungsgrundlage für die Ausgleichsteuer dient, nicht zu einer veränderten Betrachtungsweise hinsichtlich des Zollwertbegriffs und seiner rechtlichen Folgen führen.
Fundstellen
BStBl III 1959, 166 |
BFHE 1959, 431 |
BFHE 68, 431 |
StRK, UStG:6 R 5 |